Justizthemen im Abgeordnetenhaus Oktober 2020

Ruhestand | AG für Marzahn-Hellersdorf | Geschlechterabhängige Noten? | Beihilfeanträge | Hauptstadtzulage | Wechsel zu den Gerichten | Beförderungen

 

Kein später Ruhestand für Richter

Am 3. Juni 2020 hat der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung getagt. Beraten wurde unter anderem der von der Fraktion der FDP schon im Jahr 2018 in das Abgeordnetenhaus eingebrachte Antrag, ein „Gesetz zur Anpassung der Hinausschiebung des Eintritts von Richtern in den Ruhestand wegen des Erreichens der Altersgrenze auf Antrag und der Gewährung eines Zuschlages“ zu beschließen (Drucksache 18/1317). Der Gesetzentwurf sah eine Änderung des Berliner Richtergesetzes dahingehend vor, dass auf Antrag eines Richters dessen Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze bis zur Vollendung des 68. Lebensjahrs hinauszuschieben sei – auch ohne Zustimmung des Dienstherrn und unter Gewährung eines Zuschlags auf das Grundgehalt in Höhe von 20 %. Für Beamte ist Entsprechendes bekanntlich bereits gesetzlich vorgesehen, allerdings steht die Bewilligung des Hinausschiebens des Ruhestandseintritts im Ermessen des Dienstherrn. Der Antrag wurde vom Ausschuss erwartungsgemäß abgelehnt. Der anwesende Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es bei Richtern keine Nachwuchssorgen gebe und dass Richter nach Vollendung des 65. Lebensjahrs nicht mit einem Zuschlag gelockt werden müssten, weil etwaigen Begehren um Weiterbeschäftigung anders Rechnung getragen werden könne. Der Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg (DIE LINKE) sprang dem Senator bei und bemerkte, dass es gegenwärtig keinen Handlungsdruck gebe.

 

Amtsgericht für Marzahn-Hellersdorf

Die Planungen betreffend ein neu zu errichtendes Amtsgericht Marzahn-Hellersdorf schreiten voran. Aufgrund einer Anfrage des Abgeordneten Kristian Ronneburg (DIE LINKE) hat die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf der Drucksache 18/24000 mitgeteilt, dass als Standort eine landeseigene unbebaute Grundstücksfläche (derzeit Parkplatz und Grünfläche) in der Etkar-André-Straße 6, neben dem ehemaligen „Haus der Gesundheit“, als Bestandteil des Nahversorgungszentrums Grottkauer Straße bevorzugt werde.

 

Geschlechterabhängige Noten?

Mit Schreiben vom 11. Juni 2020 hatte die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung ausschließlich Richterinnen und Staatsanwältinnen für eine Tätigkeit als Prüfer beim Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt gewinnen wollen. Dies ist der Anlass für eine Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) gewesen, die auf der Drucksache 18/23823 beantwortet worden ist. Dort heißt es erklärend: „Eine im Auftrag des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebene unabhängige empirische Untersuchung (Prof. Dr. Andreas Glöckner/ Prof. Dr. Emanuel Towfigh/ Prof. Dr. Christian Traxler: Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen Pflichtfachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen, 7. Dezember 2017) hat zu den unter anderem untersuchten Geschlechtsunterschieden in der Benotung der juristischen Staatsprüfungen ergeben, dass Frauen in den mündlichen Prüfungen bei gleichen Vornoten im schriftlichen Teil eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, die nächste Notenschwelle zu erreichen, als Männer, wenn die Kommission nur mit (männlichen) Prüfern besetzt ist (in nur mit Prüfern besetzten Kommissionen eine 2,3 % niedrigere Wahrscheinlichkeit für Frauen und sogar 6,1 % niedrigere Wahrscheinlichkeit an den Notenschwellen 9,0 und 11,5 Punkten). Dieser Effekt verschwindet aber vollständig, wenn mindestens eine Frau Teil der Prüfungskommission ist.“ Da die Senatsverwaltung die Ergebnisse der Untersuchung für übertragbar auf Berlin hält, sollen zur Vermeidung einer möglichen Geschlechterbenachteiligung mehr Prüfungskommissionen mit mindestens einem weiblichen Mitglied geschaffen werden. Das erweist sich als schwierig, weil von den derzeit 591 Prüfern des Gemeinsamen Justizprüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg nur knapp ein Drittel Frauen sind. Vor zehn Jahren belief sich der Frauenanteil sogar auf weniger als ein Viertel.

Der Veröffentlichung des Zahlenwerks auf der Drucksache 18/24214 liegt eine Nachfrage des Abgeordneten Kohlmeier zur möglichen Geschlechterbenachteiligung zugrunde. Dargestellt werden die in den letzten Jahren beim Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg in beiden Staatsprüfungen von männlichen und weiblichen Kandidaten durchschnittlich erzielten Punkte. Bei der staatlichen Pflichtfachprüfung lag die „männliche“ Durchschnittspunktzahl der vergangenen Jahre jeweils über der „weiblichen“ (z.B. Kampagne 2015/II: 7,47 bzw. 7,45 Punkte; Kampagne 2019/II: 7,68 bzw. 7,16 Punkte). Bei der zweiten Staatsprüfung waren geringere Abweichungen festzustellen, wobei mal die Durchschnittspunktzahl der Kandidatinnen höher war, mal diejenige der Kandidaten. Eine Untersuchung, ob es in Berlin tatsächlich eine Geschlechterbenachteiligung bei der mündlichen Prüfung gibt, ist seitens der Senatsverwaltung nicht beabsichtigt – schon weil dafür keine Mittel bereitstehen.

 

Bearbeitung von Beihilfeanträgen

Der Abgeordnete Tom Schreiber (SPD) hatte sich nach der für die Bearbeitung von Beihilfeanträgen erforderlichen Zeit erkundigt und hat dazu auf der Drucksache 18/23512 folgende Auskünfte erhalten: Die Bearbeitungszeit von Beihilfeanträgen lag am 20. Mai 2020 bei 29 Arbeitstagen, die von Pflegeanträgen bei fünf bis sieben Arbeitstagen. Die sogenannten „EILT-Anträge“ – hiervon wird regelmäßig bei Rechnungsbeträgen von insgesamt mehr als 4.000 Euro ausgegangen – wurden innerhalb von zehn Arbeitstagen beschieden. Im Vergleich zum Zustand am Ende des Jahres 2019 war das eine deutliche Verschlechterung; damals lag die Bearbeitungszeit der Beihilfestelle bei nur 10 Arbeitstagen, im Jahr 2019 durchschnittlich bei 16,27 Arbeitstagen. Bereits zum Jahreswechsel stiegen dann die Bearbeitungszeiten und erreichten pandemiebedingt einen Höchstwert von über 40 Arbeitstagen.

 

Hauptstadtzulage

Auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Maik Penn sind auf der Drucksache 18/23004 Einzelheiten zu der angedachten „Hauptstadtzulage“ mitgeteilt worden. Danach ist beabsichtigt, allen Beschäftigten des Landes Berlin befristet bis zum Ende des Jahres 2025 eine nicht ruhegehaltsfähige „Hauptstadtzulage“ zu gewähren. Begünstigt würden insbesondere alle Landesbeamten (und infolgedessen wohl auch alle Richter), nicht aber die Versorgungsempfänger, also z.B. Staatsanwälte und Richter im Ruhestand. Die Zulage soll einen „Wert von grundsätzlich 150 Euro monatlich“ haben, wobei möglicherweise die (anteilige) Verrechnung mit einem Zuschuss zu einer Fahrkarte für den öffentlichen Personennahverkehr angedacht ist. Von größerer Bedeutung ist aber, was die Senatsverwaltung für Finanzen in einem Sammelbericht vom 5. November 2019 zur Anrechnung der Zulage auf die geplanten Besoldungsanpassungen ausgeführt hat: „Die Zulage wird in der Weise auf den vom Senat beschlossenen Besoldungsanpassungspfad angerechnet, dass über die gemäß Senatsbeschluss v. 15.05.2018 vorgesehene prozentuale Besoldungsanpassung im Jahr 2021 hinaus weitere Feinsteuerungsmaßnahmen in 2021 ggf. entfallen können. Das heißt, die Ballungsraumzulage wird im Rahmen der Evaluierung der bis Ende 2020 erreichten Anpassung der Besoldung des Landes Berlin an den Besoldungsdurchschnitt der anderen Bundesländer berücksichtigt werden.“ Mit einem solchen Taschenspielertrick wird die angestrebte „Steigerung der Arbeitgeberattraktivität“ nicht gelingen.

 

Wechsel zu den Gerichten

Der mittlerweile fraktionslose Abgeordnete Marcel Luthe (FDP) hat sich beim Senat nach Wechseln zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften erkundigt. Anders als wohl erwartet, deckt die Antwort auf der Drucksache 18/23664 keine Abwanderung von Staatsanwälten zu den Gerichten auf: Seit Anfang des Jahres 2013 wechselten drei Berliner Staatsanwälte in den Richterdienst (nämlich zum Landgericht und zu den Amtsgerichten Tiergarten und Lichtenberg), während in umgekehrter Richtung keine Wechsel erfolgten – Richter auf Probe jeweils ausgenommen. Dementsprechend ist die Anzahl der Berliner Richter, die früher Staatsanwälte waren, äußerst gering und nur beim Amtsgericht Tiergarten (5,98 %), dem Sozialgericht (2,94 %) und dem Landgericht (1,44 %) statistisch beachtlich. Im selben Zeitraum sind zehn Berliner Richter in die Verwaltung gewechselt, nämlich acht zur Senatsverwaltung für Justiz und jeweils einer in den Justizvollzug bzw. zum Landesrechnungshof.

 

Beförderungen

Der Abgeordneten Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) ist auf den Drucksachen 18/22838 und 18/23881 über Beförderungen von Richtern und Staatsanwälten in den Jahren 2016 bis 2019 Auskunft erteilt worden. In diesem Zeitraum wurden bei den Berliner Gerichten 139 Richter befördert, davon 59 Frauen. Im Jahr 2019 betrafen 17 von 45 Beförderungen Richterinnen. Bei den Berliner Staatsanwaltschaften wurden in den Jahren 2016 bis 2019 13 Frauen und 18 Männer in Ämter mit R-Besoldung befördert; im Jahr 2019 betrafen fünf von zehn dieser Beförderungen Frauen. Insgesamt waren am Stichtag 30. Juni 2020 414 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bei den Strafverfolgungsbehörden des Landes Berlin beschäftigt, davon 338 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in der Besoldungsgruppe R 1 (davon 208 Frauen), 64 in der Besoldungsgruppe R 2 (davon 20 Frauen), 10 in der Besoldungsgruppe R 3 (davon 3 Frauen); hinzu kamen der Leitende Oberstaatsanwalt in Berlin (Besoldungsgruppe R 5) und die Generalstaatsanwältin in Berlin (Besoldungsgruppe R 6).

 

Dr. Udo Weiß