Hinausschieben des Ruhestandseintritts – Verwaltung muss für Planbarkeit sorgen

Anträge von Staatsanwälten auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand stehen im Streit

Der gesetzliche Rahmen

Bereits das am 1. April 2009 in Kraft getretene Dienstrechtsänderungsgesetz vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70) hatte mit dem neuen § 38 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG) die Möglichkeit geschaffen, dass Beamte – also auch Staatsanwälte, nicht aber Richter – auf eigenen Antrag über das in § 38 Abs. 1 LBG als Regelaltersgrenze vorgegebene vollendete 65. Lebensjahrs hinaus im Dienst bleiben können. Die Vorschrift im Wortlaut:­­­

Der Eintritt in den Ruhestand kann auf Antrag der Beamtin oder des Beamten, wenn es im dienstlichen Interesse liegt, über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, hinausgeschoben werden, jedoch nicht länger als bis zum vollendeten 68. Lebensjahr. Zu den dienstlichen Interessen gehören auch organisatorische, personelle und fiskalische Interessen. […]“

Ein zusätzlicher Anreiz für eine solche freiwillige Verlängerung der Dienstzeit ist durch das am 1. Juli 2018 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für Berlin und zur Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetzes vom 21. Juni 2018 (GVBl. S. 447) geschaffen worden. Seitdem sieht ein neuer § 43 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für Berlin einen Zuschlag auf die Bezüge während der verlängerten Dienstzeit vor:

Bei einem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach § 38 Absatz 2 des Landesbeamtengesetzes wird ein Zuschlag gewährt. Der Zuschlag beträgt 20 Prozent der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge und ist nicht ruhegehaltsfähig. Er wird gewährt für den Zeitraum, für den der Eintritt in den Ruhestand nach § 38 Absatz 2 des Landesbeamtengesetzes hinausgeschoben wird. […]“

Bei der Bewertung dieser Vorschriften ist zu berücksichtigen, dass mit Ausnahme Berlins alle Länder und ebenso der Bund als Antwort auf die steigende Lebenserwartung – womöglich auch angesichts zunehmender Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung – die Regelaltersgrenze auf die Vollendung des 67. Lebensjahrs angehoben haben, wobei meist Übergangsregelungen für Beamte der Geburtsjahrgänge vor 1963 gelten.

 

Handhabung durch die Justizverwaltung

Wie handhabt die Berliner Justizverwaltung Anträge von Staatsanwälten auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand? Derzeit sind solche Anträge – soweit dem Landesverband Berlin des DRB bekannt – nur Einzelfälle. Das dürfte sich jedoch in den nächsten Jahren ändern, wenn aufgrund der Altersstruktur der Berliner Justiz deutlich mehr Staatsanwälten der Ruhestand unmittelbar bevorsteht.

Mit Schreiben vom 26. März 2019 hat sich daher der Landesverband Berlin des DRB beim Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung erkundigt, ob die Senatsverwaltung oder – als Dienstbehörde – die Generalstaatsanwältin in Berlin Grundsätze für die Ermessensausübung festgelegt hat. Die Senatsverwaltung hat daraufhin am 15. April 2019 mitgeteilt, dass von ihrer Seite (noch) keine Vorgaben gemacht worden seien und auf die nach § 114 Satz 1 LBG für grundsätzliche allgemeine beamtenrechtliche Angelegenheiten bestehende Zuständigkeit des Senatsverwaltung für Finanzen verwiesen. Jene habe mit Schreiben vom 3. April 2019 mitgeteilt, dass die aufgrund eines Antrags zu treffende Entscheidung einzelfallbezogen erginge.

Es versteht sich von selbst, dass über den Antrag eines einzelnen Beamten einzelfallbezogen entschieden wird. Die Frage ist aber doch, welche Umstände unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls bei der Entscheidung stets beachtet und wie sie gewichtet werden, z.B. das Amt, die letzte dienstliche Beurteilung, unbesetzte Stellen. Insbesondere ist von Interesse, ob bei Vorliegen bestimmter Umstände sehr wahrscheinlich antragsgemäß entschieden oder der Antrag abgelehnt werden wird. Nachvollziehbar sind die Entscheidungen der Justizverwaltung erst dann, wenn die für und gegen ein Hinausschieben des Ruhestandseintritts sprechenden Umstände nicht bei jedem Antrag anders gewichtet werden können. Das spricht dafür, die von der Verwaltung stets herangezogenen Gesichtspunkte und deren Gewichtung in einer Dienstanweisung oder ähnlichem zusammenzustellen und diese offenzulegen. Nur so kann der auf die Altersgrenze zusteuernde Beamte die Erfolgsaussicht seines Antrags zumindest grob einschätzen und erhält eine gewisse Planbarkeit für sein Berufs- und Privatleben. Denn angesichts der noch geringen Anzahl von Fällen ist es den Betroffenen nicht möglich, eine „Linie“ bei der Bescheidung von Anträgen zu erkennen.

 

Gerichtliche Überprüfbarkeit

Die Ablehnung des Antrags eines Beamten nach § 38 Abs. 2 LBG durch die Dienstbehörde – für Berliner Staatsanwälte ist dies die Generalstaatsanwältin in Berlin – kann als Verwaltungsakt natürlich gerichtlich angefochten werden.

Dies hatte ein Kollege vor einigen Monaten getan und so eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin erwirkt (Urteil vom 5. April 2019 – 26 K 1719 –; siehe VOTUM 2/2019, Seite 12 f.). Das Verwaltungsgericht hatte die Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Dienstbehörde abgewiesen. Zur Begründung hatte es im Kern ausgeführt, dass es sich bei der Entscheidung über das Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach § 38 Abs. 2 LBG um eine Ermessensentscheidung handele, die in die Organisationsgewalt der Dienstbehörde fiele, deren Ausübung wiederum gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Die Dienstbehörde habe bei der Anwendung des Begriffs des „dienstlichen Interesses“ eine Einschätzungsprärogative oder einen Beurteilungsspielraum, könne sich allerdings – was nicht geschehen sei – selbst binden. Bei Anlegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs sei die Entscheidung der Generalstaatsanwältin im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen eine am selben Tag ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Beschluss vom 5. April 2019 – 26 L 57.19 –) hatte der Kollege Beschwerde erhoben, über die das Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 25. Juli 2019 – 4 S 26.19 – entschieden und darin seine Rechtsansicht auch für ein etwaiges Hauptsacheverfahren zu erkennen gegeben hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die vom erstinstanzlichen Gericht angenommene Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit der Verwaltung bei Personalentscheidungen, die zu einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit führe, bestätigt. Die Prüfung sei darauf beschränkt, ob die Grenzen des Organisationsermessens überschritten oder von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden sei – was hier nicht der Fall gewesen sei.

Zum Begriff des „dienstlichen Interesses“ im Allgemeinen hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass dieser objektiv-rechtlicher Natur sei und nicht durch subjektive Interessen des Beamten mitbestimmt werde. Ein dienstliches Interesse werde insbesondere dann vorliegen, wenn das Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach der Einschätzung des Dienstherrn aus konkreten besonderen Gründen für eine sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung notwendig oder sinnvoll erscheine. Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn die Dienstzeitverlängerung der (Weiter-)Bearbeitung der dem betroffenen Beamten übertragenen Aufgaben gerade durch diesen diene, zur Einarbeitung eines Nachfolgers zumindest sinnvoll sei oder ein geeigneter Nachfolger fehle.

Letztlich ist das Oberverwaltungsgericht ausgehend von seiner dargestellten Rechtsauffassung zu folgender Einschätzung gelangt:

Wird das dienstliche Interesse am Hinausschieben des Ruhestandes eines Beamten danach durch das öffentliche Interesse an der Aufgabenerfüllung der Verwaltung bestimmt, deren Gewährleistung im weiten Organisationsermessen des Dienstherrn steht, wird ein Antragsteller dann, wenn der Dienstherr ein dienstliches Interesse an seiner Weiterbeschäftigung in Abrede stellt, nur in seltenen Fällen ein dienstliches Interesse am Hinausschieben seines Ruhestandes darlegen können. Dies begründet keine verfassungsrechtlichen Bedenken […]. Auch gebietet dieser Befund nicht, den Beamten von seiner nach allgemeinen Regeln bestehenden Darlegungslast zu entbinden.

Geht man von einem eingeschränkt überprüfbaren Organisationsermessen aus, ist dieser Befund folgerichtig. Es ist jedoch zu bedenken: Gerade wenn die Dienstbehörde es unterlässt, die von ihr stets herangezogenen Gesichtspunkte und deren Gewichtung zusammenzustellen und offenzulegen – und sich dadurch zu binden –, versprechen Rechtsbehelfe gegen ablehnende Bescheide keinen Erfolg. Denn den Verdacht einer Überschreitung der Grenzen des Organisationsermessens oder des Gebrauchmachens davon in unsachlicher Weise wird die Dienstbehörde leicht vermeiden können.

 

Ausblick

Die derzeitige Lage ist für die Berliner Staatsanwälte unbefriedigend. Der Landesverband Berlin des DRB wird sich daher weiterhin dafür stark machen, dass die Justizverwaltung die Ausübung des ihr eingeräumten Organisationsermessens durch Offenlegung der dahinter stehenden allgemeinen Erwägungen nachvollziehbar macht. 

Der bisherige Einsatz des Landesverbandes scheint aber nicht ohne Wirkung geblieben zu sein: Die Senatsverwaltung soll unter Beteiligung der Gremien an einer Regelung arbeiten, die die Bescheidung von Anträgen auf Hinausschieben des Ruhestandeintritts betrifft.

Dr. Udo Weiß