Glosse: „Der Präsident, der Präsident, der hat immer Recht“

Und die Moral von der Geschicht? Dienstaufsicht gibt es bei uns (faktisch) nicht.

 

Ein Amtsrichter aus Berlin, nennen wir ihn Kollege Normalo, wähnte sich klug, als er im Zusammenhang mit der ihm erteilten Regelbeurteilung den zuständigen Amtsgerichtspräsidenten, nennen wir ihn Präsident Bequem, gut gemeint darauf aufmerksam machte, dass für das erste Jahr des Beurteilungszeitraums kein Beurteilungsbeitrag aus dem Landgericht herangezogen worden sei z.B. das letzte Zeugnis des Landgerichts über die seinerzeitige Tätigkeit dort. Präsident Bequem fand diesen Einwand gegen die Regelbeurteilung kleinlich, immerhin habe es sich bei der Tätigkeit des Kollegen im Landgericht um etwas völlig anderes gehandelt, weshalb es sich ihm verboten habe, das genannte Zeugnis im Rahmen der Regelbeurteilung zu verwerten.

Kollege Normalo ließ sich dadurch nicht verunsichern. Denn er war fest davon überzeugt: Der Überbeurteilungspräsident werde es richten. Tatsächlich, diesem war zum Glück die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Notwendigkeit der Heranziehung von Beurteilungsbeiträgen im Falle fehlender eigener Wahrnehmungen des Beurteilers bekannt. Merkwürdig war nur die Umsetzung: Im Überbeurteilungsverfahren flatterte dem verdutzten Kollegen Normalo eine „Austauschseite“ ins Haus. Die ursprüngliche Seite der Regelbeurteilung sollte im Gegenzug entfernt werden. Auf der „Austauschseite“ war nun als Beurteilungsbeitrag das letzte Zeugnis des Landgerichts aufgeführt ungeachtet dessen, dass Präsident Bequem dessen Verwertung bei der Erstellung der Regelbeurteilung ausdrücklich abgelehnt hatte. Der Überbeurteilungspräsident, mit dem offenkundigen Widerspruch zwischen dem wahren Verlauf des Beurteilungsverfahrens (ohne Landgerichtszeugnis) und dem davon abweichenden Inhalt der „Austauschseite“ (mit Landgerichtszeugnis) konfrontiert, vertrat die Ansicht, vergleichbar werde mit gerichtlichen Urteilen umgegangen, wenn ein Rechtsbehelf erfolgreich sei. Ach so? Science-Fiction lässt grüßen!

Und was hatte der Vertreter des Dienstherrn, nennen wir ihn Staatssekretär Unbedarft, im Bescheid vom 31.01.2023 dazu zu sagen? Zur Sache: Nichts. Allerdings war er sich sicher, der Überbeurteilungspräsident werde künftig seiner Pflicht nachkommen, auf einen diskriminierungsfreien Umgang mit allen Mitarbeitenden hinzuwirken. Ach so? Na dann! Ergo bibamus!

Und die Moral von der Geschicht? Dienstaufsicht gibt es bei uns (faktisch) nicht. Der Präsident, der Präsident, der hat immer Recht.

Doerthe Fleischer