Richter- und Anwaltschaft im Dialog

Um sich und der Anwaltschaft das Leben leichter zu machen, könnten mehr Richterinnen und Richter sich dem Dienstleistungsgedanken annähern.

 

Richter- und Anwaltschaft im Dialog...

… heißt ein Fortbildungsformat im Rahmen des Berliner Anwaltsvereins, bei dem Richterinnen und Richter des Kammergerichts ihre Rechtsprechung darstellen. Als Anwalt finde ich dieses Format erst einmal schlicht hilfreich, weil man und frau zum einen die Rechtsprechung aus dem hiesigen Sprengel aus erster Hand erhält. Viel wichtiger ist mir dabei aber, dass dieses Format die Möglichkeit gibt, „Rechtsgespräche“ außerhalb eines konkreten Falles zu führen und im Rahmen der Diskussion noch den einen oder anderen Gedanken zu erfahren, der hinter einer bestimmten Entscheidung steht.

In diesem Beitrag geht es mir aber um etwas anderes, nämlich um die alltägliche Kommunikation zwischen Anwaltschaft und Gerichten. Ich will mir nicht anmaßen, die personelle bzw. technische Ausstattung der Gerichte zu beurteilen, noch viel weniger die Arbeitsbelastung von Geschäftsstellen und Spruchkörpern – wie man so hört, scheint es einigen Raum für Verbesserungen zu geben, um es mal so auszudrücken.
Aber jedenfalls von außen betrachtet erscheint die Arbeitsweise der Gerichte – Ausnahmen bestätigen die Regel – für meinen Geschmack unabhängig von den tatsächlichen Restriktionen oftmals zu sehr von der Innensicht der „Rechtsprechung“ getragen.

Ich möchte das an 3 Punkten festmachen:

Mein Lieblingsbeispiel ist der Terminverlegungsantrag, kürzlich (allerdings beim Landgericht Magdeburg) passiert: Das Gericht terminiert, eine Seite stellt einen schriftlichen Verlegungsantrag, das Gericht terminiert neu, da kann aber die andere Seite nicht und es gehen fünf Schreiben hin und her. Gerne wüsste ich, warum nur so wenige Richterinnen und Richter in diesen Fällen zum Telefonhörer greifen und den Termin telefonisch abstimmen. Das ist wirklich eine „echte“ Frage, weil mir der „kurze Draht“ einfach effektiver erschiene und mir kein Grund einfällt, darauf nicht zurückzugreifen. Umgekehrt habe ich tatsächlich Hemmungen, bei Gericht anzurufen und mit der Richterin oder dem Richter zu sprechen, weil ich zu oft das Gefühl habe, „lästig“ zu sein.

Mein zweiter Punkt ist der Eindruck, dass Termine oft standardmäßig auf den nächsten freien Termin gelegt werden, ohne dass der tatsächliche Hintergrund des Streitfalles ausreichend Berücksichtigung findet. Ein aktuelles Beispiel: In einer Wohnungseigentumsanlage ist eine Mieterin psychisch auffällig und stört den Hausfrieden immer wieder auf verschiedenste – leider auch sehr „kreative“ – Weise massiv. Die vermietenden Eigentümer haben aufgrund ihrer „Sandwichposition“ jetzt natürlich das Problem, dass die anderen Eigentümer von ihnen verlangen, das abzustellen und auch mit Schadensersatzansprüchen drohen. Die Eigentümer sammeln entsprechende Aussagen und Stellungnahmen der anderen Bewohner, nach Abmahnung folgt die Kündigung. In der Räumungsklage versucht die Anwältin, die „Not“ der anderen Bewohner deutlich zu machen. (Immerhin) früher erster Termin, dieser aber erst nach 4 Monaten. Die Anwältin überlegt, bei Gericht anzurufen, stellt dann aber doch einen schriftlichen Antrag, weil es ganz aktuell einen neuen Vorfall gab. Antwort des Gerichts: Terminsverlegung ist nicht möglich, weil pandemiebedingt Termine verlegt worden seien und alle Verhandlungstage ausgefüllt seien. Das mag so sein, frustriert aber, weil so gar nicht durchklingt, dass das Gericht sich Mühe gegeben hat, eine Lösung zu finden.

Der dritte Punkt betrifft eines meiner „Hobbys“: Effektives Arbeiten durch Digitalisierung (ja zugegeben, hier muss ich auch bei uns in der Kanzlei etwas dickere Bretter bohren). Computer, heißt es, sind dazu da, Probleme zu lösen, die man ohne sie nicht hätte. Aber mittlerweile ist die Technik durchaus weiter – jedenfalls die Technik an sich, wenn auch noch nicht an vielen Berliner Gerichten. Daher war ich neulich sehr positiv überrascht, als ich im Saal einen Riesen-Bildschirm sah und der Richter mir bestätigte, das tatsächlich schon genutzt zu haben. Das Negativbeispiel war aber eine Antwort einer Abteilung eines anderen Amtsgerichtes auf meine Anregung, einen Termin nach § 128a ZPO durchzuführen: „Diese Abteilung führt diese Verfahren nicht durch“. Nachvollziehbar ist ja, dass zum Beispiel Beweiserhebungen, wann immer möglich, in Präsenz erfolgen sollten, das sehe ich – wie wohl die meisten Richterinnen und Richter – genauso. Aber das Ansinnen kategorisch ohne Begründung abzubügeln, zumal die Sache hierfür prädestiniert gewesen wäre?

Also, der Dialog: Mein Anliegen wäre es, dass sich noch mehr Richterinnen und Richter – bei aller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit – etwas mehr dem Dienstleistungsgedanken annähern könnten, um sich und der Anwaltschaft das Leben leichter zu machen.

Ich bin sicher, dass es auch umgekehrt aus Richterinnen- und Richtersicht einiges an Arbeitsweisen von Anwältinnen und Anwälten zu bemängeln gibt. Ich rate mal: Seitenlange Schriftsätze einzeilig in Minischrift, ohne Struktur aber mit merkwürdigen Anträgen oder dauernde Fristverlängerungsanträge in letzter Minute ohne gescheite Begründung. Daher freue ich mich auf eine Erwiderung!

 

RA Johannes Hofele

Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin und Mitglied des Redaktionsbeirates im Berliner Anwaltsblatt, der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.