Unsere Stellungnahme zu dem Entwurf der AV Rechtsschutz

Hier unsere Stellungnahme vom 31. Januar 2022 im Rahmen der Beteiligung der Spitzenorganisationen der Berufsverbände nach § 7 des Berliner Richtergesetzes (RiGBln)
 

Entwurf der AV Rechtsschutz vom 14.12.2021,

hier: Einleitung der Verwaltungsbeteiligung

 

Sehr geehrte Frau Lamprecht, sehr geehrte Damen und Herren,

Wir bedanken uns für die Möglichkeit der Stellungnahme, von der wir gern Gebrauch machen.

Aus unserer Sicht wäre es zu bevorzugen, dass der Dienstherr in den von der AV Rechtsschutz umfassten Fällen stets und vollumfänglich Kosten des Rechtsschutzes als Zuschuss übernimmt, da der Rechtsstreit stets durch die Ausübung des Dienstes veranlasst wurde. Sowohl das Arbeitsrecht als auch das Beamtenrecht enthalten ausreichend Möglichkeiten für einen Regress gegenüber der oder dem Beschäftigten. Die Fürsorgepflicht dürfte es daher gebieten, dass das Land Berlin sich durch großzügigere Regelungen schützend vor seine Beschäftigten stellt.

Unabhängig davon nehmen wir zum Entwurf der AV Rechtsschutz wie folgt Stellung:

§ 1 Sachlicher Anwendungsbereich

Wir begrüßen die Überarbeitung der AV Rechtsschutz und die verbesserte Übersichtlichkeit. Gleichwohl empfehlen wir für eine bessere Verständlichkeit des Anwendungsbereiches den überlangen § 1 sprachlich zu kürzen und die für die Beschäftigten wichtige Regelung der Umwandlung in einen Zuschuss mit aufzunehmen.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

Nach Maßgabe der folgenden Regelungen wird den Beschäftigten des Landes Berlin Rechtsschutz in Straf- und Zivilverfahren, welche im Zusammenhang mit einer dienstlichen Verrichtung stehen, gewährt. Dies erfolgt durch Gewährung eines Vorschusses oder eines zinslosen Darlehens, die nach Abschluss des Verfahrens in einen Zuschuss umgewandelt werden können.

 

§ 4 Allgemeine Bewilligungsvoraussetzungen

Das Verb „soll“ begründet lediglich einen Anspruch der Beschäftigten auf fehlerfreie Ermessensentscheidung mit der Maßgabe, dass von den Vorgaben der AV Rechtsschutz nur in Sonderfällen abgewichen werden kann (sog. intendiertes Ermessen). Die Regelungen der AV Rechtsschutz sind jedoch so detailliert, dass ein Ermessen der Verwaltung nicht gerechtfertigt ist. Die Treuepflicht des Dienstherrn gebietet insoweit einen Anspruch der Beschäftigten auf einen Vorschuss oder ein Darlehen.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

            Beschäftigten ist auf Antrag …

 

§ 5 Bewilligungsverfahren

Wir regen zu Absatz 4 an, die Behörde in jedem Fall der Entscheidung – und nicht nur bei einer begünstigenden Vorschuss- oder Darlehensgewährung – zur unverzüglichen Information zu verpflichten. Wegen des Verzögerungsrisikos empfehlen wir die Regelung, dass eine Vorabinformation (z.B. per E-Mail) zulässig ist. Die im Entwurf enthaltene Unterrichtungspflicht unterscheidet sich von der Regelung in § 9. Wir schlagen eine einheitliche Regelung nur in § 9 vor. Zudem halten wir  eine (von § 9 auch abweichende) Pflicht zur Unterrichtung der Behörde in Schriftform für antiquiert.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(4) Die Entscheidung der entscheidungsbefugten Stelle ist den Beschäftigten unverzüglich auf dem Dienstweg zuzuleiten, eine Vorabinformation auf dienstlichem Wege (z.B. per E-Mail) ist zulässig. Die Beschäftigten sind über die Pflichten nach § 9 zu informieren.

 

§ 6 Vorschuss und Darlehen

Die Regelung in Absatz 1 steht wegen der fehlenden Erwähnung der Zuschussmöglichkeit in einem Widerspruch zu § 7. Darüber hinaus empfehlen wir zum besseren Verständnis, auf den juristischen Begriff der Tilgung zu verzichten.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(1) Vorschuss und Darlehen sind nach rechtskräftigem Abschluss der Rechtsverteidigung zurückzuzahlen, soweit kein Zuschuss nach § 7 zu gewähren ist.

 

§ 7 Zuschuss

Absatz 1

Satz 2 benötigt bei der vorgeschlagenen Änderung des § 6 keine Bestimmung zur Tilgung. Die Fassung benennt – anders als Absatz 2 - nicht, dass der Zuschuss nur insoweit gewährt werden muss, wie eine Erstattung ausbleibt. Die Ermessensentscheidung halten wir bei einem Zuschuss für nachvollziehbar.

Aus Satz 3 kann sich eine Diskrepanz zwischen der Höhe des Zuschusses und der Höhe des Erstattungsforderung ergeben, die Abtretungshöhe sollte daher an den Zuschuss geknüpft werden, der auf der Uneinbringlichkeit beruht.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(1) Hat die oder der Beschäftigte, …, so soll ihr oder ihm insoweit ein Zuschuss bis zur Höhe des gewährten Vorschusses oder des Darlehens gewährt werden. Der Zuschuss ist mit dem Vorschuss oder dem Darlehen zu verrechnen.Soweit eine Erstattungsforderung uneinbringlich ist, hat die oder der Beschäftigte den Kostenerstattungsanspruch an das Land Berlin abzutreten.

Absatz 2

Die Frist von drei Monaten zur Beantragung ist unserer Ansicht nach nicht ausreichend. Nach Abschluss der Rechtsschutzmaßnahme laufen zunächst Rechtsmittelfristen, deren Ausnutzen durch den Gegner ungewiss ist. Ferner muss für die Kenntnis von der Uneinbringlichkeit möglicherweise ein Vollstreckungsversuch unternommen werden. Ferner kann sich aus Satz 2 eine Diskrepanz zwischen der Höhe des Zuschusses und der Höhe des Erstattungsforderung ergeben, die Abtretungshöhe sollte daher an den Zuschuss geknüpft werden, der auf der Uneinbringlichkeit beruht.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(2) Hat die oder der Beschäftigte …   oder dieser uneinbringlich ist und die oder der Beschäftigte dies beantragt. Soweit eine Erstattungsforderung uneinbringlich ist, hat die oder der Beschäftigte den Kostenerstattungsanspruch an das Land Berlin abzutreten.

Absatz 2a (oder 3 neu)

Unklar bleibt jeweils, welche Mühen und Kosten die Beschäftigten aufzuwenden haben, um eine Uneinbringlichkeit der Erstattungsforderung zu belegen. Unberücksichtigt bleiben ferner Vollstreckungskosten, welche die oder der Beschäftigte zur Durchsetzung der Erstattungsforderung aufwenden muss. Diese sind regelmäßig nicht vom Vorschuss oder Darlehen erfasst.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(2a) Eine Erstattungsforderung gilt als uneinbringlich, wenn ein Vollstreckungsversuch erfolglos war oder offensichtlich erfolglos sein wird. Notwendige, jedoch uneinbringliche Vollstreckungskosten werden nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 berücksichtigt. Sie sollen zusätzlich als weiterer Zuschuss gewährt werden.

Absatz 3

Der Einleitungssatz könnte insbesondere in Bezug auf Teilentscheidungen bzw. Teilerfolge leichter verständlich gefasst werden. Die Notwendigkeit ergibt sich insbesondere aus der unglückglücklichen Kombination von „wenn“ und b) Nr. 3 „der Rechtsstreit durch rechtskräftigen Vergleich zu Gunsten…“, da ein Vergleich stets ein gegenseitiges Nachgeben enthält.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

Eine Rechtsschutzmaßnahme gilt als erfolgreich abgeschlossen, wenn und soweit …

Nach Abs. 3 a) Nr. 3 ist eine Rechtsschutzmaßnahme auch dann erfolgreich, wenn der Beschäftigte außer Verfolgung gesetzt wurde und ihm nach bisheriger Sachlage nur ein geringes Verschulden trifft. Das bezieht sich wahrscheinlich auch auf § 153a StPO. Im Sinne der Rechtsklarheit empfehlen wird, das ausdrücklich so fassen.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

3. die oder der Beschäftigte außer Verfolgung gesetzt wurde und sie oder ihn nach bisheriger Sachlage nur ein geringes Verschulden trifft, insbesondere in den Fällen des § 153a Strafprozessordnung

 

Absatz 6 (neu)

Die Vorschrift regelt nicht der Fall, dass der oder dem Beschäftigten zu Unrecht – aber bestandskräftig – ein Vorschuss oder Darlehen verwehrt wurde, ohne Verschulden ein Darlehensantrag nicht gestellt wurde, ein Vorschuss oder Darlehen in zu geringer Höhe gewährt wurde oder die Entscheidung der Behörde zu spät erging. Absatz 5 erfasst zwar einen Teil dieser Fälle, jedoch wegen der Bezugnahme auf die „Höhe des gewährten Vorschusses oder des Darlehens“ in den Absätzen 1 und 2 nicht alle Fälle. Die Entscheidung über den Zuschuss ist zudem auch geboten, wenn sich die finanziellen Verhältnisse der Beschäftigten geändert haben.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(6) Der oder dem Beschäftigten kann nach Maßgabe der Absätze 1 bis 5 ausnahmsweise ein Zuschuss auch dann gewährt werden, soweit ein Darlehen oder Vorschuss nicht oder nicht in ausreichender Höhe gewährt wurde.

 

§ 8 Berechnung der Höhe des Rechtsschutzes

Entgegen der Mitteilung im Anschreiben regelt die Vorschrift die Beschränkung der Eigenbeteiligung auf die vorläufige Finanzierung nicht! In Absatz 4 wird regelungstechnisch nur der Kreis der Beschäftigten definiert, nicht Anrechnung der Eigenbeteiligung nur auf die Höhe des Darlehens oder Vorschusses.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

(4) Beschäftigte tragen – außer in den Fällen, in denen sie einen Rechtsbehelf auf Weisung ihres Dienstherrn oder Arbeitgebers einlegen – einen Teil der Kosten ihrer Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung vorläufig selbst (Grundsatz der angemessenen Beteiligung). Der Eigenanteil ist bei der Berechnung der Höhe des Vorschusses oder Darlehens zu berücksichtigen, nicht hingegen bei der Bemessung des Zuschusses.

Wir halten die Höhe der Eigenbeteiligung für zu hoch und regen an, diese angemessen zu reduzieren. Klargestellt werden sollte, dass Familien- oder Kinderzuschläge (einschließlich der Erhöhungszuschläge) sowie etwaige Zulagen nicht in die Berechnung des Eigenanteils einfließen.

 

§ 10 Gewährung von Rechtsschutz

Absatz 1

Das Verb „soll“ begründet lediglich sog. intendiertes Ermessen. Die Treuepflicht des Dienstherrn gebietet insoweit einen Anspruch der Beschäftigten auf einen Vorschuss oder ein Darlehen.

Wir schlagen vor, das Wort „soll“ in „ist“ zu ändern.

Absatz 2

Absatz 2 regelt für bestimmte Berufsgruppen eine Begünstigung „soweit sich bei der zu Grunde liegenden Tat das erhöhte berufstypische Risiko verwirklicht hat“. Es besteht jedoch kein Rechtfertigungsgrund bei einem vorhandenen berufstypischen Risiko nur einen Teil der Beschäftigten zu begünstigen. Die Regelung sollte allgemeiner gefasst werden.

Wir schlagen folgende Regelung vor:

Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vor, so ist stets anzunehmen, dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 4 vorliegen, soweit sich bei der zu Grunde liegenden Tat ein erhöhtes berufstypische Risiko verwirklicht hat. Ein solches ist insbesondere bei Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten, Justizvollzugsbeamtinnen und -beamten, Einsatzkräften der Feuerwehr und Beschäftigten mit ähnlichen Vollzugs- und Hilfeleistungsaufgaben anzunehmen.

 

§ 12 Gewährung von Rechtsschutz im Zivilrechtsstreit

Das Verb „soll“ begründet lediglich sog. intendiertes Ermessen. Die Treuepflicht des Dienstherrn gebietet insoweit einen Anspruch der Beschäftigten auf einen Vorschuss oder ein Darlehen.

Wir schlagen vor, das Wort „soll“ in „ist“ zu ändern.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Schifferdecker                                         Dr. Volker Nowosadtko

Vorsitzender                                                  Vorstandsmitglied