Bedenklicher Alleingang in Brandenburg

Beabsichtigte Änderungen des Brandenburgischen Richtergesetzes laufen dem Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg zuwider

Die Präsidentinnen und Präsidenten der sechs Obergerichte der Länder Berlin und Brandenburg sowie die Generalstaatsanwältin in Berlin und der stellvertretende Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg haben in einer gemeinsamen Erklärung vom 14. Februar 2019 ihre Sorge ausgedrückt, dass die beabsichtigten Änderungen des Brandenburgischen Richtergesetzes dem im Jahr 2004 geschlossenen Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg zuwiderliefen:

In dem Staatsvertrag, den die Parlamente beider Länder jeweils als Gesetz beschlossen haben, um eine effizientere Justizstruktur in der Region Berlin-Brandenburg aufzubauen, verpflichten sich Berlin und Brandenburg, ihre richterrechtlichen Vorschriften zu vereinheitlichen. Zur Umsetzung dieser Verpflichtung haben die beiden Länder im Jahr 2011 nach einem langen Abstimmungsprozess ihre Richtergesetze weitgehend vereinheitlicht. Durch die nun beabsichtigten Änderungen in zentralen Punkten, insbesondere betreffend die Übertragung eines weiteren Richteramtes, den Wahlmodus im Richterwahlausschuss und die Besetzung des Präsidialrats, verlässt Brandenburg den eingeschlagenen gemeinsamen Weg mit Berlin und setzt sich über seine Verpflichtung aus dem Staatsvertrag hinweg.

Hintergrund ist der vom Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg unter Führung des Ministers Stefan Ludwig (DIE LINKE) Ende letzten Jahres vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes (Landtags-Drucksache 6/10010). Der Entwurf sieht zahlreiche der Sache nach wenig aufsehenerregende, teilweise sogar begrüßenswerte Änderungen vor. So soll z.B. die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung oder Freistellung aus familiären Gründen ausgebaut werden. Bei den Obergerichten ist die Bestellung richterlicher Gleichstellungsbeauftragter vorgesehen. Zudem ist ein „Kontrollgremium IT“ angedacht. Das Richterdienstgericht soll beim Landgericht Cottbus angesiedelt werden, der Dienstgerichtshof beim Brandenburgischen Oberlandesgericht; derzeit sind beide Teil der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Andere Pläne des Ministeriums sind einschneidender:

So sieht § 9a der Entwurfsfassung die Möglichkeit der Beschäftigung von Richtern auch in anderen Gerichtszweigen vor:

Jeder Richterin und jedem Richter kann ein weiteres Richteramt übertragen werden. Ohne Zustimmung der Richterin oder des Richters ist die Übertragung nur zulässig, wenn sie aus dienstlichen Gründen geboten und der Richterin oder dem Richter zumutbar ist.

Das Ministerium verweist hierzu auf § 27 Abs. 2 DRiG, der eine entsprechende Öffnungsklausel enthält. Als „Mittel zur Behebung struktureller Probleme“ solle die Übertragung eines weiteren Amts nach der Entwurfsbegründung ausscheiden. Das verwundert, wenn gleichzeitig ausgeführt wird, die Vorschrift erlaube es, dass „im Einzelfall Belastungsunterschiede ausgeglichen“ würden – entpuppen sich doch vermeintliche Einzelfälle nicht selten als Ausprägung struktureller Probleme.

In einem neuen § 22a des Richtergesetzes sieht der Entwurf Regelungen für ein besonderes Wahlverfahren zur Besetzung eines Richteramts, „mit dem Dienstaufsichtsbefugnisse über Richterinnen und Richter verbunden sind“, vor. Hier soll der mehrheitlich mit Mitgliedern des Landtags besetzte Richterwahlausschuss unter den Bewerbern wählen können und dabei nur eingeschränkt – gemäß den vom Bundesverfassungsgericht für die Wahl der Bundesverfassungsrichter aufgestellten Grundsätzen – an das in Art. 33 GG niedergelegte Prinzip der Bestenauslese gebunden sein. Zudem muss der Justizminister der Wahl zustimmen. Das hält auch der Landesverband Berlin des DRB für sehr bedenklich.

 

Dr. Stefan Schifferdecker / Dr. Udo Weiß