Widerspruch oder sogar Klage?

 

Wer etwaige Ansprüche auf Nachzahlung der Besoldung nicht gefährden möchte, sollte klagen oder seine Klage mindestens um die Ansprüche für das Jahr 2015 erweitern

 

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat mit Rundschreiben vom 8. August 2018 zum Aktenzeichen IV Nr. 33/2018 für das Land Berlin einen (eingeschränkten) Verzicht auf die Einrede der Verjährung von Ansprüchen auf Besoldungsnachzahlungen erklärt. Sie hat jedoch zugleich hervorgehoben, dass darin keine Festlegung zu sehen sei, wie mit einer für das Land Berlin nachteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Amts(un)angemessenheit der Besoldung umgegangen werde. Vielmehr vertritt die Senatsverwaltung die Ansicht, dass in den Genuss einer etwaigen Nachzahlung infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Besoldung nur diejenigen kämen, die auch geklagt hätten. Im Ergebnis ähnlich hatte bereits die damals noch zuständige Senatsverwaltung für Inneres und Sport in ihrem Rundschreiben I Nr. 8/2015 vom 10. Juli 2015 darauf hingewiesen, dass zur Sicherung etwaiger Nachzahlungsansprüche eine verwaltungsgerichtliche Klage erforderlich sein könne.

Die Senatsverwaltung für Finanzen beruft sich für ihre Rechtsansicht auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 – 2 BvL 1/86 –, wonach sich eine Korrektur der Besoldungsregelung für die Jahre vor Feststellung der Verfassungswidrigkeit auf diejenigen Beamten beschränken könne, die den Anspruch auf amtsangemessene Besoldung zeitnah gerichtlich geltend gemacht hätten, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden worden sei (Randnummer 75). Dabei solle eine später eintretende Rechtshängigkeit unschädlich sein, wenn die Klage wegen der für ein erforderliches Vorverfahren benötigten Zeit nicht rechtzeitig habe erhoben werden können.

Nach Ansicht des Landesverbands Berlin des DRB besteht die Kernaussage der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darin, dass ein Beamter nicht „ohne eigenes Zutun nachträglich in den Genuß der Befriedigung eines womöglich jahrelang zurückliegenden Unterhaltsbedarfs“ kommen soll, „den er selbst gegenüber seinem Dienstherrn zeitnah nicht geltend gemacht hat“ – so der Wortlaut der Entscheidung (Randnummer 68). Warum es gerade einer gerichtlichen Geltendmachung bedürfen und ein Widerspruch nicht ausreichend sein sollte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.

Es ist also zu befürchten, dass sich das Land Berlin bei Feststellung einer Verfassungswidrigkeit der Besoldungsvorschriften trotz einvernehmlicher Ruhendstellung der Widerspruchsverfahren und des kürzlich erklärten Verzichts auf die Einrede der Verjährung unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weigern wird, denjenigen Richtern und Staatsanwälten Nachzahlungen zu leisten, die „nur“ Widerspruch eingelegt, jedoch wegen ruhender Widerspruchsverfahren keine Klage erhoben haben. Denn in diesem Fall ist der Grund für das Ausbleiben der Klage gerade nicht die für das Vorverfahren „benötigte“ Zeit, sondern der vorübergehende Verzicht auf eine Bescheidung des Widerspruchs.

Für die Berliner Richter und Staatsanwälte bedeutet das: Wer etwaige Ansprüche auf Nachzahlung der Besoldung nicht gefährden möchte, sollte klagen oder seine Klage mindestens um die Ansprüche für das Jahr 2015 erweitern (da das Vorlageverfahren den Zeitraum bis 2015 umfasst). Zu diesem Zweck muss zunächst um Bescheidung des Widerspruchs gebeten werden. Da das Land einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt hat, ist aber nicht in jedem Fall noch in diesem Jahr die Klageerhebung erforderlich. Die Klage ist natürlich mit einem Kostenrisiko verbunden. Wer auch dieses Risiko scheut, kann das Widerspruchsverfahren weiterhin ruhen lassen und sich mit dem Landesverband Berlin des DRB dafür stark machen, dass für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur Höhe der Berliner Besoldung für verfassungswidrig erklärt, Nachzahlungen an alle Richter und Staatsanwälte für die betroffenen Jahre durch Gesetz vorgeschrieben werden – unabhängig davon, ob Widerspruch eingelegt oder geklagt worden ist.

 

Dr. Patrick Bömeke