LADG beschlossen – Dienstvereinbarung nicht einmal entworfen

 

Am 4. Juni 2020 hat das Berliner Abgeordnetenhaus das umstrittene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) beschlossen. Das Gesetz gilt für die Berliner Verwaltung, ausdrücklich auch für Gerichte und die Behörden der Staatsanwaltschaft des Landes Berlin, den Verfassungsgerichtshof, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.

Das Gesetz hat in der Landes- und Bundespolitik hohe Wellen geschlagen. Das LADG wird vom Berliner Senat als „das zentrale antidiskriminierungsrechtliche Schlüsselprojekt“ gefeiert, die Opposition und insbesondere die Polizeigewerkschaften sehen darin jedoch einen rücksichtslosen Angriff der Regierenden auf den Öffentlichen Dienst. Grund für die Empörung ist eine Vermutungsregelung zugunsten desjenigen, der eine Diskriminierung durch eine Behörde geltend macht sowie die Schaffung eines Verbandsklagerechts. Kritiker befürchten, es führe zu einer Klagewelle, zu Regressansprüchen gegen Mitarbeiter und stelle die Mitarbeiter der Verwaltung und besonders der Polizei unter Generalverdacht, grundsätzlich und strukturell zu diskriminieren.

Aus unserer Sicht ist das LADG insbesondere ein Kommunikationsgau. Auch wenn einige Kritik deutlich überzogen ist, ist es der zuständigen Senatsverwaltung nicht gelungen, den Öffentlichen Dienst bei der Entscheidungsfindung mitzunehmen. Bedenken der Gewerkschaften und Personalvertretungen wurden viel zu spät ernstgenommen. So konnte sich die Stimmung derart aufschaukeln, dass sogar der Bundesinnenminister das LADG als „im Grunde ein Wahnsinn“ scharf kritisierte. Es wäre die Pflicht der Senatsverwaltung gewesen, Sorgen und Befindlichkeiten des Öffentlichen Dienstes aufzunehmen und besser aufzuklären.

Auf die deutlichen Bedenken der Personalräte schon im Jahr 2018 gab es bis zum Einbringen des Gesetzentwurfes im August 2019 in das Abgeordnetenhaus keine positiven Signale. Erst Anfang September 2019 sagte Senator Dr. Behrendt auf weiteres Intervenieren der Personalvertretungen zu, sich für eine Dienstvereinbarung einzusetzen. Einen Vorschlag des DRB Berlin, den Beschäftigten mit einer beruhigenden Absichtserklärung die Sorgen vor dem Regressrisiko zu nehmen, lehnte die zuständige Senatsverwaltung ab. Die Proteste erreichten zwar eine leichte Erhöhung der prozessualen Hürde. Voraussetzung der Beweislastumkehr ist nun, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die das Vorliegen einer Diskriminierung „überwiegend wahrscheinlich“ machen. Am 4. Juni 2020 wurde das LADG jedoch beschlossen, ohne dass es einen Entwurf einer Dienstvereinbarung gab.

Dass vor Verabschiedung des Gesetzes nicht einmal der Entwurf der vereinbarten und in Eckpunkten abgestimmten Dienstvereinbarung vorgelegt wurde, ist enttäuschend und lässt eine fehlende Sensibilität deutlich erkennen. Es entsteht leider der Eindruck, die Befriedigung des politischen Klientels sei wichtiger, als die Sorgen des Öffentlichen Dienstes. Das hätte nicht passieren dürfen.

Wäre man der Forderung der Personalvertretungen und Gewerkschaften nachgekommen, hätten viele Verunsicherungen, Sorgen und Ängste der Beschäftigten im Vorfeld ausgeräumt werden können. Nun bleiben mit Inkrafttreten des Gesetzes viele Fragen für die Kolleginnen, Kollegen und Dienststellen offen. Diese betreffen die Zuständigkeiten

für die Bearbeitung der zivilrechtlichen Entschädigungsklagen, die Vorbereitung auf die Wirkungen des Beibringungsgrundsatzes, Fragen des Zeugnisverweigerungsrechts, des Verhältnisses zwischen Zeugenpflicht und Regressrisiko, zum Verhalten bei Konfrontation mit einem Diskriminierungsvorwurf und zu Schulungsangeboten.

Derweil bemüht sich die Berliner Senatsverwaltung um Aufklärung und hat auf ihrer Internet-Seite einen Artikel veröffentlicht, der Fragen zu dem neuen Gesetz beantwortet. Es bleibt zu hoffen, dass sich der zuständige Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Behrendt, nach dem politischen Sieg nun denjenigen zuwendet, die sich vom „antidiskriminierungsrechtlichen Schlüsselprojekt“ bedroht sehen – unabhängig davon, ob ihre Befürchtungen berechtigt sind oder nicht.

Dr. Stefan Schifferdecker