Anhörung: Ruhestand freiwillig hinausschieben?

 

Landesverband wirbt für Gleichbehandlung von Staatsanwälten und Richtern

Das Berliner Abgeordnetenhaus ist nach wie vor mit der Frage befasst, ob die für Beamte – und damit auch Staatsanwälte – bereits bestehende Möglichkeit der Verschiebung des Eintritts in den Ruhestand über das 65. Lebensjahr hinaus bei gleichzeitiger Gewährung eines Zuschlages in Höhe von 20 % des Grundgehalts auch für Richter eingeführt werden soll. Die Meinungen dazu gehen auseinander. Am 6. März 2019 führte deshalb auf Antrag der FDP-Fraktion der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses eine Anhörung durch. Ich war für den Landesverband Berlin des DRB als einer der anzuhörenden Experten geladen worden.

In meiner Stellungnahme habe ich für die Gleichbehandlung von Staatsanwälten und Richtern geworben. Ich habe zum einen auf das Ergebnis der Umfrage des Landesverbands im vergangenen Jahr verwiesen, welche eine Befürwortung durch 75 % der teilnehmenden Richterschaft ergeben hatte. Zum anderen habe ich das Interesse der Justiz daran betont, die Erfahrungen leistungsfähiger älterer Kollegen nutzen zu können. Unter Hinweis auf die hervorragende Gesundheitsquote der Richterschaft bin ich Bedenken wegen zu erwartender Krankheitsausfälle entgegengetreten. Mit Blick auf den zuletzt erheblich gestiegenen Durchschnitt der Examensnoten und die gleichzeitig deutliche Absenkung der Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst habe ich Zweifel an der Aussage der Senatsverwaltung geäußert, das Land Berlin habe keine Schwierigkeiten, qualifizierten Nachwuchs zu finden. Ferner habe ich betont, dass zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, die Verlängerung der Arbeitszeit nicht – wie bei Beamten – von einem allgemeinen dienstlichen Interesse abhängig gemacht werden dürfe. Zugleich habe ich darauf hingewiesen, dass die richterliche Unabhängigkeit kein Privileg der Richterschaft sei, sondern dem Schutz der Verfahrensbeteiligten vor staatlichen Eingriffen diene und damit ein wichtiger Bestandteil unseres Rechtsstaats sei.

Gegen die Möglichkeit einer Verlängerung der Dienstzeit hat sich VRiVG Oestmann als weiterer anzuhörender Experte ausgesprochen. Rechtlich beachtlich ist insbesondere sein Hinweis auf das Risiko einer Ungleichbehandlung der 64-jährigen Richter im Vergleich zu den verlängernden 66-jährigen Kollegen infolge der Gewährung eines Zuschlags. Seiner Ansicht nach, fehle es auch an einer Rechtfertigung für den Besoldungszuschlag, wenn bei Richtern – anders als bei Beamten – nicht in jedem Einzelfall ein dienstliches Interesse an der weiteren Beschäftigung erklärt werden müsse. Zudem wies der Kollege Oestmann darauf hin, dass eine entsprechende Gesetzesänderung die Gefahr einer Klageflut berge. Mit dieser Aussicht, dem allgemeinen Verweis auf Unwägbarkeiten bei der Finanzierung und Planung sowie der Befürchtung vermehrter Konkurrentenklagen schien der Kollege durchaus Eindruck bei den Abgeordneten hinterlassen zu haben.

In der sich anschließenden Diskussion der Abgeordneten wurde deutlich, dass gerade die Verknüpfung des Zuschlags von 20 % des letzten Bruttogehalts mit der – zum Schutz der Unabhängigkeit – bedingungslosen Verlängerungsmöglichkeit kritisch gesehen wird. Dass schon jetzt aufgrund der Erfahrungsstufen für gleichen Dienst eine unterschiedliche Besoldung gewährt wird und dass das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand bei Antragstellung nur sechs Monate im Voraus der Justizverwaltung schon mehr Planungssicherheit bringen würde, als derzeit bei Abordnungen, Beförderungen und Stationswechseln von Proberichtern üblich ist, habe ich am Rande angesprochen.

Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Mein Zwischenfazit nach der Anhörung: Eine Verlängerung ohne erklärtes dienstliches Interesse mit einem Zuschlag von 20 % scheint derzeit politisch nicht durchsetzbar zu sein. Eine Verlängerung ohne oder mit geringem Zuschlag (z.B. in Höhe einer weiteren Besoldungsstufe) kommt schon eher in Betracht. Erhebliche Vorbehalte haben die Mitglieder der Fraktionen von SPD und CDU geäußert. Unentschlossen zeigten sich die Abgeordneten der Partei DIE LINKE. Deutlich für die von der Mehrheit der Richterschaft gewünschte Angleichung haben sich die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, AfD und FDP geäußert.

 

Dr. Stefan Schifferdecker