SenFin schlauer als das BVerfG?

Besserwisserisch-knauserige Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Jahre 2009 bis 2015

 

Die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Richterbesoldung in den Jahren  2009  bis  2015  machte eine Überarbeitung des Besoldungs- undVersorgungsanpassungsgesetzes erforderlich, welches sich schon in der Endphase desparlamentarischen Prozesses befand. Dies verzögerte das geplanteGesetzgebungsverfahren.

In aller Eile musste die Senatsverwaltung für Finanzen die Entscheidung des Verfassungsgerichts bewerten und für die zu 2021 geplante Besoldungsanpassung zuarbeiten. Hier setzte sich jedoch die der Finanzverwaltung offenbar innewohnende Betonkopf-Mentalität durch. Mutmaßlich verärgert von der unerhörten Kritik des BVerfG an den Besoldungsschöpfungen der früheren Jahre war man nicht bereit, die Berechnungen des Verfassungsgerichts unverändert zu übernehmen. Denn die Senatsverwaltung ist bei den Berechnungen zur Mindestalimentation ausdrücklich von den Vorgaben des Verfassungsgerichts abgewichen.

So übernehmen die Berechnungen zum Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz bewusst nicht die Vorgaben zu den Unterkunfts- und Heizbedarfen, die das BVerfG für die Berechnung des Mindestabstandes zum Existenzsicherungsniveau zugrunde gelegt hat. Vielmehr verweist die Verwaltung auf geringere Werte der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mit der Begründung, diese würden den Berliner Mietmarkt besser abbilden. Zudem setzt die Verwaltung geringere Werte für Bildung und Teilhabe an, als vom BVerfG für 2015 für die Berechnung des Mindestabstandes berücksichtigt wurden, ergänzt sie aber auch um weitere soziale Bedarfe.

Für den Vergleich des Abstandes der Besoldungsgruppen in den Jahren 2016 bis 2021 nimmt die Senatsverwaltung nicht die damals niedrigste Besoldungsgruppe A4 und nicht die nun durch Zuschläge (z.B. Hauptstadtzulage) erhöhte aktuelle Besoldung in den Blick und verkürzt damit bewusst den kritischen Abstand.

Schließlich wurden zur Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Mindestversorgung der Kinder Erhöhungsbeträge auf den Familienzuschlag nur in den Besoldungsgruppen A5 bis A8 beschlossen. Das hat zur Folge, dass eine vierköpfige Beispielsfamilie einer A5-Beamtin im Jahr 34.687,04 EUR netto zu Verfügung hat und die Familie einer A7-Beamtin 34.828,48 EUR – also 11,79 EUR netto mehr pro Monat. Da lohnt sich die Beförderung! Auch wenn noch nicht im Detail geklärt ist, wie die Erhöhungszuschläge (zur Wahrung des Abstandes zum Existenzsicherungsniveau) zum Abstandsgebot der Besoldungsgruppen stehen, sollte der Dienstherr weiterhin ein Interesse daran habe, dass geordnete Besoldungsstrukturen weiter Leistungs- und Fortbildungsanreize bieten. Darauf hat Berlin aus finanziellen Gründen verzichtet.

Die besserwisserisch-knauserige Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Jahre 2009 bis 2015 in die aktuelle Besoldungserhöhung für das Jahr 2021 betrifft im Wesentlichen die Besoldung im mittleren und gehobenen Dienst. Den diese Personengruppen vertretenden Gewerkschaften und Interessenvertretungen ist es in der Kürze der Zeit (auch pandemiebedingt) leider nicht gelungen, den Abgeordneten die Folgen dieser eigenwilligen Interpretation der Verfassungsgerichtsentscheidung aufzuzeigen. Dies manifestiert jedoch die kritikwürdige aktuelle Politik, Einzelfallprobleme durch Zuschläge sowie durch Erhöhungsbeträge auf Zuschläge zu lösen und Einzelfallinteressen günstig zu bedienen. Dadurch entfernt sich Berlin jedoch immer weiter von einer nachvollziehbaren und gerechten Besoldungsstruktur.

Dr. Stefan Schifferdecker