Die Senatsverwaltung für Finanzen hat den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2022 und zur Änderung weiterer Vorschriften (BerlBVAnpG 2022) vorgelegt.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das – bekanntlich eher enttäuschende – Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder vom 29. November 2021 auf die beamteten Dienstkräfte sowie die Richterinnen und Richter übertragen. Dementsprechend sieht der Gesetzentwurf vor, die Besoldungs- und Versorgungsbezüge der beamteten Dienstkräfte, der Richterinnen und Richter sowie der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes Berlin sowie der Stellenzulagen um 2,8 Prozent ab 1. Dezember 2022 zu erhöhen. Daneben werden auch die Erhöhungsbeträge für die Familienzuschläge der Stufen 2 und 3 in den unteren Besoldungsgruppen (A 5 bis A 8) und die Familienzuschläge ab Stufe 4, d.h. bei kinderreichen Familien, in allen Besoldungsgruppen zum selben Stichtag neu festgesetzt.
Die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses erfolgt – soweit ersichtlich – auch in den anderen Ländern und entspricht damit grundsätzlich der Festlegung im Koalitionsvertrag der Landesregierung, die Besoldung- und Versorgung auf dem durchschnittlichen Niveau der übrigen Bundesländer zu halten.
Der 222 Seiten lange Entwurf setzt sich mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Mai 2020 (Az.: 2 BvL 4/18; 2 BvL 6/17 u.a.) auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass die dort aufgestellten Anforderungen an eine verfassungsgemäße Alimentation gegeben seien. Angesichts der aktuell erheblichen Inflation wird zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen sein, ob dies tatsächlich der Fall ist. Im Zeitraum April 2021 bis März 2022 sind die Verbraucherpreise in Berlin um 7,9 % gestiegen (https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/m-i-2-m) und die Inflation ist aktuell ungebrochen. Die faktische „Nullrunde“ des Jahres 2021 wird daher zu erheblichen Reallohnverlusten führen. Ob hierdurch die Berliner Besoldung (erneut) die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschreitet, wird man abschließend erst beantworten können, wenn die Verbraucherpreis- und Nominallohnindizes für die Jahre 2021 und 2022 veröffentlicht werden. Auch wird weiter genau zu beobachten sein, wie sich die Gehälter vergleichbarer Beschäftigtengruppen in der Privatwirtschaft entwickeln. Im Ergebnis werden wir aber nach der Besoldungserhöhung im Dezember 2022 weniger für unser Geld kaufen können als im Januar 2021.
Besonders hart trifft es die Pensionäre. Während für die aktiven Dienstkräfte im März 2022 die sog. „Coronaprämie“ gezahlt wurde, erhalten die Pensionäre (und die zum gesetzlichen Stichtag nicht im Dienst befindlichen Kolleginnen und Kollegen) von Januar 2021 bis Dezember 2022 keinen Teuerungsausgleich.
„Starken Tobak“ enthält der Gesetzesentwurf bei den familienbezogenen Bestandteilen. Sowohl die in den unteren Besoldungsgruppen der A-Besoldung gewährten Erhöhungsbeträge auf den Familienzuschlag für das erste und zweite Kind wie die Familienzuschläge für kinderreiche Familien werden – nachdem sie erst zum 1. Januar 2021 erhöht worden waren – nunmehr erheblich abgesenkt.
Im Ergebnis erhalten Kolleginnen und Kollegen mit mehr als zwei Kindern ab Dezember 2022 eine Alimentationskürzung für die Kinder.
Die Begründung für diesen Rückwärtssalto des Gesetzgebers ist äußerst dürftig. Zwar nehme der Familienzuschlag als Besoldungsleistung mit alimentativem Charakter grundsätzlich an der linearen Erhöhung der Bezüge teil, dies gelte jedoch nur für den Familienzuschlag der Stufen 1 bis 3. Der Familienzuschlag der Stufe 4 sowie der Stufe 5 und höher werde auf Grundlage des Beschlusses 2 BvL 6/17 u.a. des BVerfG vom 4. Mai 2020 gesondert festgelegt.
Der Gesetzesentwurf geht von einem zusätzlichen Bedarf für das dritte Kind i.H.v. 441,64 EUR netto und von 366,07 EUR netto für jedes weitere Kind aus. Die Verminderung der Bruttobeträge sei aufgrund von Änderungen im Steuerrecht zulässig. Ausweislich der Gesetzesbegründung seien für die Ermittlung des hierfür brutto zu gewährenden Familienzuschlags die Dienstbezüge einer nach B 5 besoldeten Dienstkraft zu Grunde gelegt worden, was dazu führe, dass Dienstkräfte in den unteren Besoldungsgruppen auf Grund des im Vergleich geringeren Steuersatzes netto deutlich mehr als den ermittelten Mindestbetrag zur Verfügung hätten, die zusätzlichen Nettobedarfe aber in allen Besoldungsgruppen erreicht würden.
Die inhaltliche Richtigkeit der Berechnungen der Finanzverwaltung konnten wir noch nicht abschließend prüfen, werden hierzu aber noch Stellung nehmen. Ebenso wird zu prüfen sein, ob die Absenkung der Familienzuschläge unter dem Aspekt des relativen Normbestandsschutzes Bestand haben kann. Auch jenseits der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation genießt die Alimentation nämlich Schutz. Der Gesetzgeber darf Kürzungen oder andere Einschnitte in die Bezüge nur vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Ob die Neuberechnung der Steuerbelastungen, d.h. das Zurückrechnen auf die zu gewährende Bruttoalimenation, willkürlich verändert werden kann, scheint fraglich. Zumal der Bundesgesetzgeber mit der Änderung des Steuerrechts wohl eine Entlastung größerer Familien für angezeigt hielt. Das Bemühen, Ausgaben zu sparen, kann jedenfalls nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden. Auch hierzu werden wir noch gesondert Stellung nehmen.
Dr. Patrick Bömeke