Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat die Ermittlungen zu einer mutmaßlich rechtsextremistischen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln an sich gezogen und aus diesem Anlass zwei Staatsanwälte umgesetzt. Die Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hat zur Begründung der Umsetzung angegeben, es habe Anlass zur Besorgnis einer Befangenheit der Kollegen gegeben. Beweise, dass diese befangen oder nachsichtiger gegenüber Beschuldigten aus dem rechten Spektrum seien, gebe es allerdings nicht.
Der Tagesspiegel, LTO sowie der RBB24 haben über den Fall teils ausführlich berichtet. Die Vereinigung Berliner Staatsanwälte hat das Vorgehen in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. Der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Behrendt, hat das Vorgehen begrüßt, aber auch klargestellt, dass es nicht angezeigt sei, generell die Arbeit der Berliner Staatsanwaltschaft in Misskredit zu bringen. Die Anklagebehörde sei auf dem rechten Auge nicht blind.
Der Deutsche Richterbund – Bund der Richter und Staatsanwälte – Landesverband Berlin nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Dass die der Staatsanwaltschaft Berlin vorgesetzte Behörde in Absprache mit dem zuständigen Senator ein Ermittlungsverfahren an sich zieht und gleichzeitig die Umsetzung des Abteilungsleiters und seines Stellvertreters der bisher damit befassten Fachabteilung anordnet, ist ein seit langer Zeit einmaliger Vorgang. Dieser ist kritisch zu hinterfragen, weil hier politische Einflussnahme auf unabhängige Ermittlungstätigkeit bei der Staatsanwaltschaft möglich zu sein scheint. Dem DRB sind allerdings auch nur die veröffentlichten Informationen darüber bekannt; Einzelheiten und Hintergründe kennen wir nicht. Gleichwohl halten wir es für geboten, bereits jetzt auf Folgendes hinzuweisen:
In dieser Berichtssache war auch die Generalstaatsanwaltschaft von Anfang an über die Ermittlungen zur Anschlagserie in Berlin-Neukölln informiert und hätte Versäumnissen, so sie es gegeben hat, entgegenwirken können und müssen. Wenn nun die Generalstaatsanwältin trotzdem meint, durch eine Übertragung der Ermittlungen auf ihre Behörde, bessere Ergebnisse erzielen zu können, ist dagegen wenig einzuwenden. Wir begrüßen jede Maßnahme, die zur Aufklärung der Taten und strafrechtlichen Verfolgung der Täter der Anschlagserie in Berlin-Neukölln beiträgt. Schließlich ist es richtig und notwendig, bereits dem Anschein, die Staatsanwaltschaft würde einseitig ermitteln, konsequent entgegenzutreten.
Etwas anderes ist die damit im Zusammenhang stehende Umsetzung des Abteilungsleiters und seines Kollegen. Warum diese auf Basis einer Beschuldigtenbehauptung zusätzlich nötig war, verstehen wir nicht. Uns erfüllt mit Sorge, dass die zeitgleiche öffentliche Diskreditierung und Vorverurteilung der identifizierbaren Kollegen auf Basis der wenigen bekannten Verdachtsmomente Hand in Hand mit dem geplanten Umbau der Staatsanwaltschaft einhergeht. Kolleginnen und Kollegen berichten uns im Übrigen von ihrer nachvollziehbaren Furcht, dass auch ihnen Umsetzungen drohen, wenn sie verleumdet werden oder politisch lästige Ermittlungen führen.
Unabhängig von der Rechtfertigung des konkreten Vorgehens gilt daher: Die Generalstaatsanwältin hätte vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussion um rechtsgerichtete Tendenzen in Polizei und Bundewehr mit einer sensibleren öffentlichen Kommunikation Schaden für das Ansehen der Justiz vermeiden müssen. Auch mit Blick auf ihre Fürsorgepflichten muss sie dem Eindruck entgegentreten, für eine kurzfristige öffentliche Aufmerksamkeit einen Generalverdacht gegen die Kolleginnen und Kollegen der Staatsanwaltschaft nicht verhindert zu haben. Denn nur Wenige sind angesichts ihres kombinierten Vorgehens bereit, zwischen der Besorgnis der Befangenheit und dem Beweis einer Parteinahme zu unterscheiden.
Wir werden die weitere Entwicklung sorgfältig und kritisch begleiten. Und wir werden uns weiter konsequent dafür einsetzen, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die Möglichkeit erhält, Straftaten ohne politische Einflussnahme aufzuklären, um objektiv ohne Ansehen der Person ermitteln zu können.
Der Vorstand des DRB Landesverbandes Berlin