VG Berlin: Hauptstadtzulage verfassungswidrig

 

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2023 hat das VG Berlin in einem weiteren Vorlagebeschluss entschieden, dass die in Berlin nur für Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 13 eingeführte so genannte Hauptstadtzulage in Höhe von 150,00 Euro monatlich verfassungswidrig ist. Sie verstößt nach Auffassung des VG Berlin gegen das besoldungsrechtliche Abstandsgebot.

Der Kläger des Verfahrens war nach der Pressemitteilung des VG ein Beamter in einem Berliner Bezirksamt in der Besoldungsgruppe A 14 und später A 15. Mit seiner Klage macht er geltend, der Ausschluss höherer Besoldungsgruppen als A 13 verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das besoldungsrechtliche Abstandsgebot.

Bestehende Besoldungsabstände zwischen den Besoldungsgruppen sind Ausdruck der den Ämtern zugeschriebenen Wertigkeiten. Das besoldungsrechtliche Abstandsgebot untersagt dem Gesetzgeber, ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung des Besoldungsrechts, diesen Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen infolge von Einzelmaßnahmen einzuebnen oder (signifikant) abzuschmelzen.

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts ist der Überzeugung, dass der Berliner Gesetzgeber mit der Einführung der Hauptstadtzulage zum 1. November 2020 gegen das Abstandsgebot verstoßen hat. Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Ausschluss der Beamten der Besoldungsgruppe A 14 von dem Bezug der Hauptstadtzulage führe dazu, dass der Besoldungsabstand zwischen den Besoldungsgruppen A 13 und A 14 in der Erfahrungsstufe 1 vollkommen eingeebnet worden und in den übrigen Erfahrungsstufen signifikant abgeschmolzen sei. Auch der Abstand zwischen den Besoldungsgruppen A 15 und A 13 (mit Amtszulage) werde zu stark verringert. Die Einführung der Hauptstadtzulage sei auch nicht das Ergebnis einer (grundsätzlich zulässigen) Neuordnung des Besoldungsgefüges. Vielmehr werde mit der Hauptstadtzulage nach der Gesetzesbegründung das Ziel verfolgt, Personal für das Land Berlin zu gewinnen bzw. zu halten; die Beschränkung des Empfängerkreises auf Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 13 diene der „sozialen Kappung“.

Die identischen Überlegungen zum Abstandsgebot betreffen auch die R-Besoldung. Auch wir sehen in dem Umstand, dass die R-Besoldeten keinen Anspruch auf die Hauptstadtzulage haben, einen Verstoß gegen besoldungsrechtliche Grundlagen. Die Angemessenheit der Alimentation ergibt sich aber aus dem „Gesamtpaket“, so dass die Nichtgewährung einzelner Besoldungsbestandteile für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unserer Ansicht nach nicht isoliert gerügt werden kann. Aus der Pressemitteilung ergibt sich nicht eindeutig, ob das VG die Alimentation des Klägers nicht geprüft und den Verstoß ausschließlich aus der Nichtgewährung der Hauptstadtzulage abgeleitet hat. Wir sind auf die Urteilsgründe gespannt.

Die Tarifgemeinschaft der Bundesländer hat Berlin übrigens bereits aufgefordert, die Zulage bis spätestens zum 31. Oktober 2025 einzustellen. Ansonsten würde Berlin aus der Tarifgemeinschaft ausgeschlossen.

Nach einem Bericht des Tagesspiegel hat das Land wie gewohnt herablassend reagiert. Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen wird auf Tagesspiegel-Anfrage damit zitiert, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts „zunächst keine unmittelbaren Folgen“ für die Hauptstadtzulage habe. „Das Verwaltungsgericht Berlin hat das Verfahren zur Hauptstadtzulage lediglich ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Insoweit bleibt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.“ Neu ist lediglich der Zusatz, dass die Finanzverwaltung die schriftlichen Gründe des Vorlagebeschlusses sorgfältig prüfen und – soweit erforderlich – im Rahmen der ohnehin geplanten zukünftigen Besoldungsanpassungen berücksichtigen werde. Wer es glaubt ….


Dr. Stefan Schifferdecker