Justizthemen im Abgeordnetenhaus Juni 2019

Die Berliner Abgeordneten haben sich mit vielen Fragen befasst, die die Justiz betreffen.

Wie üblich wird im Folgenden eine Auswahl der in den letzten Monaten im Berliner Abgeordnetenhaus behandelten Themen mit Bezug zur Justiz dargestellt.

 

Pakt für den Rechtsstaat

Der Abgeordnete Marc Vallendar (AfD) hat den Senat nach dem „'Pakt für den Rechtsstaat' in Berlin“ gefragt, einer Anfang des Jahres getroffenen Vereinbarung, die in der letzten Ausgabe des VOTUMs bereits kritisch betrachtet worden ist. Die Antwort auf der Drucksache 18/18102 sei hier im Wortlaut wiedergegeben und bedarf keines Kommentars:

Die drei Parteien, welche die Bundesregierung tragen, haben im Koalitionsvertrag für die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vereinbart 2.000 neue Stellen für Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu schaffen. Der Senat ist weder Vertragspartei dieses Koalitionsvertrages, noch ist es seine Aufgabe Vorhaben der Bundesregierung zu kommentieren. Nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung gehört die Justiz, mit Ausnahme der Bundesobergerichte und des Generalbundesanwalts, ausschließlich in den Aufgabenbereich der Länder. Dies umfasst auch die personelle Ausstattung der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden. Dem Senat ist es ein ständiges und besonders wichtiges Anliegen die Justiz mit den notwendigen sachlichen und personellen Ressourcen auszustatten, um eine effektive Rechtspflege und Strafverfolgung zu gewährleisten. Dazu hat das Abgeordnetenhaus als Haushaltsgesetzgeber und der Senat – unabhängig von Vereinbarungen auf Bundesebene in den Jahren 2017 bis 2019 146 Stellen im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich geschaffen. Auch für die kommenden Jahre ist der Senat bestrebt, die Anzahl der Stellen im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst den steigenden und sich wandelnden Anforderungen, u. a. auf Grund der wachsenden Stadt, anzupassen.

Die Bundeskanzlerin hat mit den Regierungschefinnen und den Regierungschefs der Länder am 31. Januar 2019 vereinbart, dass die Länder im Rahmen ihrer Personalhoheit im Justizbereich im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2021 insgesamt 2.000 neue Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (zuzüglich des dafür notwendigen Personals für den nicht-richterlichen und nichtstaatsanwaltlichen Bereich) schaffen und besetzen. Die Verteilung erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel. Auf Berlin entfallen demnach 102 Stellen im richterlichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Bereich. Berlin hat diese Aufgabe mit dem Stellenaufwuchs der letzten Jahre bereits erfüllt. Eine genaue Bezifferung der Kosten für die auf Berlin entfallenden Stellen ist nicht möglich, da dies von der Wertigkeit der geschaffenen Stellen und den persönlichen (besoldungsrelevanten) Eigenschaften der Stelleninhaberin oder des Stelleninhabers abhängt. Zu der Situation in den anderen Bundesländern kann der Senat keine Aussage treffen. Für das nichtrichterliche Personal ist noch keine Vereinbarung zwischen Bund und den Ländern getroffen worden.

 

Neue Räume für die Justiz

Die Staatssekretärin für Justiz, Monika Gerlach, hat dem Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses am 8. Mai 2019 einen Überblick über die Raumplanungsvorhaben der Berliner Justiz gegeben (Inhaltsprotokoll Recht 18/39, Seiten 4 ff.). Die Schwerpunkte:

Das Verwaltungsgericht ziehe in einigen Jahren in das dann kernsanierte Kathreiner-Haus in der Potsdamer Straße nahe dem Kammergericht (näher dieser Beitrag im VOTUM). Die bisherigen Räume in der Kirchstraße in Moabit könnten dann der Strafjustiz zugute kommen. Weil die Staatsanwaltschaft aber schon jetzt zusätzlichen Platz benötige, seien für sie als Zwischenlösung Räume am Saatwinkler Damm gemietet worden. Zudem solle in der Turmstraße 22, wo die Staatsanwaltschaft bereits ein Gebäude nutze, ein Neubau errichtet werden, den die Staatsanwaltschaft sich dann mit dem Bezirksamt Mitte teilen solle, das dort eine Mittelpunktbibliothek plane. Demgegenüber sei der Ausbau des Dachgeschosses des Kriminalgerichts Moabit als unwirtschaftlich verworfen worden. Ebenso werde die Errichtung eines Sicherheitssaals in einem Hof des Kammergerichts nicht weiterverfolgt. Die Errichtung zweier neuer Sicherheitssäle in Höfen des Kriminalgerichts stocke, weil für den einen Saal die Aufstellung eines Krans genehmigt werden müsse und für den anderen Saal Leitungen neu verlegt werden müssten, was unwirtschaftlich sei.

Die IT-Verwaltung der Ordentlichen Gerichtsbarkeit ziehe aus dem Gebäude des Kammergerichts in das Gebäude des Landgerichts und des Amtsgerichts Mitte in der Littenstraße. Die dortigen Räume seien jedoch derzeit noch nicht als Arbeitsplätze geeignet, weil sie aufgrund der Nähe zur Bahnlinie lärmbelastet seien. Auch Teile des Aus- und Fortbildungsreferats des Kammergerichts würden aus dem Gebäude in der Elßholzstraße ausziehen, sobald die für das neue Ausbildungszentrum für den mittleren Justizdienst vorgesehenen Räume – im ehemaligen Küchengebäude des Krankenhauses Moabit! – fertiggestellt seien.

Die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung sei in das Haus der Senatsverwaltung in der Salzburger Straße eingezogen. Dafür sei die Zentrale Besoldungs- und Vergütungsstelle der Justiz in ein Dienstgebäude am Fehrbelliner Platz verlegt worden. Weil in der Salzburger Straße noch renoviert werden müsse, würden die schriftlichen Staatsprüfungen vorübergehend in Räumlichkeiten der Messe Berlin abgelegt.

 

Anforderungsprofil „Amtsrichter“

Der Abgeordnete Sven Kohlmeier, Rechtsanwalt und rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hat sich am 6. März 2019 in einer Sitzung des Rechtsausschusses zu den seiner Ansicht nach bestehenden Anforderungen an die Richter des Amtsgerichts Lichtenberg – das wohl für die kleinen Berliner Amtsgerichte stehen soll – geäußert (Wortprotokoll Recht 17/36, Seite 7):

Auch aus meiner Tätigkeit im Richterwahlausschuss ist mir sehr wohl bekannt, dass die Kandidaten, die sich da vorstellen, hervorragende Kandidaten sind, die meines Erachtens – ohne das jetzt schlechtreden zu wollen – nach meinem äußeren, bescheidenen Eindruck möglicherweise ein bisschen überqualifiziert für das Amtsgericht Lichtenberg sind, wenn sie zwei Auslandssemester, Doktortitel und ein Prädikatsexamen haben. Aber ist das ist eine persönliche Entscheidung, die da jeder trifft. […] Insofern finde ich, dass eine gesunde Mischung der Berliner Justiz durchaus guttut, und ich war derjenige, der immer gesagt hat: Nur Überflieger tun den Amtsgerichten auch nicht gut.

 

Entlassungen aus der U-Haft

Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung hat dem Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) auf der Drucksache 18/18215 Auskunft erteilt über die im Jahr 2018 vom Kammergericht angeordneten Entlassungen aus der Untersuchungshaft nach Ablauf der 6-Monats-Frist des § 121 StPO. Sieben Beschuldigte in acht Verfahren wurden aus der Haft entlassen, darunter zwei Beschuldigte, gegen die wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ermittelt wurde. Keiner der acht Beschuldigten flüchtete. Sieben wurden zwischenzeitlich – wenn auch noch nicht rechtskräftig – verurteilt. Das Kammergericht sah die Verstöße gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen – mit einer Ausnahme – bei der Staatsanwaltschaft. Die Senatsverwaltung hat jedoch betont, die festgestellten Verzögerungen hätten nicht auf Überlastung bei der Staatsanwaltschaft beruht, sondern seien eingetreten, weil die Staatsanwaltschaft weiter ermittelt habe, obwohl Anklage hätte erhoben werden können.

 

Dr. Udo Weiß