Disziplinarverfahren wegen kritischer Verbandsäußerung?

 

Die Brandenburgische Justizverwaltung beabsichtigt, gegen einen Landessprecher der Neuen Richtervereinigung einen Verweis zu erteilen. Hintergrund waren kritische Äußerungen des Landesverbandes über die Brandenburger Justizministerin in einer Pressemitteilung, die ein scharf formuliertes Zitat des Landessprechers enthielt. Die Presseäußerung stand in Zusammenhang mit einer Anordnung zur beschränkten Anwendung der im Richtergesetz des Landes Brandenburg vorgesehenen Mitbestimmung der Richtergremien und dem im Nachbarland geführten Streit um die Versetzung von Kollegen der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Die Brandenburgische Justizverwaltung sieht in dem Zitat einen Verstoß gegen das Mäßigungsgebot der das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtige.

Wir sehen das Vorgehen der Justizverwaltung sehr kritisch. Denn die gerügte Äußerung tätigte der Kollege nicht in Ausübung seiner Richtertätigkeit, sondern in seiner Funktion als Sprecher einer berufsständischen Vereinigung. Den Vorwurf, das Zitat in der Pressemitteilung habe das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richterkollegen gefährdet, können wir daher nicht nachvollziehen. Unabhängig von der Frage, ob das Maß der geübten Kritik gerechtfertigt war, darf die Äußerung des Vertreters einer Berufsvereinigung nicht Anlass für ein zielgerichtetes Disziplinarverfahren gegen ihn sein.

Sowohl der Richterrat des örtlichen Gerichts als auch der Gesamtrichterrat haben den jeweiligen Gerichtspräsidenten die Zustimmung zu der geplanten Disziplinarmaßnahme verweigert. Nun verhandeln Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrat sowie das Ministerium der Justiz über die Erteilung des Verweises. Wir werden über den Ausgang berichten.

Dr. Stefan Schifferdecker