Verlängerung der Lebensarbeitszeit – nach Gutdünken?

Entscheidung der Generalstaatsanwältin in Berlin über Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nur eingeschränkt überprüfbar

Über die (nur) für Beamte – und somit auch Staatsanwälte – bestehende Möglichkeit des Hinausschiebens des Eintritts in den Ruhestand gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes (LBG) ist im VOTUM bereits wiederholt berichtet worden. Nach dieser Vorschrift kann der Eintritt in den Ruhestand auf Antrag des Beamten über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus um jeweils ein Jahr, höchstens bis zur Vollendung des 68. Lebensjahrs, hinausgeschoben werden, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt. Zu den dienstlichen Interessen gehören nach § 38 Abs. 2 Satz 2 LBG auch organisatorische, personelle und fiskalische Interessen.

Der Landesverband Berlin des DRB hatte sich vor einiger Zeit bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung erkundigt, ob es Richtlinien für die Ausübung des Ermessens bei der Bescheidung solcher Anträge gebe. Dies war verneint und im Übrigen auf die vorrangige Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Finanzen verwiesen worden.

Wozu es führt, wenn die oberste Dienstbehörde bei einem für Beamte so entscheidenden Punkt wie der Verlängerung der Lebensarbeitszeit in Bezug auf die Ermessensausübung keine Vorgaben macht, hat sich nun an einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. April 2019 – 26 K 70.19 – gezeigt. Ein Beamter der Staatsanwaltschaft hatte Klage gegen das Land Berlin erhoben, nachdem die Generalstaatsanwältin in Berlin seinen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand abgelehnt hatte. Der unmittelbare Vorgesetzte des Beamten bei der Staatsanwaltschaft hatte den Antrag noch befürwortet. Die Klage ist vorerst erfolglos geblieben.

Das Verwaltungsgericht hat zunächst das Vorliegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht – insbesondere EU-Recht – verneint, soweit das LBG eine Altersgrenze für Beamte vorschreibe. Im Weiteren hat es die Entscheidung der Generalstaatsanwältin in Berlin als nur eingeschränkt überprüfbar angesehen und gebilligt. Das Gericht hat dazu im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

§ 38 Abs. 2 Satz 1 LBG unterscheide zwischen dem dienstlichen Interesse als tatbestandlicher Voraussetzung und dem Ermessen als Rechtsfolge. Insoweit bestehe ein Unterschied zu ähnlichen Regelungen im Beamtenrecht beispielsweise des Bundes oder des Landes Niedersachsen. Zwar unterliege nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg das Bestehen eines dienstlichen Interesses der uneingeschränkten Nachprüfung der Gerichte. Dem könne jedoch in Bezug auf das dienstliche Interesse an dem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nicht gefolgt werden. Denn es sei anerkannt, dass in Bezug auf die Stellenbesetzung die Schaffung, Zweckwidmung und Besetzung in die Organisationsgewalt der Behörde fielen und deren Ausübung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Gleiches müsse für die Entscheidung über das Hinausschieben des Ruhestandseintritts gelten.

Hiervon ausgehend sei die Entscheidung der Generalstaatsanwältin in Berlin nicht zu beanstanden. Das dienstliche Interesse in Bezug auf die Personalwirtschaft bestehe in erster Linie in der Aufgabenerfüllung, also im Dienst durch leistungswillige und -fähige Beamte. Eine Altersgrenze lasse sich nur durch gegenläufige Interessen erklären, die vielfältig sein könnten. Die Aussage, dass kein dienstliches Interesse bestehe, bedeute deshalb, dass die gegen ein Hinausschieben sprechenden Gründe die dafür sprechenden – wie die Leistungswilligkeit und -fähigkeit – überwögen. Das beklagte Land sehe die Funktionsfähigkeit der Behörde durch seine Maßnahmen gesichert und nehme „gleichwohl entstehende Vertretungssituationen hin, um Beförderungsbewerbern Bewährungssituationen zu ermöglichen“. Dass nach § 43 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für Berlin beim Dienst über das 65. Lebensjahr hinaus ein Besoldungszuschlag gewährt werde, wirke nicht auf die Bestimmung des dienstlichen Interesses ein.

Räume man der Behörde eine Einschätzungsprärogative oder einen Beurteilungsspielraum ein, könne die Behörde sich selbst binden – was aber nicht erkennbar erfolgt sei. Insbesondere sei der Rahmen-Dienstvereinbarung Personalmanagement dazu nichts zu entnehmen, so dass offen bleiben könne, ob diese – entgegen der Ansicht des beklagten Landes – auch für Staatsanwälte gelte. Auch das vom Kläger vorgetragene Fehlen eines Personalentwicklungskonzepts führe nicht dazu, dass jede Weiterbeschäftigung im dienstlichen Interesse liege. Die Generalstaatsanwältin in Berlin sei nicht von einem unvollständigen oder sonst fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen; für sachfremde Erwägungen gebe es keinen Anhalt.

Immerhin hat das Verwaltungsgericht die Berufung gegen das Urteil zugelassen, weil es von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zur Nachprüfbarkeit des Bestehens eines dienstlichen Interesses abgewichen ist. Das Berufungsverfahren wird zum Aktenzeichen OVG 4 B 7.19 geführt. Zudem ist beim Oberverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen OVG 4 S 26.19 ein Beschwerdeverfahren anhängig, denn das Verwaltungsgericht hat auch den Antrag auf Erlass einer auf das Hinausschieben des Ruhestandseintritts abzielenden einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Landesverband Berlin des DRB wird den Gang der Verfahren verfolgen und weiter berichten. Zudem wird gerade vor dem Hintergrund des jetzigen Urteils darauf hingewirkt werden müssen, dass den Dienstbehörden klare Vorgaben für die Ermessensausübung bei Entscheidungen nach § 38 Abs. 2 LBG gemacht werden. Es geht nicht an, dass – ohne nachvollziehbare Gründe – erfahrene Staatsanwälte trotz Antrags auf Weiterbeschäftigung pünktlich mit Erreichen des 65. Lebensjahrs in den Ruhestand verabschiedet werden, während Stellen bei der Staatsanwaltschaft Berlin unbesetzt sind.

 

Dr. Udo Weiß