Berlin nimmt Vorlageentscheidung „zur Kenntnis“ – BVerfG prüft

 

Gemeinsam mit der Vereinigung der Berliner Staatsanwälte und dem Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter in Berlin e.V. haben wir den Finanzsenator angeschrieben. Anlass waren die Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlins an das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Berliner R-Besoldung in den Jahren 2016 und 2017. Wir haben eine baldige Umsetzung eines Reparaturgesetzes gefordert und die lediglich streitgegenstandsbezogene Reparatur der Besoldung für die Jahre 2009 bis 2015 gerügt. Wir haben auf den Rechtsstaatsbericht 2023 der Europäischen Kommission verwiesen, in welchem die Kommission unter anderem erneut eine Verbesserung der Besoldung von Richterinnen und Richtern in der Bundesrepublik Deutschland fordert. Wir haben deutlich kritisiert, dass im Koalitionsvertrag vereinbart ist, nur auf ausdrückliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und nur zur A-Besoldung ein Reparaturgesetz umzusetzen.

Nach einer Antwort des Staatssekretärs Wolfgang Schyrocki hat das Land für unsere Kritik Verständnis. Durch die Finanzverwaltung sei die Vorlage des VG Berlin an das BVerfG zur Kenntnis genommen worden. Derzeit stehe noch die seit langem erwartete Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsgemäßheit der A-Besoldung im Land Berlin aus. Es sei angedacht, im Anschluss an die Entscheidungsveröffentlichung auch diejenigen Besoldungsgruppen und Haushaltsjahre auf ihre Verfassungsgemäßheit zu prüfen, die bislang nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem BVerfG waren. Ein Gesetzgebungsverfahren zur Korrektur bezüglich einzelner Besoldungsgruppen und Haushaltsjahre sei jedoch vor Veröffentlichung der ausstehenden BVerfG-Entscheidung bereits aus verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll.

Dem Senat sei bewusst, dass insbesondere der Besoldung eine entscheidende Rolle für die Nachwuchsgewinnung zukomme. In den Richtlinien der Regierungspolitik sei vereinbart, innerhalb der nächsten fünf Jahre die Besoldung der Beschäftigten auf das Bundesgrundniveau anzuheben. Dies gelte auch für die beamteten Dienstkräfte und Richterinnen und Richter, die nach der R-Besoldungsordnung besoldet werden. Damit werde ein bedeutsamer Anstieg der uns gewährten Besoldung verbunden sein. Der Senat sei zuversichtlich, dass die Attraktivität des Landesdienstes durch diese Maßnahme gesteigert werde und das Land Berlin hierdurch im Wettbewerb um hoch qualifiziertes juristisches Nachwuchspersonal einen Vorteil erlange.

Uns hat der Brief enttäuscht. Das Land drückt erneut nicht einmal Bedauern darüber aus, dass ein Gericht ihm einen Verfassungsverstoß nachweist. Erneut versteckt sich die Finanzverwaltung hinter einer künftigen Entscheidung des BVerfG und setzt auf Zeit sowie Inflationsverluste der Besoldungs- und Pensionsempfänger. Die Pläne der Koalition zur Angleichung an das Besoldungs-grund(!)-niveau sind zwar erfreulich. Jedoch hätte die erneute Vorlageentscheidung des VG Berlin Anlass für eine deutliche Positionierung der neuen Verwaltungsspitze zum schäbigen Umgang des Landes mit uns in den vergangenen Jahren sein können. Jedoch scheint sich auch unter dem neuen Finanzsenator die „Denke“ der Finanzverwaltung nicht geändert zu haben. Frustrierend!

Dennoch lassen wir uns davon nicht bremsen. Wir begleiten die Besoldungsverfahren vor dem BVerwG und dem Bundesverfassungsgericht weiter aktiv. Im Karlsruhe sind derzeit mehr als 50 Vorlageverfahren zur Besoldung von Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richtern anhängig. Die nur selektive Umsetzung der Besoldungsentscheidungen durch das Land Berlin ist in Karlsruhe bekannt und wird sind gespannt zu erfahren, wie auf die Respektlosigkeit gegenüber dem Verfassungsgericht reagiert werden wird. Der 2. Senat wird jedoch erst im Dezember 2023 wieder voll besetzt sein. Nach unseren Informationen stehen die Entscheidungen zur Berliner Besoldung aber weit oben auf der Agenda.

 

Dr. Stefan Schifferdecker