Offener Brief zum Trojaner-Angriff auf das Kammergericht

 

Der Virusbefall des IT-Systems des KG zeigt die gravierenden Defizite der IT in der ordentlichen Justiz.

Das IT-System des Kammergerichts Berlin wurde Ende September von einem aggressiven Virus befallen. Nachfolgend wurden die Verbindungen zum IT-Landesnetz gekappt, die digitale Kommunikation kam zum Erliegen, die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen ist erheblich beeinträchtigt. Auch Wochen nach dem Angriff ist nicht absehbar, wie und wann am Kammergericht wieder vernetzt gearbeitet werden kann. Die Presse berichtete teils reißerisch über die Probleme, beleuchtete jedoch anschaulich die IT- und datenschutzrechtlichen Herausforderungen einer digitalen Justiz. Auch wenn beste IT-Systeme solche Virusattacken nicht verhindern können, zeigen der Vorfall und die Reaktionen der Justizverwaltung die gravierenden Defizite der IT in der ordentlichen Justiz.

Nach langem Zögern hat das Kammergericht am 17. und 21. Oktober 2019 in zwei Pressemitteilungen Stellung genommen. Der Präsident des Kammergerichts hat über den aktuellen Stand der Maßnahmen informiert, ferner hat sich Dr. Pickel zur aktuellen Entwicklung persönlich geäußert (PM 51/2019 und 52/2019, abrufbar unter berlin.de/gerichte/presse). Man bemüht sich. Der Vorfall zeigt aber: Es muss endlich voran gehen. Hierzu haben wir einen offenen Brief an den Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung verfasst.

 

Sehr geehrter Herr Senator,

der „Emotet“-Angriff auf die Computersysteme des Kammergerichts und die Hilflosigkeit im Umgang mit seinen Folgen erfüllen alle Mitarbeitenden der Berliner Justiz mit großer Sorge. Er wirft einmal mehr ein grelles Schlaglicht auf die miserable Ausstattung der Berliner Justiz.

Der Senat sollte die aktuellen Probleme zum Anlass nehmen, sich endlich von der Vorstellung zu lösen, die Berliner Justiz könne ohne nachhaltige und erhebliche Investitionen in deren Infrastruktur auf Dauer funktionsfähig betrieben werden. Der Landesverband Berlin des Deutschen Richterbundes fordert Sie deshalb auf, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die gesamte Berliner Justiz nunmehr schnellstmöglich mit leistungsfähigen, sicheren und die Produktivität der Bediensteten steigernden IT-Lösungen ausgestattet wird. 

Die IT-Ausstattung der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Berlin entspricht (genauso wie ihre Raumausstattung) derzeit nicht ansatzweise einem angemessenen und zeitgemäßen Standard, so dass die Richterinnen und Richter letztlich auf den Einsatz privater IT angewiesen sind. Dass es anders gehen kann, zeigen die Erfahrungen am Sozialgericht Berlin. Dort sind alle Richterinnen und Richter mit Dienst-Laptops und Docking-Stationen zum Anschluss der Peripherie-Geräte (Monitore, Drucker, Tastaturen etc.) ausgestattet.

Viele der Kolleginnen und Kollegen können bereits über VPN-Tunnel vom heimischen Arbeitsplatz sicher kommunizieren. Eine solche Ausstattung muss für die Berliner Justiz Standard werden. Hier auf die flächendeckende Einführung der e-Akte zu warten, verkennt den Ernst der Lage.

Gleichzeitig scheint es unabweislich, neben gut aus- und fortzubildenden eigenen Kräften in erheblich stärkerem Maße auf externen IT-Sachverstand zu setzen und sich stärker an Industriestandards zu orientieren. Das „Klein-Klein“ im IT-Bereich, das – wie die gesamte Justizpolitik des Landes – zu oft durch Kostengesichtspunkte getrieben ist, darf sich nicht fortsetzen. 

Der DRB Berlin begrüßt daher ausdrücklich die Ankündigung des Präsidenten des Kammergerichts, so schnell wie möglich ein Gesamtkonzept vorstellen zu wollen, das mit allen betroffenen Stellen und Gremien erarbeitet und abgestimmt werden soll. Hierfür bieten wir ausdrücklich unsere Unterstützung an. Wir fordern Sie auf, sich nun mit der Justizverwaltung bestmöglich dafür einzusetzen, zügig zeitgemäße Regelungen und Ausstattungen zu schaffen, damit die Kolleginnen und Kollegen mit sicherer elektronischer Technik arbeiten können.

 

Katrin-Elena Schönberg

Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Landesverband Berlin