Stellungnahme zum Besoldungs- und Versorgungs- Anpassungsgesetz 2024 bis 2026

Wir haben mit deutlichen Worten zum unzureichenden Entwurf Stellung genommen.

Beteiligung der Spitzenorganisationen der Berufsverbände nach § 7 des Berliner Richtergesetzes (RiGBln); Ihr Zeichen:  IV D 11 – P 6810-3/2022-13-1

Wir bedanken uns für die Übersendung des Entwurfs des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2024 bis 2026 und zur Einführung und Änderung weiterer Vorschriften (BerlBVAnpG 2024-2026, nachfolgend: der Entwurf) und die Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen der Verbandsbeteiligung nach § 7 RiGBln.

Der Deutsche Richterbund – Landesverband Berlin begrüßt im Grundsatz die vorgesehene Übernahme des TV-L-Tarifergebnisses und die endlich erfolgenden Nachzahlungen für kinderreiche Familien. Es ist anzuerkennen, dass mit der gegenüber dem Tarifabschluss leicht erhöhten linearen Steigerung im Jahr 2025 ein erster Schritt in die richtige Richtung erfolgt. Auch ist zu begrüßen, dass die Richtlinien der Regierungspolitik festlegen, dass die Vergütung der Beschäftigten binnen fünf Jahren schrittweise auf das Bundesgrundniveau angehoben werden soll, indes bleibt dies aktuell ein reines Lippenbekenntnis.

Denn die vorgesehenen Maßnahmen sind unzureichend. Das gesetzgeberische Ziel, das Land Berlin als Dienstherr attraktiver und damit konkurrenzfähiger gegenüber dem Bund und der freien Wirtschaft zu machen, verfehlt der Entwurf deutlich. Anders als der Entwurf vorgibt, weitet sich der Besoldungsrückstand gegenüber dem Bund, dem Nachbarland Brandenburg und den Verdiensten außerhalb der Berliner Landesverwaltung aktuell weiter aus. Der Entwurf verfolgt erneut primär einseitig fiskalische Interessen ohne ernsthaft und nachhaltig eine wettbewerbsfähige amtsangemessenen Alimentation in den Blick zu nehmen. Denn der Entwurf beruht bereits auf unrichtigen rechnerischen Grundlagen (dazu 1.), enthält ungerechtfertigte Besoldungskürzungen (dazu 2.) und verstetigt die systematische Benachteiligung der R-Besoldung (dazu 3.). Zudem sieht der Entwurf ungerechtfertigt überhöhte Rügeanforderungen als Voraussetzung einer Nachzahlung familienbezogener Bestandsteile vor (dazu 4.)

 

1.         Unrichtige rechnerische Grundlagen

a)         Unrichtige Berechnung des Besoldungsindex

Schon die für alle weiteren Berechnungen grundlegende Berechnung des Besoldungsindex ist jedenfalls für die R-Besoldung unrichtig. Der Entwurf legt ab dem Basisjahr 2009 die linearen Anpassungen der Besoldung zu Grunde und übersieht, dass – jedenfalls für die R-Besoldung – die im Jahr 2009 geltenden Tabellenwerte verfassungswidrig waren. Es versteht sich von selbst, dass die Berechnungen zum Besoldungsindex von einem verfassungskonformen Niveau im Basisjahr der Berechnungen ausgehen müssen, da ansonsten die Verfassungswidrigkeit perpetuiert würde. Der Berliner Gesetzgeber hat mit dem Gesetz über die rückwirkende Herstellung verfassungskonformer Regelungen hinsichtlich der Besoldung in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 und der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 vom 23. Juni 2021 (RBes2009/2015RepG BE) den Besoldungsempfängern der Besoldungsgruppe R 1 für das Haushaltsjahr 2009 eine Nachzahlung in Höhe von 1,70 % der Grundgehälter und Amtszulagen gewährt. Für die Besoldungsgruppe R 2 betrug die Nachzahlung 1,82 % der Grundgehälter und Amtszulagen. Da sämtliche nachfolgende lineare Erhöhungen auf den verfassungswidrig zu geringen Tabellensätzen aufsetzten, sind die tatsächlichen Erhöhungen bezogen auf die verfassungskonforme Besoldung für die Folgejahre geringer.

Dass sich der Entwurf mit den Besonderheiten der R-Besoldung nicht einmal im Ansatz auseinandersetzt zeigt sich auch daran, dass im Tabellenteil lediglich die Besoldungsgruppe R 2, nicht aber die Gruppe R 1 dargestellt wird, obwohl diese für den weit überwiegenden Teil der R-Besoldungsempfänger von Bedeutung ist. Im Folgenden werden wir daher unsere Berechnungen auch lediglich beispielhaft für die Besoldungsgruppe R 2 darlegen, wobei für die übrigen Besoldungsgruppen R selbstverständlich Gleiches gilt.

Betrachtet man die Entwicklung des für das Jahr 2009 um den Nachzahlungsbetrag erhöhten monatlichen Tabellenbetrags der Endstufe R 2 ergibt sich folgender Besoldungsindex:

 

lineare Anpassung Besoldung nach Entwurf

Index nach Entwurf

Grundgehalt Endstufe (unter Berücksichtigung Reparatur 2009)

Tats. Veränd.
in %

Korrigierter Index

2009

0,00%

100,00

5.604,00 €

 

100

2010

1,50%

101,50

5.586,39 €

-0,31

99,69

2011

2,00%

103,53

5.715,00 €

2,30

101,98

2012

2,00%

105,60

5.829,30 €

2,00

104,02

2013

2,00%

107,71

5.945,89 €

2,00

106,10

2014

3,00%

110,94

6.124,27 €

3,00

109,28

2015

3,00%

114,27

6.308,00 €

3,00

112,56

2016

2,80%

117,47

6.484,62 €

2,80

115,71

2017

2,60%

120,53

6.653,22 €

2,60

118,72

2018

3,20%

124,38

6.866,12 €

3,20

122,52

2019

4,30%

129,73

7.161,36 €

4,30

127,79

2020

4,30%

135,31

7.469,30 €

4,30

133,29

2021

2,50%

138,69

7.656,03 €

2,50

136,62

2022

2,80%

142,58

7.870,40 €

2,80

140,44

2023

0,00%

142,58

7.870,40 €

0,00

140,44

Die linearen Erhöhungen lagen danach 2,13 Basispunkte unter dem im Entwurf behaupteten Wert. Die im Vergleich zu 2009 noch einmal abgesenkte jährliche Sonderzahlung ist hier sogar nicht berücksichtigt.

Die Relevanz der Zugrundelegung des verfassungskonformen Werts der Grundbesoldung wird sich im aktuellen Jahr und den Folgejahren noch stärker verdeutlichen. Mit dem Besoldungsreparaturgesetz (RBes2009/2015RepG BE) wurden die Grundgehälter und Amtszulagen in der (hier beispielhaft benannten) Besoldungsgruppe R 2 für das Jahr 2010 um 3,47 % für das Jahr 2011 um 6,94 % nachträglich erhöht. Bildet man dies als Index ab, ergibt sich unter Berücksichtigung der tabellenwirksamen Erhöhung um 200,- EUR, welche der Entwurf vorsieht, für die Jahre 2024 und 2025 folgendes Bild:

 

Grundgehalt Endstufe

Veränd. in %

Index

2010

5.780,24 €

 

100

2011

5.715,00 €

-1,13

98,87

2012

5.829,30 €

2,00

100,85

2013

5.945,89 €

2,00

102,87

2014

6.124,27 €

3,00

105,95

2015

6.308,00 €

3,00

109,13

2016

6.484,62 €

2,80

112,19

2017

6.653,22 €

2,60

115,10

2018

6.866,12 €

3,20

118,79

2019

7.161,36 €

4,30

123,89

2020

7.469,30 €

4,30

129,22

2021

7.656,03 €

2,50

132,45

2022

7.870,40 €

2,80

136,16

2023

7.870,40 €

0,00

136,16

2024

8.070,40 €

2,54

139,62

 

Grundgehalt Endstufe

Veränd in %

Index

2011

6.111,62 €

 

100,00

2012

5.829,30 €

-4,62

95,38

2013

5.945,89 €

2,00

97,29

2014

6.124,27 €

3,00

100,21

2015

6.308,00 €

3,00

103,21

2016

6.484,62 €

2,80

106,10

2017

6.653,22 €

2,60

108,86

2018

6.866,12 €

3,20

112,35

2019

7.161,36 €

4,30

117,18

2020

7.469,30 €

4,30

122,21

2021

7.656,03 €

2,50

125,27

2022

7.870,40 €

2,80

128,78

2023

7.870,40 €

0,00

128,78

2024

8.070,40 €

2,54

132,05

2025

8.575,61 €

6,26

140,32

Im Beobachtungszeitraum 2010-2024 wird sich also die Grundbesoldung nach Tabelle lediglich um 39,62% von 2011-2025 um nur 40,32% erhöht haben.

Insofern ist noch anzumerken, dass die im Entwurf angestellten Überlegungen, dass unter der hypothetischen Annahme, dass den Dienstkräften bereits im Jahr 2023 die Verbraucherpreise-Sonderzahlungen gewährt worden wäre, sich ein anderer Indexwert ergäbe, zwar richtig sind. Der Senat kann aber nicht einmal für Zwecke des Besoldungsindex von einem „hypothetischen“ Szenario ausgehen und sich dann an anderer Stelle, nämlich bei der Berechnung des Mindestabstands zur Grundsicherung auf eine „Zuflussbetrachtung“ zurückziehen.

 

b)        Nicht nachvollziehbare Berechnung des Tariflohnindex

Der dem Entwurf zu Grunde gelegt Tariflohnindex kann seitens des DRB-Landesverband Berlin jedenfalls nicht nachvollzogen werden. Das VG Berlin geht in seiner Entscheidung vom 16. Juni 2023 (26 K 245/23, Rn 114, juris) davon aus, dass in den Jahren 2009 und 2010 im Land Berlin keine Tariferhöhungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst erfolgten. Sodann heißt es in der Entscheidung:

„Mit dem Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Angleichungs-TV Land Berlin) vom 14. Oktober 2010 und mit dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Berlin in das Tarifrecht der TdL (TV-Wiederaufnahme Berlin) vom 12. Dezember 2012 wurde für die Angestellten des Landes Berlin im Grundsatz das Recht des Tarifgebiets West des TV-L dynamisch zur Anwendung gebracht. Sofern es hierbei für Berlin zunächst zu Modifizierungen bei Arbeitslohn (Bemessungssatz) und Arbeitszeit kam, können diese für hiesige Zwecke erneut als neutral im Hinblick auf die Tariflohnentwicklung betrachtet werden. Der Angleichungs-TV Land Berlin hatte darüber hinaus zur Folge, dass die in den Jahren 2008 bis 2010 im Bereich des TV-L vereinbarten Tariferhöhungen im Land Berlin sukzessive nachgeholt wurden. Zur Vereinfachung kann nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts für Berlin im Jahr 2011 ein einmalig höherer Steigerungswert von 8,87 % und anschließend ab 2012 wieder der Tariflohnindex für die TdL angesetzt werden (vgl. insgesamt BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris, Rn. 126f.). Lediglich im Jahr 2015 fällt die Steigerung für Berlin nochmals einmalig höher (2,6 %) im Vergleich zur TdL (2,1 %) aus.“

Nach Auffassung des VG Berlin hat sich der Tariflohnindex daher bis zum Jahr 2021 wie folgt entwickelt:

Tariflohnindex

 

Tariferhöhung

Index

2009

 

100

2010

0,00

100,00

2011

8,87

108,87

2012

1,90

110,94

2013

2,70

113,93

2014

3,00

117,35

2015

2,60

120,40

2016

2,30

123,17

2017

2,00

125,64

2018

2,35

128,59

2019

3,01

132,46

2020

3,12

136,59

2021

1,29

138,35

Für die Jahre 2022 und 2023 kann auf die im Entwurf enthaltenen Werte zurückgegriffen werden:

2022

2,80

142,23

2023

0,00

142,23

Wir halten die Berechnungen des VG Berlin für den Zeitraum bis 2021 für zutreffend und können dem Entwurf nicht entnehmen, auf welcher Grundlage dort von abweichenden Berechnungen ausgegangen wird. Bei richtiger Betrachtung liegt der Indexwert des Tariflohnindex um 1,92 Basispunkte über dem im Entwurf behaupteten Wert.

 

c)         Unrichtige Berechnung des Grundsicherungsniveaus (Unterkunftskosten)

Die Berechnungen zum Grundsicherungsniveau für eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft entsprechen nicht den Vorgaben des BVerfG. Das erkennt auch der Entwurf und führt aus:

„Das BVerfG hat in seinem Beschluss 2 BvL 4/18 bei der Ermittlung der Kosten der Unterkunft auf die von der BA übermittelten Werte des 95%-Perzentils für Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern zurückgegriffen. Vorliegend wurden die Kosten der Unterkunft jedoch abweichend vom 95%-Perzentil der BA anhand der von der Senatsverwaltung Integration, Arbeit und Soziales im Rundschreiben Soz Nr. 3/2023 bekannt gegebenen aktuellen Richtwerte für die Höhe (…) bestimmt. (…). Das 95%-Perzentil ist zur Bestimmung der Kosten der Unterkunft im Vergleich weniger geeignet, da die von der Sozialverwaltung bekannt gegebenen Werte die Realität der gewährten Sozialleistungen besser wiedergeben“.

Zwar hat das BVerfG ausgeführt, dass seine Ausführungen zur Berechnung des Grundsicherungsniveaus keine für den Besoldungsgesetzgeber in jeder Einzelheit verbindliche Berechnungsgrundlage darstellen und es ihm insbesondere grundsätzlich möglich ist, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mithilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik zu bestimmen (vgl. BVerfGE 137, 34 [75 f.] = NJW 2014, 3425 Rn. 82 ff.). Jedoch hat das BVerfG auch klargestellt, dass ihn die Pflicht trifft, die ihm zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der Höhe der Grundsicherungsleistungen auszuschöpfen, um die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten und die Höhe der Besoldung an diese Entwicklung kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen. Um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung gerecht zu werden, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen,  muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft nach den ausdrücklichen Feststellungen des BVerfG erfasst werden.  Nur dies verhindert, dass ein signifikanter Teil der Besoldungsempfänger unterhalb des Abstandes von 15 % über dem Grundsicherungsniveau alimentiert wird.

Die Ausführungen im Entwurf zur Bestimmung der Kosten der Unterkunft können erneut nur als Anmaßung und Respektlosigkeit gegenüber dem BVerfG bezeichnet werden. Dass die Finanzverwaltung einen anderen Wert für weniger oder mehr geeignet hält, ist keine auch nur im Ansatz ausreichende Begründung für die im Entwurf enthaltenen Annahmen. Der Besoldungsgesetzgeber kann sich nicht aus kurzsichtigen fiskalischen Motiven über die klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben hinwegsetzen. Das BVerfG hat ausdrücklich erläutert, warum es das 95 %-Perzentil für den geeigneten Wert hält. In der Entscheidung vom 4. Mai 2020

(2 BvL 4/18) heißt es hierzu bei Rn. 59 ausdrücklich:

„Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft wird realitätsgerecht erfasst, wenn die von der Bundesagentur für Arbeit länderspezifisch erhobenen und in ihrer Auskunft übermittelten Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) zugrunde gelegt werden. Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für laufende Kosten der Unterkunft abgedeckt worden ist. Der Anteil der Haushalte, bei denen ein noch höherer monatlicher Bedarf für die laufenden Kosten der Unterkunft anerkannt worden ist, liegt bei unter 5 %. Auf diese Weise werden die tatsächlich als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft erfasst, während zugleich die statistischen Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen mögen, außer Betracht bleiben. Damit wird sichergestellt, dass die auf dieser Basis ermittelte Mindestbesoldung unabhängig vom Wohnort des Beamten ausreicht, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können.“

Dass vorrangig dieser Wert für die Bemessung des Mindestabstands zur Grundsicherung von Bedeutung ist, zeigt auch der Umstand, dass im Land Berlin aus rechtlichen Gründen in einer Vielzahl von Fällen deutlich höhere Mieten für Bedürftige übernommen werden, als sie nach den Verwaltungsvorgaben als angemessen anerkannt sind.

Dem DRB-Landesverband Berlin liegen Werte für das 95 %-Perzentil bei den Kosten der Unterkunft bis in das Jahr 2019 vor (1.150,- EUR). Wir gehen davon aus, dass dieser Wert seitdem noch einmal deutlich gestiegen ist und fordern den Senat auf, die Bundesanstalt für Arbeit um Mitteilung der entsprechenden Daten zu ersuchen und dann nachvollziehbar statistisch darzulegen, warum er meint, von diesem Wert abweichen zu dürfen.

Selbst wenn man nur den Wert für die Kosten der Unterkunft aus 2019 und im Übrigen die Daten des Entwurfs zum Grundsicherungsbedarf einer 4köpfigen Familie zu Grunde legte, ergäbe sich folgender Referenzbetrag:

Grundsicherung

 

Entwurf

BVerfG

Bürgergeld Regelsatz

1.806,00 €

1.806,00 €

Kosten der Unterkunft

828,00 €

1.150,00 €

Heizkosten

173,23 €

173,23 €

Summe GS

2.807,23 €

3.129,23 €

 

 

 

Bildung und Teilhabe

 

 

Klassenfahrt

58,94 €

58,94 €

Kitafahrt

5,72 €

5,72 €

Eintägige Ausflüge Kita

0,16 €

0,16 €

Eintägige Ausflüge Schule

10,36 €

10,36 €

Schulessen

40,94 €

40,94 €

Kitaessen

12,78 €

12,78 €

Schulbedarf

21,68 €

21,68 €

Hortkosten 4-6

16,53 €

16,53 €

Hortkosten 7-10

16,36 €

16,36 €

Lernförderung

111,08 €

111,08 €

Teilhabe an soz. & kult. Leben

30,00 €

30,00 €

Rundfunkbeitrag

18,36 €

18,36 €

Pauschale sonst. geldw. Vort.

60,00 €

60,00 €

Summe BuT

402,91 €

402,91 €

 

 

 

Gesamtsumme

3.210,14 €

3.532,14 €

 

 

 

zzgl. 15%

3.691,66 €

4.061,96 €

 

 

 

Jahresbetrag

44.299,93 €

48.743,53 €

 

Das für die Abstandsberechnungen relevante Grundsicherungsniveau lag daher nach hiesiger Auffassung mindestens 4.443,60 EUR höher als im Entwurf unterstellt.

Nach den Berechnungen im Entwurf betragen die Nettobezüge eines Besoldungsempfängers der Besoldungsgruppe A 5, Erfahrungsstufe 1 mit 2 Kindern einschließlich aller im Jahr 2024 zufließenden Sonderzahlungen 40.457,16 EUR. Damit liegen die Nettobezüge des Besoldungsempfängers sogar deutlich unter den einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewährten Leistungen der Vergleichsberechnung. Der Abstand zum Mindestbesoldungsniveau nach Maßgabe der bisher geltenden Berechnungsmethodik beträgt danach gut 17 %.

 

d)        Berechnung des Abstands zum „Bundesgrundniveau“ und zum Besoldungsniveau in Bund und Ländern nicht nachvollziehbar

Auch die Berechnung und Begründung des Vergleichs zum Besoldungsniveau anderer Länder entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Im Entwurf heißt es:

„Damit das Land Berlin im Wettbewerb mit dem Bund und der freien Wirtschaft weiterhin attraktiv für qualifizierte Dienstkräfte bleibt, legen die Richtlinien der Regierungspolitik fest, dass die Vergütung der Beschäftigten binnen fünf Jahren schrittweise auf das Bundesgrundniveau angehoben werden soll. Nach dem Bund-Länder-Quervergleich des Arbeitskreises für Besoldung der Finanzministerkonferenz zur Jahresbruttobesoldung mit Stand 31. Dezember 2023 beträgt der durchschnittliche Abstand Berlin zum Bund 1,91 Prozent.“

Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass der Senat mit dem Ausdruck „Bundesgrundniveau“ einen schillernden Begriff eingeführt hat, sich aber weigert, diesen zu definieren. Die Behauptung, das zum Jahresende 2023 der durchschnittliche Abstand Berlin zum Bund 1,91 % betrage, gilt für die R-Besoldung jedenfalls nicht. Betrachtet man die Differenz in den Tabellenwerten beispielhaft für die Endstufe der Besoldung nach R 2 (auf welche die Begründung des Entwurfs allein abstellt) ergibt sich folgendes Bild:

Abstand zum "Bundesgrundniveau" Tabellenwert

 

R 2 Bund

R 2 Berlin

Differenz

in %

2023

8.110,48 €

7.870,40 €

-240,08 €

-2,96

2024

8.750,94 €

8.070,40 €

-680,54 €

-7,78

Der Abstand betrug danach schon zum Jahresultimo 2023 -2,96 % und er wird zum Jahresende 2024 auf -7,78 % angewachsen sein. Auch unter Berücksichtigung der in Berlin gewährten Sonderzahlung ergibt sich ein Bild, was mit den im Entwurf genannten Zahlen nicht in Deckung zu bringen ist:

Abstand zum "Bundesgrundniveau" mit Sonderzahlung

 

R 2 Bund

R 2 Berlin

Differenz

in %

2023

8.110,48 €

7.945,40 €

-165,08 €

-2,04

2024

8.750,94 €

8.145,40 €

-605,54 €

-6,92

Insofern verwundert auch, dass der Senat am 8. September 2023 im Rahmen der Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Julia Schneider noch von einem Abstand vom Bundesgrundniveau von 3,92 % ausging (Drucksache 19/16548). Die im Entwurf genannte Zahl von 1,91 % wird hierdurch noch unerklärlicher.

Eine allenfalls halbwahre Darstellung ist dem Entwurf auch hinsichtlich der Entwicklung in anderen Ländern zu attestieren. Hierzu heißt es:

„Die anderen Bundesländer werden voraussichtlich zum weit überwiegenden Teil ebenfalls die Besoldung in einem ersten Schritt um den Sockelbetrag von 200 Euro zum 1. November 2024 erhöhen. In einem zweiten Schritt soll dann ebenfalls zum 1. Februar 2025 die Besoldung um weitere 5,5 Prozent angepasst werden. Dies entspräche der generellen Vorgehensweise bei den Besoldungsanpassungen der Länder in den vorhergehenden Jahren, in denen der Tarifabschluss wirkungsgleich übernommen wurde.“

Dies ist zwar nicht falsch, der Entwurf unterschlägt aber, dass gerade das Land Brandenburg für 2024 weit stärkere Erhöhungen beschlossen hat, was – dem Entwurf entsprechend beispielhaft für die Besoldungsgruppe R2 – folgende Übersicht zeigt:

Abstand zu Brandenburg

 

R 2 B'burg

R 2 Berlin

Differenz

in %

2023

7.868,43 €

7.945,40 €

76,97 €

0,98

2024

8.699,63 €

8.145,40 €

-554,23 €

-6,37

Auch hier nimmt das Land Berlin in Kauf, dass sich das Besoldungsgefälle zu Brandenburg zunächst einmal erheblich verstärkt. Im Zeitraum Juli bis November 2024 wird die Besoldung eines Richters am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (R 2) unter der des Richters am Verwaltungsgericht Cottbus (R 1) liegen. Auch hier stellt sich die Frage, wie dies mit dem erklärten Ziel der Attraktivitätssteigerung in Deckung zu bringen sein soll. Eine Anpassung an das Brandenburger Besoldungsniveau wird erst zum Jahr 2025 eintreten, sofern im Nachbarland bis dahin keine weitere Erhöhung erfolgt.

Wir fordern daher mit Blick auf die Lohnentwicklung in der Wirtschaft und die Besoldungsentwicklung im Land Brandenburg, ein Vorziehen der Besoldungsanpassung sowie eine stärkere prozentuale Erhöhung. Das Land Berlin ist als Arbeitgeber nicht mehr konkurrenzfähig, der vorgeschlagene Entwurf wird dem Nachholbedarf nicht gerecht.

 

2.         Abkehr vom Modell der Alleinverdienerehe allein zur Herstellung einer Verfassungsmäßigkeit unzulässig 

Der Entwurf enthält eine erhebliche strukturelle Neuausrichtung der Besoldung, als das bislang geltende Modell einer vierköpfigen klassischen Alleinverdienerfamilie abgelöst werden soll. Sofern der Entwurf meint, dass dieses Modell dem gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte nicht Rechnung trage, mag dies sein. Allerdings ist dies auch ein klassisches Henne-/Ei-Problem. Der Berliner Gesetzgeber besoldet seine Dienstkräfte inzwischen seit vielen Jahren offensichtlich nicht verfassungskonform. Die ausstehende Entscheidung des BVerfG zur Berliner A-Besoldung wird aufzeigen, in welch erheblichem Umfang die Besoldung der beamteten Dienstkräfte hinter dem von Verfassung wegen gebotenen Niveau zurückblieb. Wir gehen davon aus, dass einer nach Besoldungsgruppe A 4 besoldeten Dienstkraft für den Zeitraum 2009 bis 2020 insgesamt mehr als 100.000,- Euro vorenthalten wurden. Dass es daher für die Kolleginnen und Kollegen seit vielen Jahren praktisch unmöglich ist, das Modell einer „klassischen Alleinverdienerehe“ zu leben, liegt auf der Hand.

Man muss dem Entwurf schon ein gerüttet Maß an Chuzpe attestieren, wenn er neben dem Novum eines hinzufingierten Zweiteinkommens auch noch die „Institution des sogenannten Verheiratetenzuschlags“ mit Verweis auf den „gesellschaftlichen Wandel“ beerdigt. Dessen Abschaffung würde im Rahmen einer redlichen Weiterentwicklung des Besoldungsrechts im Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers liegen. In Zusammenhang mit den allein fiskalisch motivierten Änderungen stellen beide Maßnahmen vorliegend jedoch nichts anderes dar, als eine durch die Hintertür eingeführte Besoldungskürzung.

Das Grundgesetz hat in Art. 33 V GG den Fortbestand des Berufsbeamtentums in Form einer institutionellen Garantie insoweit gewährleistet, als es sich in seiner hergebrachten Gestalt in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einfügt. Wir verkennen nicht, dass hierdurch nicht die “wohlerworbenen Rechte" des Beamten (vgl. Art. 129 I WRV), sondern nur der überlieferte Kernbestand von Strukturprinzipien der Institution des Berufsbeamtentums verfassungsrechtlich geschützt werden und dem Gesetzgeber daher bei der Ausgestaltung des Beamtenrechts ein weiter Spielraum zur Verfügung steht. Allerdings gilt insofern, dass er - unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums - lediglich nicht gehindert ist, das Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten dergestalt zu verändern, dass Ansprüche für die Zukunft verkürzt werden oder entfallen. Der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers erwachsen aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verfassungsrechtliche Schranken, wenn die Neuregelung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen einwirkt und die betroffenen Rechtspositionen entwertet (BVerfG, NVwZ 1985, 894). So liegt es auch hier: das Land Berlin kann die aktuelle Verfassungswidrigkeit seiner Besoldung nicht einfach durch einen „Systemwechsel“ beseitigen. Der Gesetzgeber ist vielmehr gehalten, vor einer entsprechenden Neuausrichtung der Besoldung zunächst einmal verfassungsgemäße Zustände innerhalb des bislang geltenden Referenzsystems herzustellen. Für die künftige Fortschreibung der verfassungskonformen Besoldung mögen dann andere Spielregeln gelten, wobei auch diese in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingepasst werden müssen. Der Entwurf versucht hingegen, das bisherige Foulspiel des Landes Berlin dadurch zu rechtfertigen, dass man mit Rückwirkung erklärt, Tritte gegen das Schienbein seien jetzt erlaubt.

Lediglich ergänzend weisen wir darauf hin, dass wir die geplante Neuregelung zum ergänzenden Familienzuschlag in § 40a LBG Berlin für verfassungswidrig halten. Denn sie sieht diesen Zuschlag nur für verheiratete oder verpartnerte Kolleginnen und Kollegen vor, was eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt. Sie macht die Gewährung der Alimentation zudem von einem Antrag (versteckt als „Anzeige“ bezeichnet) abhängig. Die Regelung begegnet ferner datenschutzrechtlichen Bedenken, da sie die Offenlegung des Partnereinkommens zum Zwecke einer auskömmlichen Alimentation fordert. Mit dieser Regelung wird die Besoldungsstelle zum Sozialamt, was den Grundsätzen des Berufsbeamtentums eklatant widerspricht.

 

3.         Systematische Benachteiligung der R-Besoldung

Der Entwurf schreibt im Übrigen die schon in den vergangenen Jahren zu beobachtende strukturelle Benachteiligung der R-Besoldung fort.

Das zeigt sich zum einen bei der unzutreffenden Berechnung des Besoldungsindex. Die allgemeine Lohnentwicklung ist der Besoldung weit stärker enteilt, als es der Entwurf glauben machen will. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat jüngst Zahlen zur Entwicklung der Löhne und Gehälter im ersten Quartal 2024 veröffentlicht. Danach sind die Nominallöhne in Berlin im ersten Quartal 2024 um 7,6 % angestiegen. Würde sich dies für das Gesamtjahr 2024 verstetigen betrüge der Stand des Nominallohnindexes zum Jahresende 162,98 Indexpunkte. Selbst wenn man unterstellte, dass die Löhne und Gehälter nur im Mittel der letzten 15 Jahre stiegen (3,11 % p.a.), betrüge der Stand des Nominallohnindex zum Jahresende 156,17 Indexpunkte. Dies entspricht einer Abweichung des Besoldungsindex vom zutreffend ermittelten Nominallohnindex um 15,30 % bzw. 10,49 %. Schon hier zeigt sich, dass die Behauptung, die im Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen könnten das Land Berlin als Dienstherrn attraktiver und damit konkurrenzfähiger gegenüber dem Bund und der freien Wirtschaft machen, mit der Realität wenig zu tun hat.

Ferner wird auch die Verletzung des Abstandsgebots weiter perpetuiert. Nicht nur kommt die für das Jahr 2024 vorgesehene Sockelbetragserhöhung den Dienstkräften des höheren Dienstes prozentual weit weniger zu Gute als denen der übrigen Laufbahnen. Auch die Novellierung des § 18 BBesG BE und die Anpassung der Stellenzulagen kommt dem höheren Justizdienst, dem zudem auch weiterhin die Hauptstadtzulage vorenthalten wird, nicht zu Gute. Wenn man dem Ziel der Steigerung der „Attraktivität“ wirklich näherkommen möchte, sollte sich der Gesetzgeber die Mühe machen, die Verfassungsmäßigkeit der R-Besoldung einmal gesondert in den Blick zu nehmen. Erwägenswert wäre etwa eine allgemeine „Justizzulage“ oder die Einführung einer weiteren neunten Besoldungsstufe.

 

4.         Nachzahlungsgesetz – zu hohe Anforderungen an die Geltendmachung

Wir begrüßen, dass auch das Land Berlin endlich eine Nachzahlung für die Alimentation der Familien mit drei oder mehr Kindern gewährt. Mit Nachdruck kritisieren wir hingegen die Regelung, dass eine ausdrückliche Rüge der Höhe des Familienzuschlages erhoben worden sein muss. Dies überspannt unserer Ansicht nach die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Rügeanforderungen. Vielmehr muss die rechtzeitige Rüge der Alimentation ausreichen, da die Dienstkräfte die rechtswidrige Höhe einzelner Berechnungselemente nicht haben kennen können. Auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 4. Mai 2020 (2 BvL 7/17, BeckRS 2020, 17333, dort Rn. 88) ergibt sich das Erfordernis eines Widerspruchs gerade gegen die Höhe des Familienzuschlags nicht. Entscheidend ist allein, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020 – 2 BvL 4/18, NVwZ-Beilage 2020, 90 Rn. 183).

 

5.         Fazit

Der DRB Berlin lehnt den vorgelegten Entwurf ab. Der Entwurf leidet an strukturellen Mängeln, entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben und ermöglicht dem Land Berlin nicht, wieder als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dies gefährdet im Ergebnis die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.

Dem Senat ist vermutlich selbst bewusst, dass sämtliche seiner Maßnahmen im Ergebnis unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Entscheidungen des BVerfG zur Berliner Beamten- und Richterbesoldung stehen. Es ist davon auszugehen, dass die Berechnungen des Entwurfs durch die erheblichen Reparaturzahlungen, die das Land Berlin zu gewärtigen hat, noch in diesem Jahr überdacht werden müssen, weil sich die Entwicklung der Besoldung unter Berücksichtigung der mit Sicherheit erforderlich werdenden erheblichen Nachzahlungen weit weniger dynamisch darstellen wird. Gleichzeitig werden die Folgen des exorbitanten Anstiegs der Verbraucherpreise und der dynamischen Lohnentwicklung außerhalb des Berliner Landesdienstes in den kommenden Jahren erheblich auf die Berechnungen durchschlagen. Hierzu wird der DRB – Landesverband Berlin nach Vorliegen der Entscheidung des BVerfG weiter Stellung nehmen. Die dem Entwurf zu Grunde liegende Überlegung, bis in das Jahr 2026 hinein einen verbindlichen Fahrplan für die Besoldungsentwicklung vorgeben zu können, steht auf tönernen Füßen, da der Entwurf halbherzig ist und dringend einer Überarbeitung bedarf.

Für den Vorstand des Deutschen Richterbundes – Landesverband Berlin

Dr. Patrick Bömeke                                                                           Dr. Stefan Schifferdecker