Zur Neuregelung des Bereitschaftsdienstes für PsychKG-Fälle beim Amtsgericht Charlottenburg

 

Der bisherige Bereitschaftsdienst für Unterbringungen sowie für die Genehmigung der Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen an dienstfreien Tagen erfreute sich keiner besonderen Beliebtheit. Dennoch begann der in Folge der Enscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 neu eingeführte Bereitschaftsdienst unproblematischer als erwartet.

Schon der bisherige Bereitschaftsdienst für Unterbringungen nach § 15 PsychKG sowie für die Genehmigung der Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 39 PsychKG an dienstfreien Tagen erfreute sich keiner besonderen Beliebtheit bei den Kolleginnen und Kollegen. Obwohl der Umfang der rechtlichen Materie im Vergleich zum entsprechenden Umfang im Rahmen eines strafrechtlichen Bereitschaftsdienstes überschaubar ist, scheinen die unzureichende Erfahrung der ganz überwiegenden Mehrheit der Richter und Richterinnen mit dieser speziellen Materie des Betreuungsrechts sowie nicht unerhebliche Unwägbarkeiten auf tatsächlicher Ebene verantwortlich dafür zu sein, dass sich die richterlichen Kolleginnen und Kollegen um diesen Dienst nicht reißen.

Folglich kam auch alles andere als Begeisterung auf, als das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 24. Juli 2018 jedenfalls für 5- und 7-Punkt-Fixierungen aus verfassungsrechtlichen Gründen einen täglichen richterlichen Bereitschaftsdienst von 6 bis 21 Uhr forderte, wenngleich nicht nur die grundrechtliche Relevanz von Fixierungen, sondern auch die daraus gezogene Schlussfolgerung des Erfordernisses einer richterlichen Entscheidung auf allgemeine Zustimmung stieß. Das Präsidium, unterstützt durch die Verwaltung, nahm sich denn auch der undankbaren Aufgaben zügig an, den neuen Bereitschaftsdienst zu durchdenken, zu konzeptionieren und umzusetzen. Man war sich schnell einig, die notwendigen Änderungen des bisherigen Dienstes schon zu Beginn des Jahres 2019 umzusetzen.

In mehreren Präsidiumssitzungen wurde insbesondere darüber diskutiert, ob der Bereitschaftsdienst sich auch künftig nur auf Fixierungen nach dem PsychKG erstrecken oder auch Fixierungen nach dem BGB umfassen soll, ob der vollständige Bereitschaftsdienst auf alle umgelegt oder zumindest teilweise nur von Betreuungsrichterinnen und -richtern wahrgenommen werden soll sowie welche Unterstützungsleistungen seitens der Verwaltung für erforderlich erachtet werden. Die Verwaltung hat sich insbesondere mit den Fragen beschäftigt, wie eine sinnvolle Technikunterstützung aussehen könnte, inwieweit die Richterinnen und Richter fachlich unterstützt werden können sowie welche Konsequenzen der Bereitschaftsdienst für die Servicekräfte des Sachgebiets der Betreuung hat. Mit der Ärzteschaft der beiden Kliniken haben Verwaltung und Betreuungsrichterinnen und -richter Besprechungen durchgeführt, um ein mit den Kliniken abgestimmtes Procedere zu erreichen. Insbesondere wurde ein Formular entwickelt, mit dem Klinikärztinnen und -ärzte Unterbringungs-, Sicherungs- und Fixierungsanträge zu Dienstzeiten per Fax stellen können.

Das Ergebnis dieses zeitlich aufwendigen Findungsprozesses kann sich – so meine ich – sehen lassen: Der bisherige Bereitschaftsdienst wurde wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert auf täglich 6 bis 21 Uhr zeitlich ausgeweitet und seine Zuständigkeit in enger Auslegung der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung lediglich auf Entscheidungen nach dem PsychKG begrenzt. Er erstreckt sich nunmehr an dienstfreien Tagen und an werktäglichen Vormittagen auf Anträge auf freiheitsentziehende Unterbringungen einschließlich besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 39 PsychKG und auf Genehmigungen von Fixierungen an mindestens fünf Punkten. An werktäglichen Nachmittagen besteht er lediglich für Genehmigungen von Fixierungen an mindestens fünf Punkten entsprechend § 39 PsychKG.

Um einerseits der Belastung durch den Bereitschaftsdienst Rechnung zu tragen und andererseits die besondere Sachkompetenz der Betreuungsrichterinnen und -richter zu nutzen, wurde der Dienst an dienstfreien Tagen sowie an werktäglichen Nachmittagen auf alle richterlichen Kolleginnen und Kollegen umgelegt und wird der Dienst an werktäglichen Vormittagen von den Betreuungsrichterinnen und -richtern wahrgenommen. Hierzu musste das Betreuungsgericht richterlich aufgestockt werden. Die entsprechenden Bereitschaftsdienstpläne, die auch die Vertreterinnen bzw. Vertreter ausweisen, wurden aufgestellt und im Geschäftsverteilungsplan um eine allgemeine Vertretungsregelung ergänzt. Angesichts der nicht unerheblichen richterlichen Fluktuation erwies sich dies als erforderlich. Die Heranziehung erfolgte nach Pensen, wobei Verwaltungspensen und Freistellungen dem jeweiligen richterlichen Pensum zugeschlagen wurden. Auf diese Weise wurden weder Teilzeitkräfte diskriminiert noch Verwaltungsrichterinnen und -richter privilegiert. Im Falle einer geplanten Verhinderung ist der oder die Zuständige verpflichtet, sich um einen Tausch des Dienstes zu bemühen, was bisher fast reibungslos funktioniert. Im Übrigen ist es dem Präsidium gestattet, Richterinnen und Richter, die ihre Dienstbereitschaft wegen Verhinderung nicht wahrgenommen haben, zu Ersatzdiensten heranzuziehen. Damit soll vorgebeugt werden, sich dem „ungeliebten“ Dienst durch Verhinderung zu entziehen.

Zur fachlichen Unterstützung der Richterschaft wurde einerseits bereits vor der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung unter besonderem Einsatz einer Betreuungsrichterin eine digitale Bereitschaftsmappe mit umfassenden Informationen zur Sache und zum Procedere (Hinweise zum Bereitschaftsdienst, Stichwortregister, BVerfG-Entscheidung, Gesetzestexte, Regelung der Fahrtkostenentschädigung) und Formularmustern für die möglichen Entscheidungen (nur zum Drucken und Ausfüllen per Hand oder mit Textfeldern zum Ausfüllen am PC) zur Verfügung gestellt. Auch setzt sich die Verwaltung dafür ein, dass regelmäßig richterliche Fortbildungsveranstaltungen zum Bereitschaftsdienst angeboten werden, zu denen sich die hiesige Richterschaft auch sehr zahlreich anmeldet. In personeller Hinsicht hat die Verwaltung richterlichen und nichtrichterlichen Personalmehrbedarf angemeldet und bemüht sich nach besten Kräften darum, dass dieser auch im Amtsgericht ankommt. Was die technische Unterstützung angeht hat die Verwaltung jedenfalls vorläufig einfache mobile Telefone angeschafft, und zwar für alle Betreuungsrichterinnen und -richter sowie darüber hinaus für jeden Wochentag ein Gerät. Den beiden Bereitschaftskliniken wurden zentrale Rufnummern (Telefon, Fax) für den werktäglichen Vormittagsdienst des Betreuungsgerichts und die Telefonnummern für die dienstfreien Tage und die Nachmittagsdienste mitgeteilt.

Die Zuständigkeiten des Bereitschaftsdienstes, die Aufteilung zwischen der gesamten Richterschaft und den Betreuungsrichterinnen und -richtern sowie die Technikunterstützung sehen Präsidium und Verwaltung als lediglich vorläufig an. Die im Bundesgebiet angelaufene rechtliche Diskussion um fachliche Fragen wie die Zuständigkeit für die Entscheidung über Fixierungen sowie den Umfang des Bereitschaftsdienstes wird laufend beobachtet. Ebenso wird die Geschäftsbelastung durch den Bereitschaftsdienst, die sich jedenfalls derzeit in der Anlaufphase des Bereitschaftsdienstes noch in Grenzen hält, auch dahingehend permanent beobachtet, ob sich die Aufteilung des Dienstes zwischen der gesamten Richterschaft und dem Betreuungsgericht halten lässt. Ferner wurde zunächst auf umfassende Technik (z.B. Smartphone, Notebooks) verzichtet, da erst Erfahrungen mit den Kliniken gesammelt werden sollen und die zu erwartende Pool-Lösung – das Amtsgericht Charlottenburg soll mit den Amtsgerichten Wedding und Spandau einen Pool bilden – ohnehin eine Neuregelung erforderlich werden lässt.

Der Start des neuen Bereitschaftsdienstes begann unproblematischer als erwartet. Die richterliche Kollegenschaft stellt sich mit Bravour dem neuen Dienst und hat sich auch schnell an die mobilen Dienstgeräte gewöhnt. Durch den Dienst am stärksten belastet erscheinen die Betreuungsrichterinnen und -richter; welche Konsequenzen daraus zu ziehen sein werden, darüber wird das Präsidium zu gegebener Zeit zu befinden haben. Der den Oberbehörden gegenüber geltend gemachte Personalmehrbedarf erscheint jedenfalls gerechtfertigt. Das fachliche und organisatorische Unterstützungsangebot wurde dankbar angenommen; an Verbesserungen insbesondere der digitalen Bereitschaftsmappe wird stetig gearbeitet. Die Kliniken tun sich derzeit noch schwer damit, die mitgeteilten Kommunikationswege zu nutzen. Ersten Rückmeldungen zufolge ist die Vielzahl der mitgeteilten Telefonnummern mit unterschiedlichen Einsatzzeiten nicht hilfreich. Insoweit wird eine deutliche Vereinfachung angestrebt. Ob und inwieweit die geplante Realisierung der sog. Pool-Lösung zu einer grundlegenden Neugestaltung des Bereitschaftsdienstes am Amtsgericht Charlottenburg zwingt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls dürfte die Einführung der sog. Pool-Lösung der beste Zeitpunkt für eine Nachjustierung des neuen Bereitschaftsdienstes darstellen.

 

PräsAG Prof. Dr. Dr. Peter Scholz