Justizthemen im Abgordnetenhaus Dezember 2019

In den vergangenen Monaten hat der Berliner Senat wieder etliche schriftliche Anfragen von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses beantwortet. Dr. Udo Weiß hat Antworten mit Bezug zur Justiz zusammengetragen.

Digitalisierung bei den Berliner Gerichten

Dem Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) ist auf seine schriftliche Anfrage zur „Digitalisierung bei den Berliner Gerichten“ über den Stand der Ertüchtigung der Gerichtssäle für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte geantwortet worden (Drucksache 18/21235).

Etwa im Jahr 2023 sollen die Arbeiten an den Sitzungssälen abgeschlossen sein. Bisher sind gut 300.000 Euro dafür aufgewandt worden, Säle „bauseitig und hardwareseitig“ zu ertüchtigen. An den meisten Gerichten sind bereits ein oder zwei Säle fertiggestellt, am Sozialgericht sogar schon drei. Bei manchen Amtsgerichten haben die Arbeiten nicht einmal begonnen. An den Landgerichts-Standorten Tegeler Weg und Littenstraße laufen die Arbeiten an allen verbleibenden Sälen, ebenso bei mehreren Amtsgerichten. Der Drucksache ist im Einzelnen zu entnehmen, wann die Arbeiten an wie vielen Sälen welcher Gerichte angegangen werden. Insgesamt sind mehr als 11 Mio. Euro dafür vorgesehen.

Zur Ertüchtigung gehört auch die Einrichtung von WLAN-Zugängen über das Vorhaben „Free WiFi Berlin“, bei dem die Senatskanzlei federführend ist. An den meisten Gerichtsstandorten ist bereits ein WLAN-Zugang verfügbar, Ausnahmen sind die Gebäude des Amtsgerichts Tiergarten und des Verwaltungsgerichts in der Kirchstraße, das Gebäude des Amtsgerichts Köpenick und Nebengebäude der Amtsgerichte Charlottenburg, Schöneberg und Wedding.


Geschlechterverhältnisse in der Justiz

Auf die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) unter der Überschrift „Sogenannter Gender Pay Gap in der Berliner Verwaltung – empirische Grundlagen“ hat der Senat auf der Drucksache 18/21307 ein umfangreiches Zahlenwerk zum Verhältnis der Geschlechter unter den Beamten, Richtern und Angestellten des Landes Berlin im Juni 2019 vorgelegt, und zwar aufgeschlüsselt nach Behörden/Gerichten sowie   – hier liegt die Besonderheit – den Besoldungs-/ Entgeltgruppen.

Dass Frauen bei den Beamten im mittleren und gehobenen Justizdienst sowie den entsprechend vergüteten Angestellten die Mehrheit stellen, ist nicht neu. Und auch der Umstand, dass Frauen unter den Richtern und Staatsanwälten – wie seit Jahrzehnten – keine Ausnahmen sind, überrascht nicht. Für die Justiz ist die Aussagekraft der Zahlen leider dadurch eingeschränkt, dass die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 zusammengefasst sind, also die Geschlechterverhältnisse im ersten Beförderungsamt weitgehend im Dunkeln bleiben. Auch die bei der Staatsanwaltschaft tätigen Gruppenleiter (R 1 mit Zulage) werden nicht gesondert erwähnt.

Hervorzuheben ist Folgendes: Die R 3-Stellen am Kammergericht und am Oberverwaltungsgericht sind nach wie vor überwiegend männlich besetzt. Demgegenüber sind beim Kammergericht mehr mit R 1 oder R 2 besoldete Richterinnen (63) als Richter (55) beschäftigt. Beim Landgericht halten sich in den Besoldungsgruppen R 1/R 2 Männer und Frauen die Waage (197 bzw. 196). Demgegenüber sind die Geschlechterverhältnisse bei der Staatsanwaltschaft klar: 214 (Ober-) Staatsanwältinnen stehen nur 151 (Ober-) Staatsanwälte gegenüber. Bei den Amtsgerichten kommen auf insgesamt 371 Richterinnen lediglich 227 Richter.

Neben der Verteilung von Männern und Frauen auf die Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern mit Blick auf Teilzeitbeschäftigung (S. 3 der Drucksache) und krankheitsbedingte Fehltage (S. 21 der Drucksache) dargestellt. Männer sind in der Justiz sowohl insgesamt als auch verhältnismäßig seltener teilzeitbeschäftigt und haben durchschnittlich weniger Krankheitstage. Die Altersverhältnisse (S. 29 der Drucksache) sind uneinheitlich: In manchen Behörden/Gerichten liegt der Altersdurchschnitt bei den Männern höher, in anderen bei den Frauen; insoweit wäre eine Aufschlüsselung nach Besoldungsgruppen erhellend gewesen.


Mediation in Berlin

Ebenfalls auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) geht die  Aufstellung zu Anzahl und Ausgang der an den Berliner Gerichten durchgeführten Mediationsverfahren zurück (Drucksache 18/21397). Die Zahlen beziehen sich auf die Jahre 2017 und 2018; über frühere Jahre war bereits Auskunft erteilt worden (Drucksache 18/12262).

Die mit Abstand meisten Mediationsverfahren im Zivilprozess sind beim Landgericht durchgeführt worden (2017: 499; 2018: 550), während sie beim Kammergericht (50 bzw. 39) und den Amtsgerichten (zusammen 84 bzw. 107) seltener gewesen sind. Auffällig ist die vergleichsweise hohe Anzahl von Mediationen bei den Amtsgerichten Köpenick (14 bzw. 22) und Wedding (30 bzw. 23), während die Amtsgerichte Lichtenberg, Neukölln, Spandau und Pankow/Weißensee wenig mediationsgeneigt wirken. In Familiensachen scheint die Mediation – gemessen an der der Anzahl der Verfahren – weiter verbreitet zu sein, und zwar sowohl beim Kammergericht (20 bzw. 17) als auch bei den Amtsgerichten (insgesamt 78 bzw. 95). Ein Grund für die Unterschiede könnte darin liegen, dass die Mediation beim Pensum oder der Turnusverteilung nicht einheitlich berücksichtigt wird, was die Drucksache nur anreißt.

Beim Landgericht hat mehr als die Hälfte der Mediationen zur vollständigen Beilegung des Rechtsstreits geführt (289 von 499 bzw. 298 von 550), beim Kammergericht (35 von 70 bzw. 27 von 56) und bei den Amtsgerichten (79 von 162 bzw. 106 von 202) ist die Erfolgsquote etwas geringer.

Zusätzlich findet sich als Anhang zu der Drucksache eine Aufstellung der Erledigungszahlen der Berliner Amtsgerichte und des Kammergerichts (Zivil- und Familiensachen) sowie der Fachgerichte für die Jahre 2012 bis 2018 und für das erste Halbjahr 2019 unter Angabe der Erledigungsgründe.


Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität

Noch einmal Marcel Luthe (FDP). Er hat dem Senat einige Fragen zur Ausstattung der für die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten zuständigen Hauptabteilung 4 der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Die Antworten auf der Drucksache 18/21400 sind ernüchternd:

Die Anzahl der zur Unterstützung der Staatsanwälte eingesetzten Wirtschaftsreferenten hat seit dem Jahr 2010 bis zum Jahr 2018 stetig abgenommen. Von den vormals 14,56 Arbeitskraftanteilen (AKA) sind im letzten Jahr noch 8,3 übrig gewesen. Auf die jüngste Stellenausschreibung aus dem April 2019 haben sich sechzehn Bewerber gemeldet, von denen nur vier die Einstellungsvoraussetzungen erfüllt haben. Offenbar ist auch diese Ausschreibung wieder einmal ein Schlag ins Wasser gewesen. Bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage findet man eben kaum Wirtschaftswissenschaftler mit Diplom oder Master und mehrjähriger Berufserfahrung im betrieblichen Rechnungswesen oder auf dem Gebiet der Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung – so die Einstellungsvoraussetzungen –, die sich mit einer Bezahlung nach der Entgeltgruppe 14 des TV-L zufrieden geben. Andere Behörden stufen Wirtschaftsreferenten in die Entgeltgruppe 15 ein oder locken mit der Möglichkeit der Verbeamtung. Auch bessere Arbeitsbedingungen können manchmal Wunder bewirken.

Immerhin ist die Anzahl der Staatsanwälte der Hauptabteilung 4 im Wesentlichen gleich geblieben. Es waren in den Jahren 2010 und 2018 jeweils rund 42 Ist-AKA, zwischenzeitlich mal 44 oder 37. Damit in Einklang steht die Anzahl der neu eingegangenen Verfahren, die mit jährlich gut 10.000 nahezu unverändert ist. Es dürfte allerdings auch der Senatsverwaltung bekannt sein, dass die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten im gleichen Zeitraum nicht einfacher, sondern wegen des technischen Fortschritts auf Täterseite, zunehmender Auslandsbezüge und ständiger Rechtsänderungen sogar aufwändiger geworden ist. Die längst überfällige Stärkung der Wirtschaftsstrafverfolgung lässt auf sich warten. Zu der in der Koalitionsvereinbarung 2016 festgehaltenen Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität „entschlossen, intensiv und nachhaltig“ trägt der Senat so nicht bei.

 

Dr. Udo Weiß