Wir haben uns gegen die Turboüberleitung ausgesprochen.
Wir haben uns gegen die Turboüberleitung ausgesprochen.
Sehr geehrter Herr Senator Evers,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme, von der wir gern Gebrauch machen.
1. Keine Einwände gegen Anhebung des Pensionseintrittsalters
Gegen die beabsichtigte Anhebung der Pensionsgrenze erheben wir keine Einwände. Die Anhebung ergibt sich folgerichtig aus dem demografischen Wandel und dem Gebot der Gleichbehandlung mit den angestellten Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst Berlins und den Dienstkräften der anderen Gebietskörperschaften.
2. Scharfer Protest gegen geplante „Turboüberleitung“
Mit besonderem Nachdruck wenden wir uns jedoch gegen die beabsichtigte Überleitung. Wir haben ernstliche Zweifel, ob die derzeit geplanten Überleitungsregelungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würden.
Eine Übergangszeit bei renten- und pensionsrechtlichen Regelungen muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so bemessen sein, dass die Berechtigten in der Lage sind, ihre Lebensführung darauf einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00 –, BVerfGE 116, 96-135). Während die Überleitung der gesetzlichen Rentenversicherung 17 Stufen hat (§ 236 Abs. 2 SGB VI) und z.B. die Brandenburger Überleitungsregelung im Landesbeamtengesetz 15 Stufen vorsieht (§ 45 Abs. 2 Beamtengesetz Brandenburg), beabsichtigt der vorgelegte Entwurf eine Überleitung auf die neue Regelaltersgrenze in nur 7 Stufen von drei Monaten je Lebensjahr.
Die übergroßen Überleitungsstufen dürften in der geplanten Fassung gegen den Vertrauensschutz der pensionsnahen Jahrgänge verstoßen. Auf ein solches Überleitungstempo konnten sich die dienstälteren Kolleginnen und Kollegen nicht einstellen und daher ihre Lebensplanung nicht darauf ausrichten, da es in der Bundesrepublik keinen Vorläufer einer solchen „Turboüberleitung“ gibt.
Aber unabhängig von den verfassungsrechtlichen Zweifeln lehnen wir die Überleistungsphase in der geplanten Form auch deshalb ab, da sie massiv der Akzeptanz der Regelung und der Motivation der davon betroffenen Kolleginnen und Kollegen schadet. Erneut entsteht der Eindruck, dass das Land Berlin seine beamtenrechtliche Gesetzgebung allein an fiskalischen Interessen ausrichtet und den Öffentlichen Dienst des Landes erneut gegenüber anderen Bundesländern oder anderen Regelungsbereichen benachteiligt. Das Land versucht, seine bisherige Zögerlichkeit mit einer übermäßigen Belastung der dienstälteren Kolleginnen und Kollegen zu kompensieren.
Der Motivationserhalt der erfahrenen Kolleginnen und Kollegen ist aus unserer Sicht für die Berliner Justiz jedoch von besonderer Bedeutung. Das Land Berlin muss sich mit Blick auf die Personalnot der kommenden Jahre nach Kräften bemühen, motivierte Kolleginnen und Kollegen länger im Dienst zu halten. Dazu gehört eine moderate und akzeptanzfähige Überleitung bei der Anhebung des Pensionsalters.
Wir fordern eine Überleitung mit einer Anhebung um nur zwei Monate je Lebensjahr. Hilfsweise schlagen wir eine Anhebung vor, die dem abschmelzenden Vertrauen in den Bestand der bisherigen Regelung durch ansteigende Verlängerungsschritte Rechnung trägt. Mit diesem Vorschlag wird die Überleitungsphase im Ergebnis lediglich um zwei Jahre verlängert, was mit einem nur geringfügig früherem Ausscheiden der Kolleginnen und Kollegen aus dem Dienst, jedoch mit einem weitaus größeren Akzeptanzniveau verbunden wäre:
3. Freiwilliges Hinausschieben des Pensionseintritts ermöglichen
In Zusammenhang mit der Anhebung der Pensionsgrenze fordern wir auch für Richterinnen und Richter die Möglichkeit, freiwillig länger im Dienst verbleiben zu können.
Hintergrund ist zum einen die besondere Personalnot in der Justiz in den kommenden Jahren. Denn Berlin gelingt es – auch aufgrund einer gegenüber der Wirtschaft unattraktiven Besoldungshöhe – immer weniger, geeigneten Nachwuchs zu finden. Hintergrund ist zum anderen die deutliche Bereitschaft leistungsfähiger Kolleginnen und Kollegen, länger arbeiten zu wollen. Bislang haben viele besonders leistungsstarke Kolleginnen und Kollegen nach dem Ausscheiden aus dem Dienst in der Anwaltschaft weiter gearbeitet. Diesen Verlust an Know-How kann sich die Berliner Justiz nicht leisten! Das Land sollte daher auch für die Richterinnen und Richter die Möglichkeit eröffnen, freiwillig über das Erreichen der Pensionsgrenze arbeiten zu können. Dies gilt maßgeblich für die von der Überleitungsregelung Betroffenen bis zur Regelaltersgrenze (dazu a.) und im Übrigen auch für alle weiter leistungsbereiten Kolleginnen und Kollegen über die Regelaltersgrenze von 67 Jahren hinaus (dazu b.).
a. für Kollegen in der Überleitungsphase bis zum 67. Lebensjahr
Zunächst sollte den Kolleginnen und Kollegen, die unter die Überleitungsregelungen nach § 104 RiG fallen, die Möglichkeit eröffnet werden, freiwillig die Dienstzeit bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres (neue Regelaltersgrenze) zu verlängern. Um die Motivation für eine Verlängerung zu erhöhen, sollten sich die Kolleginnen und Kollegen dabei nicht starr zwischen der Ruhestandsgrenze nach der Überleitungsregelung oder der Vollendung des 67. Lebensjahres entscheiden müssen, sondern – nach dem Rechtsgedanken des § 38 Abs. 3 LBG – eine sukzessive Verlängerung der Dienstzeit freiwillig wählen können. Um den Gerichten jedoch Planungssicherheit zu bieten, sollte eine Verlängerung rechtzeitig zuvor beantragt werden müssen.
Es bestehen keine Bedenken, dass dienstliche Gründe einer freiwilligen Verlängerung der Dienstzeit bis zur neuen Regelaltersgrenze entgegenstehen könnten. Denn von der vorgeschlagenen Verlängerungsoption könnten nur Richterinnen und Richter Gebrauch machen, die von der Übergangsregelung des Entwurfs zu § 104 Richtergesetz betroffen und bereit sind, wie alle anderen nach ihnen – jedoch freiwillig – bis zum Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze zu arbeiten.
Wir schlagen vor:
§ 104 Abs. 1 Richtergesetz Berlin (neu) werden folgende Sätze 3 und 4 angefügt:
3Auf Antrag der Richterinnen und Richter, deren Altersgrenze sich nach den Sätzen 1 und 2 bestimmt, verschiebt sich ihr Eintritt in den Ruhestand um einen oder mehrere Monate, längstens zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 3 Absatz 1. 4Der Antrag muss die Anzahl der Verlängerungsmonate nennen, ist erstmals spätestes sechs Monat vor Erreichen der Altersgrenze nach Satz 1 oder 2 zu stellen und kann mit einer Frist von mindestens sechs Monaten vor dem hinausgeschobenen Eintritt in den Ruhestand wiederholt gestellt werden.
b. für alle Kollegen bis zum 68. Lebensjahr
Darüber hinaus sollte mit Blick auf die Nachwuchssorgen in der Berliner Justiz sowie unter Berücksichtigung des staatsvertraglich vereinbarten Gleichlaufs des Brandenburger und des Berliner Richtergesetzes den Richterinnen und Richtern zudem die Möglichkeit eröffnet werden, freiwillig über die gesetzliche Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten. Denn § 3 Abs. 2 des Brandenburger Richtergesetzes ermöglicht bereits eine Verschiebung des Ruhestandseintrittsalters im dienstlichen Interesse nach einer Entscheidung des Justizministers bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres. Die Brandenburger Regelung begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, da ein Entscheidungsvorbehalt der Exekutive einen Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Justiz darstellen dürfte. Einer genehmigungsfreien Verlängerung der Lebensarbeitszeit können wiederum planerische und dienstliche Interessen entgegenstehen. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, könnte – nach Maßgabe eines von uns aufgegriffenen Vorschlags des Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrates – unproblematisch ein Zustimmungsvorbehalt des jeweiligen Präsidialrats aufgenommen werden. Mit Blick auf die entsprechende Brandenburger Regelung und die Bedeutung von Beförderungsmöglichkeiten auch in der Berliner Justiz favorisieren wir eine Beschränkung der Verlängerungsmöglichkeit auf ein Jahr.
Wir schlagen daher folgende Regelung vor:
§ 3 Abs.2 Richtergesetz Berlin wird wie folgt neu gefasst:
1Abweichend von Absatz 1 ist auf Antrag einer Richterin oder eines Richters auf Lebenszeit der Eintritt in den Ruhestand um einen oder mehrere Monate, höchstens jedoch bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres, hinauszuschieben, wenn der Antrag spätestens sechs Monate vor dem Erreichen der Altersgrenze nach Absatz 1 gestellt wird und der jeweils zuständige Präsidialrat dem Hinausschieben mit einfacher Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder zugestimmt hat.“
Die Regelung zur Zuständigkeit des Präsidialrates in § 60 Abs.1 Nr. 6 RiG Bln sollte zugleich nach dem Wort „Ruhestand“ ergänzt werden um die Worte: „und bei einem Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand“.
4. Besoldungszuschlag ab 63. Lebensjahr
Wir fordern schließlich einen Besoldungszuschlag für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die nicht von der Möglichkeit des frühzeitigen Ruhestandes Gebrauch machen. Hintergrund ist erneut der zu erwartende Personalmangel in der Berliner Justiz. Dies erfordert besondere Anstrengungen, um trotz der teils desolaten Arbeitsbedingungen erfahrene Kolleginnen und Kollegen im Dienst zu halten. Zur Stabilisierung der Personalsituation sollte daher ein nicht ruhegehaltsfähiger Zuschlag gewährt werden ab dem Zeitpunkt, ab welchen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen erstmals die Möglichkeit zum Eintritt in den Ruhestand besteht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Patrick Bömeke Dr. Stefan Schifferdecker