HRSR - Eine Halbzeitbilanz

Es ist Halbzeit der Wahlperiode des Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrats - Zeit, um Bilanz zu ziehen und in die Zukunft zu schauen.

 

Es war der Beginn einer neuen Ära, nachdem leider unser langjähriger Vorsitzender, der Kollege Torsten Harms, seinem immensen Arbeitspensum und seinem unermüdlichen Einsatz für die Kollegenschaft Tribut zollte und für eine neue Legislatur nicht mehr zur Verfügung stand. Ihm gebührt für seine Leistung höchster Respekt.

Gleich zu Beginn mussten wir uns dann einem Novum namens Corona-Pandemie stellen. Diese hatte selbstverständlich auch auf unsere Tätigkeit großen Einfluss. Wir konnten uns nicht mehr wie gewohnt im großem Kreise mit dem Senator und seinen Mitarbeitenden Präsenztreffen durchführen. So fanden regelmäßige Corona-Krisengespräche mit dem Senator nur in Anwesenheit der Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats und unseres Gremiums sowie der Vorsitzenden des Gesamtrichterrats der oG - die Kollegin Guse-Manke - statt, die zugleich Mitglied in unserem Gremium ist. Diese sehr offenen Gespräche halfen, die Justiz glimpflich durch die Krise zu führen. Durch den direkten Kontakt konnten wir unsere Anliegen ungefiltert vorbringen. Auf unser permanentes Drängen gelang es uns, wichtige Dinge durchzusetzen, nämlich die Priorisierung der Richter- und Staatsanwaltschaft bei der Kinderbetreuung - hier hatte die Senatsgesundheitsverwaltung geblockt und sogar Zirattenverkäufer als relevanter als uns gelistet! - und schließlich ein eigenes Impfen für die Kollegenschaft. In der Öffentlichkeit wurde natürlich jenes erfolgreiche Projekt ausgiebig gefeiert, ohne uns zu erwähnen. Ohne uns - insbesondere durch den Einsatz der Kolleginnen Guse-Manke und Räcke - wäre das Projekt so nicht möglich gewesen. Corona bescherte uns auch in der Form ein Novum, dass wir nach Satzungsänderung eine Gremiensitzung online durchgeführt haben - mit all den Problemen, die solche Formate in technischer Hinsicht mit sich bringen. Denn - abgesehen von 3 Geräten für Videokonferenzen - sind wir technisch auf dem gleichen ungenügenden Stand wie die Kollegenschaft.

Neben Corona war ein Schwerpunkt der Tätigkeit wieder einmal die IT. Dort engagieren wir uns insbesondere bei der Frage des Netzausbaus mit Glasfaserverkabelung - jedenfalls bis an die Wiring-Center in den Gebäuden -, um zukunftsfähig zu sein vor dem Hintergrund des elektronischen Rechtsverkehrs und der immer größeren Öffnung der Prozessordnungen für Verhandlung in hybrider Form oder gänzlich per Videoübertragung aus dem Sitzungssaal. Die Datenmengen werden riesig werden. Das ist nur bewältigbar, wenn wir glasfaserverkabelt sind. Das ist teurer als eine Kupferverkabelung. Eine nicht arbeitsfähige Justiz ist aber teurer.

Über unseren Kopf hinweg hat sich Berlin auf eIP als Grundlage für die eAkte festgelegt. Hier stellt sich ein weiteres Problem. In Rheinland-Pfalz ging eIP in die Knie, als 1000 Nutzer mit dem System arbeiteten. Das System fror ein. Ein Arbeiten war dauerhaft nicht möglich. Wir werden ein eAktensystem nicht akzeptieren, das nicht massentauglich ist. Dabei stehen wir vor dem Problem, dass im IT-Bereich nicht mehr einzelne Länder Programme entwickeln lassen, sondern als Länderverbünde. In Verbünden gibt es aber keine Personalvertretung. Die Länder, sind nach einigen Flops - namentlich des Fachverfahrens forumSTAR -, darauf verfallen, über z.B. sog. Praxisbeiräte eine rudimentäre Einbeziehung von Personalvertretern zu schaffen. So sind etwa beim Gemeinsamen Fachverfahren, das einmal bei sämtlichen Gerichtsbarkeiten und den Staatsanwaltschaften aller Ländern und des Bundes zum Einsatz kommen soll, der Kollege Dr. Peter Sdorra, Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Richterinnen und Richter des Landes, und ich die von Berlin delegierten Mitglieder des dortigen Praxisbeirats. Nach vielen Anstrengungen gerade auch vom Kollegen Dr. Sdorra scheint es uns gelungen zu sein, dort so wichtige Aspekte wie Barrierefreiheit und Ergonomie bei der Programmentwicklung zu implementieren. Es liegt aber noch ein langer Weg vor uns, bis das Programm dann zuerst in der oG forumSTAR endlich ersetzen kann.

Weiterer Schwerpunkt unserer Tätigkeit war und ist die Raumplanung der Justiz. In einem vorsichtig formuliert holprigen und uns vor den Kopf stoßenden Beteiligungsverfahren ist etwa der neue Sicherheitssaal 142 im Campus Moabit gebilligt worden. Wir haben die Beseitigung etlicher gravierender Mängel etwa im Bereich der (Brandschutz-) Sicherheit und der Barriefreiheit vor Inbetriebnahme durchsetzen können. Einige Mängel harren aber weiter auf eine Beseitigung. Aktuell haben wir Sorge um die geplante Verlegung des Verwaltungsgerichts in das Kathreinerhaus. Wir werden einfordern, dass das Kathreinerhaus gebrauchstauglich sein muss, bevor die Räumlichkeiten der Kirchstraße aufgegeben werden. Das betrifft etwa die Frage des Netzausbaus, der Raumkapazität, der Schaffung einer funktionsfähigen Einlassschleuse und auskömmlicher Saalkapazität auch gegen Widerstände des Denkmalschutzes. Wir wollen nicht ein Deja-vu zur Situation der Berliner Flughäfen. Die derzeit vom Verwaltungsgericht, Amtsgericht Tiergarten und der Staatsanwaltschaft genutzten Räumlichkeiten in der Kirchstraße dürfen auch nicht aufgegeben werden, obwohl dies auf Grund einer Vereinbarung unserer Senatsverwaltung mit der Finanzverwaltung vorgesehen ist. Der aktuell genutzte Komplex „Kirchstraße“ ist gerade im Hinblick auf den weiteren personellen Aufbau der Strafjustiz auf unabsehbare Zeit unabkömmlich. Überlegungen, beheizbare Zelte aus Hessen für Durchführung von Sitzungen zu nutzen, ist für uns ein vorgezogener Aprilscherz.

Meist als Mitglied des erweiterten Hauptpersonalrats haben wir etliche (Rahmen-) Dienstvereinbarungen geschlossen oder stehen vor einem Abschluss. Ich möchte hier nur nennen - RDV zum Landesantidiskriminierungsgesetz, RDV Gesundheit, RDV gegen sexuelle Belästigung, RDV Beschwerdestelle nach § 13 AGG. In der RDV zum Landesantidiskriminierungsgesetz, an der uns auch der Kollege Dr.Schifferdecker vom Landesverband des DRB tatkräftig unterstützt hat, konnten wir die Position der Kollegenschaft gegen unberechtigte Anschuldigungen zu einer Diskriminierung stärken. Damit konnte auch die Furcht vor dem LADG genommen werden. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Projekt „Rahmendienstvereinbarung zum Landesantidiskriminierungsgesetz“ im Rahmen des Deutschen Personalräte-Preis 2021 den Bronze-Preis erhalten hat.

Leider wurde vieles, was uns wichtig war, gegen unsere Wünsche durchgedrückt. Unsere Rechtsposition ist weiter nämlich viel zu schwach ausgestaltet. Namentlich möchte ich das Reparaturgesetz benennen. Das „Erbsenzählen“ bei der Berechnung der uns zu niedrig gewährten Besoldung, die Nichtberücksichtigung der Kollegenschaft, die nicht geklagt oder zumindest Widerspruch eingelegt hat, tut weh. Ich konnte dem zuständigen Finanssenator persönlich zwar unsere Argumente vortragen und ihn plastisch auf die Befindlichkeiten der Kollegenschaft hinweisen. Er verbat sich allerdings jegliche Kritik, weil er sich ja allein im Wege der vertrauensvollen Zusammenarbeit herabgelassen hatte, persönlich sich unsere Einschätzung anzuhören. Ein merkwürdiges Verständnis.

Als Zukunftsaufgabe liegt die Novellierung des Richtergesetzes vor uns. Das BVerwG hat nur noch für einen Übergangszeitraum die dortige Regelung zu den Beurteilungen gelten gelassen. Die Regelung in § 9 RiG sei verfassungswidrig. Im Gesetz selbst müssten die wesentlichen Punkte zu einem Beurteilungswesen geregelt sein und nicht wie aktuell lediglich in Verwaltungsvorschriften. Wir wollen dieses Moment nutzen, um umfassend das Gesetz zu überarbeiten.

 

Dr. Gregor Schikora