Besoldungsinformationen aus Berlin Mai 2021 zur Umsetzung der Entscheidungen des BVerfG

 

Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
für die Besoldung im Jahr 2021

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

hiermit informieren wir Sie über die aktuellen Entwicklungen zum Thema Besoldung. Ausgehend von zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr (dazu 1.) berichten wir über den Stand der Umsetzung für die Besoldung im Jahr 2021 (dazu 2.), über den Entwurf eines Reparaturgesetzes sowie unsere dagegen erhobene Kritik (dazu 3.). Ferner beleuchten wir die Folgen eines zu erwartenden Nachzahlungsgesetzes für Widerspruchs- und Klageverfahren (dazu 4.). Wir schließen mit einer Empfehlung (dazu 5.) und – das haben wird uns verdient – mit etwas Selbstlob (dazu 6.).

1. Entscheidungen des BVerfG im Jahr 2020

Mit zwei Entscheidungen zur R-Besoldung hat das BVerfG am 4. Mai 2020 die Besoldung der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für verfassungswidrig erklärt. In einer Entscheidung – 2 BvL 4/18 – ging es um die Berliner R-Besoldung. Der Streitgegenstand betraf die Besoldungsgruppen R1 und R2 in den Jahren 2009 bis 2014 sowie die Besoldungsgruppen R1 bis R3 im Jahr 2015. Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat das BVerfG die Besoldung für evident unzureichend erklärt und das Land Berlin zur Nachbesserung bis zum 1. Juli 2021 verpflichtet (s. unser Bericht „BVerfG: Berliner Besoldung verfassungswidrig“ und „Was folgt aus der BVerfG-Entscheidung Richterbesoldung?“ unter www.drb-berlin.de). Die Entscheidung ist der Anlass für den Entwurf eines Nachzahlungsgesetzes (dazu 3.).

Die andere Entscheidung vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 – betraf die Alimentation von Kolleginnen und Kollegen mit mehr als zwei Kindern. Das Gericht beanstandete die Höhe der für die Kinder gezahlten Besoldungszuschläge im Land Nordrhein-Westfalen. Auch hierüber haben wir berichtet und die Entscheidung ausgewertet (siehe „Die verfassungswidrige Besoldung kinderreicher Familien in Berlin“ unter www.drb-berlin.de).

2. Stand der Umsetzung in Berlin für das Jahr  2021

Das Land Berlin nahm die Entscheidung des BVerfG zu kinderreichen Familien zum Anlass, rückwirkend zum 1. Januar 2021 die Kinderzuschläge für das dritte und jedes weitere Kind deutlich zu erhöhen. Wir haben die Zuschläge noch nicht im Einzelnen mit den Vorgaben aus Karlsruhe abgeglichen. Bislang sind uns aber keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bekannt. Die beachtenswerte Erhöhung der Kinderzuschläge zeigt jedoch, in welchem Maße diese Kolleginnen und Kollegen bislang unteralimentiert waren.

Daneben und unabhängig von Ermahnungen aus Karlsruhe wurde die Besoldung des Öffentlichen Dienstes von 2016 bis 2021 schrittweise bis zum Durchschnitt der Besoldungen in allen Bundesländern erhöht. Die Besoldung und Versorgung im Land Berlin bewegt sich nun im Mittelfeld der Bundesländer. Es ist anzuerkennen, dass die Koalition sich mit Kraft und nachhaltig dafür eingesetzt hat, dass Berlin die rote Laterne im Besoldungsranking abgegeben hat.

Jedoch hat sich die Ungleichbehandlung der oberen Besoldungsgruppen fortgesetzt. Die Hauptstadtzulage wird weiterhin nur bis zur Besoldungsgruppe A13 gewährt, so dass Lehrerinnen und Lehrer sie erhalten, Richterinnen und Staatsanwälte hingegen nicht. Um den Abstand zum Existenzsicherungsniveau zu vergrößern, wurde nicht die Besoldung insgesamt angehoben, sondern wurde die unterste Besoldungsgruppe A4 – und damit eine weitere – gestrichen, woraus sich insbesondere im mittleren Dienst Probleme mit dem Abstandsgebot ergeben. Das Land ist damit den Vorgaben des BVerfG nicht gefolgt (siehe unsere Stellungnahme „SenFin schlauer als das BVerfG?“). Berlin entfernt sich so weiter von einer nachvollziehbaren und gerechten Besoldungsstruktur.

3. Entwurf Reparaturgesetz – eine besserwisserisch-knauserige  Umsetzung

Die Finanzverwaltung hat im April 2021 den Entwurf eines Nachzahlungsgesetzes vorgelegt. Wir haben als Interessenverband hierzu Stellung genommen. Ferner haben wird uns im Rahmen der Besoldungsallianz für eine verfassungskonforme Umsetzung der BVerfG- Entscheidungen stark gemacht.

a) Inhalt des  Entwurfs

Der Entwurf des „Gesetzes über die rückwirkende Schaffung verfassungskonformer Regelungen hinsichtlich der Besoldung in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 und der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 und zur Änderung weiterer Vorschriften (Reparaturgesetz zur R-Besoldung im Land Berlin von 2009 bis 2015)“ enthält folgende Regelungen:

  • Nachzahlungen zwischen 1,7 und 7,57 Prozent der Grundgehälter und Amtszulagen

  • für die Jahre 2009 bis 2014 und die Besoldungsgruppen R1 und R2, für das Jahr 2015 für die Besoldungsgruppen R1 bis R3

  • anspruchsberechtigt sind „Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte über deren Anspruch auf Besoldung noch nicht abschließend entschieden worden ist. Hierfür ist erforderlich, dass sich die jeweilige Richterin oder der jeweilige Richter beziehungsweise die jeweilige Staatsanwältin oder der jeweilige Staatsanwalt im jeweils bezeichneten Haushaltsjahr mit einem statthaften Rechtsbehelf gegen die Höhe der gewährten Besoldung zur Wehr gesetzt hat und das geführte Vorverfahren nicht bestandskräftig oder ein Klageverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen worden ist.“

Im Ergebnis ergibt dies für Kolleginnen und Kollegen, die zwischen 2009 bis 2015 jährlich Widerspruch erhoben haben (und zur begünstigten Besoldungsgruppe gehören und deren Widerspruch nicht bestandskräftig beschieden wurde) eine Nachzahlung zwischen 15.000 bis 22.000 EUR. Die Nachzahlungshöhe ist abhängig von der Besoldungsgruppe und der Alters- bzw. Erfahrungsstufe in den jeweiligen Jahren. Individuell lässt sich die Nachzahlungshöhe anhand der Angaben zum Grundgehalt in den Besoldungsabrechnungen ermitteln. Wir beabsichtigen, eine „Berechnungsanleitung“ zu veröffentlichen, sobald die endgültige Gesetzesfassung feststeht.

b) Unsere Stellungnahme zum  Gesetzentwurf

Mit unserer Stellungnahme „Reparaturgesetz zur R-Besoldung“ haben wir uns gegen die nur streitgegenstandsbezogene „Reparatur“ der verfassungswidrigen Besoldung gewandt.

Wir begrüßen die Entscheidung des Senats, die Höhe der Nachzahlung so zu bemessen, dass nach den im Entwurf vorgenommenen Berechnungen keines der volkswirtschaftlichen Parameter die Mindestschwelle unterschreitet.

Uns besorgt aber, dass es die Finanzverwaltung mit dem allein auf den Streitgegenstand der BVerfG-Entscheidung beschränkten Gesetzentwurf unterlässt, in Kenntnis der Verfassungswidrigkeit den bestätigten Verfassungsverstoß gegenüber den Kolleginnen und Kollegen in anderen Jahren und anderen Besoldungsgruppen zu beseitigen. Denn das Land Berlin ist als Dienstherr unabhängig von der Entscheidung des BVerfG aus der Verfassung verpflichtet, eine amtsangemessene Alimentation zu leisten. Wenn die Alimentation der Besoldungsgruppen R1 und R2 evident unzureichend war, ergibt sich das nach der vom BVerfG verbindlich vorgegebenen Prüfungsmethodik zwingend auch für andere Besoldungsgruppen und auch für Folgejahre.

Die Leugnung der verfassungsrechtlichen Nachbesserungspflichten durch den bloßen Bezug auf den Streitgegenstand verletzt das Treueverhältnis des Landes gegenüber den bislang nicht oder nur teilweise durch das Reparaturgesetz begünstigten Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Der Gesetzentwurf lässt durch seinen zu engen Fokus zudem den gebotenen Respekt gegenüber der Verfassung und dem BVerfG vermissen.

Wir haben ferner gerügt, dass der Entwurf bewusst von den Vorgaben des Verfassungsgerichts zur Berechnung der Mindestalimentation abweicht und haben deutlich gemacht, dass er die Folgen aus der Entscheidung des BVerfG für Kolleginnen und Kollegen mit mehr als zwei Kindern ignoriert. Das Übergehen dieser auch auf Berlin übertragbaren Entscheidung halten wir für ignorant und inakzeptabel. Offensichtliche Nachzahlungsansprüche werden insoweit bewusst nicht erfüllt.

Ferner haben wir eine Schadenskompensation, eine Korrektur der Anspruchsberechtigung sowie eine Wertschätzungsgeste gefordert.

c) Einsatz der  Besoldungsallianz

Gemeinsam mit dem DGB Berlin-Brandenburg, der dbb berlin sowie dem Hauptpersonalrat haben wir Gespräche mit allen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen (außer der AfD) geführt und uns mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass eine Nachzahlung der evident unzureichenden Besoldung für den gesamten Öffentlichen Dienst bis mindestens 2019 umgesetzt wird. Ersichtlich halten sich die Abgeordneten jedoch mit Blick auf die derzeit leeren Kassen zurück, berechtigte Nachzahlungsansprüche zu erfüllen. Erschwerend kommt die wohl von der Senatsverwaltung für Finanzen gestreute Fehlinformation hinzu, das Land dürfe ohne eine Entscheidung des BVerfG die Besoldung nicht nachbessern.

In den intensiven Gesprächen konnten wir jedoch die Bedeutung der BVerfG- Entscheidungen und die damit verbundenen, berechtigten Erwartungen der Beschäftigten zu Gehör bringen. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf des Reparaturgesetzes in Details noch verändert wird, halten jedoch eine Nachzahlung schon bis Juli 2021 auch für die A-Besoldung politisch für ausgeschlossen.

4. Folgen des Nachzahlungsgesetzes für Widerspruchs- und  Klageverfahren

Das BVerfG hat das Land Berlin zum Erlass des Nachzahlungsgesetzes bis zum 1. Juli 2021 verpflichtet. Wir halten es für sicher, dass zumindest für die streitgegenstandsbezogenen Jahre und Besoldungsgruppen fristgerecht ein Nachzahlungsgesetz erlassen werden wird.

Bei aller Kritik im Detail ist die geplante Nachzahlung der Höhe nach so bemessen, dass keine Gründe für die Annahme einer evident unzureichenden Besoldung mehr bestehen – mit Ausnahme der Ansprüche für das dritte Kind (und weitere Kinder). Es sind folgende Varianten zu unterscheiden:

a) Besoldungsrüge ohne 3. Kind (und weitere)

Bei Kolleginnen und Kollegen der Besoldungsstufen R 1 und R 2, die für die Jahr 2009 bis 2015 Widerspruchsverfahren anhängig gemacht haben, führt der Erlass des Besoldungsnachzahlungsgesetzes (und der damit geschaffene gesetzliche Auszahlungsanspruch) zur Erledigung dieser Widerspruchsverfahren. Wir erwarten, dass die Widerspruchsstellen lediglich mitteilen, dass die Widerspruchsverfahren für die betroffenen Jahre eingestellt werden. In diesen Widerspruchsverfahren werden keine Verfahrenskosten erstattet. Entsprechendes gilt für die R3-Besoldung nur für das Jahr 2015.

b) Besoldungsrüge kinderreicher Kolleginnen und Kollegen

Nach dem derzeitigen Entwurf werden die verfassungsrechtlich gebotenen Nachzahlungen für das dritte Kind (und weitere Kinder) nicht gewährt. Insoweit führt das Reparaturgesetz zu keiner vollständigen Erledigung der Widerspruchsverfahren. Dies sollte den Widerspruchsstellen rechtzeitig mit der Bitte mitgeteilt werden, das Widerspruchsverfahren weiter ruhen zu lassen. Sofern Widerspruchsbescheide erlassen werden empfiehlt sich eine Klageerhebung. Die Erfolgsaussichten sind mit Blick auf die Entscheidung des BVerfG sicher.

Der derzeitige Entwurf des Reparaturgesetzes sieht weder einen Ersatz der Verzugsschäden (Verzugszinsen) noch den Ersatz der durch die Versteuerung der Nachzahlung als Einmalzahlung eintretenden Nachteile vor. Ob gegen den Dienstherrn solche Ansprüche bestehen, ist ungewiss. Die in der Gesetzesbegründung vorgetragenen Argumente gehen unserer Ansicht nach zwar an der Sache vorbei. Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten von Verfahren zur Liquidation dieser Nachteile fehlen jedoch Entscheidungen. Erfolgsaussichten sind unsicher.

5. Unsere Empfehlungen

Widersprüche sowie Klageverfahren für das Jahr 2016 und folgende Jahre sollten weiter ruhen, bis eine gerichtliche oder politische Klärung gelungen ist. Sollten Widerspruchsbescheide für diese Jahre erlassen werden, lohnt sich nach unseren Berechnungen ein Klageverfahren für bis zu vierköpfige Familien etwa bis zum Jahr 2018. Erfolgsaussichten für die Jahre 2019 und 2020 sind ungewiss, für das Jahr 2021 eher nicht gegeben.

Die laufenden Klageverfahren sind in der Regel ausgesetzt. Kolleginnen und Kollegen, welche die Verfahren beenden wollen, können diese nach Inkrafttreten des Reparaturgesetzes (keinesfalls vor dem 1. Juli 2021!) durch einfachen Schriftsatz wieder aufnehmen und die Hauptsache (insoweit) für erledigt erklären. Danach ergeht bei vollständiger Erledigung der Hauptsache eine Kostenentscheidung des Gerichts.

Wer mit der Klage noch die Einstufung nach der Besoldungsüberleitung oder die Besoldung nach Lebensalter/Erfahrungsstufen an sich gerügt hat, sollte wegen einer noch anhängigen Verfassungsbeschwerde eines Kollegen aus Baden-Württemberg (gegen den Beschluss des BVerwG vom 27. Juni 2019 - 2 B 7.18) prüfen, das Verfahren weiter ausgesetzt/ruhend zu lassen.

Es besteht die Möglichkeit, dass das Land Berlin versucht, individuell durch Vergleichsangebote eine Erledigung von Widerspruchs- und Klageverfahren herbeizuführen. Davon könnten insbesondere Verfahren der Kolleginnen und Kollegen in den Besoldungsgruppen R3 und aufwärts betroffen sein, bei denen es „zu peinlich“ wäre, wenn ein solches Verfahren erneut dem BVerfG vorgelegt werden würde. Das kann im Einzelfall lohnenswerter sein, als das weitere Prozessieren.

6. DRB Berlin – Besoldungseinsatz, der sich gelohnt hat

Der Deutsche Richterbund – Landesverband Berlin setzt sich seit Jahren intensiv für eine amtsangemessene Besoldung der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ein. Der ehrenamtliche Einsatz des Deutschen Richterbund – Landesverband Berlin lohnt sich: für Sie!

Wir sind besonders stolz, dass sich unser Bemühen um eine gerichtliche Klärung der unzureichenden Besoldung nach Jahren unermüdlichen Einsatzes für die Anspruchsberechtigten des Reparaturgesetzes deutlich auszahlen wird. Wir konnten durch umfangreiche Berechnungen und sorgfältige Zuarbeiten den Ausgang der Besoldungsverfahren aktiv mitgestalten. Einige Berechnungen und Zitate des BVerfG entstammen unseren Schriftsätzen. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat bei der Entwicklung des Nachzahlungsgesetzes unsere Berechnungen erbeten. Wir werden mit Nachdruck versuchen, für die Jahre 2016 bis 2019 eine politische Lösung zu fördern, um dem ewigen Prozessieren ein Ende zu bereiten.

Wir freuen uns sehr, dass auch unser Einsatz für eine amtsangemessene Besoldung dazu beigetragen hat, dass endlich die Anhebung der Besoldung auf den Länderdurchschnitt erreicht wurde.

Durch die Zusammenarbeit mit Partnergewerkschaften haben wir der Politik gezeigt, dass der Öffentliche Dienst insgesamt nicht weiter bereit ist, eine evident unzureichende Besoldung hinzunehmen. Diese Zusammenarbeit wird die Durchsetzbarkeit unserer künftigen Forderungen erhöhen.

Wir werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, über den Fortgang des Besoldungsstreits auf dem Laufenden halten. Interessante Informationen rund um unsere Arbeit finden Sie auf unserer Webseite.

 

 

Dr. Patrick Bömeke

Dr. Stefan Schifferdecker