Der Landesverband Brandenburg im Deutschen Richterbund hat in einem offenen Brief und mit scharfen Worten die Besoldung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter kritisiert. Im Oktober habe es auf 13 offene Stellen gerade einmal drei Bewerbungen gegeben, von denen nur zwei Bewerber für geeignet gehalten und eingestellt wurden, hat die Landesvorsitzende Katrin Ryl mitgeteilt. Bis zum Sommer seien noch leidlich Bewerberinnen und Bewerber gefunden worden, nachfolgend sei der „Markt“ komplett eingebrochen.
Der Landesverband kritisiert – auch unter Verweis auf das schlechte Zeugnis für Deutschland nach dem EU-Rechtsstaatsbericht – die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der Brandenburger Besoldung zur Anwaltschaft, zum Land Berlin und zum Bund. In Bezug auf das Einkommen hat die Richterschaft längst den Anschluss an die Anwaltschaft verloren. Alleinstehende Berufseinsteiger erhalten ein Jahreseinkommen von 57.000 Euro brutto. Dagegen zahlen Großkanzleien in Berlin sechsstellige Beträge, nicht selten 150.000 Büro für hoch qualifizierte Berufsanfänger. Selbst der Präsident des Brandenburger Oberlandesgerichts erhält nur 136.000 Euro. Der Dienst in der Staatsanwaltschaft und den Gerichten des Landes Brandenburg sei für Absolventen völlig unattraktiv geworden. Aufgrund des hohen Nachwuchsmangels drohe ein Qualitätsverlust.
Der Landesverband Brandenburg fordert, die Grundbezüge für Richter und Staatsanwälte um mindestens 25 Prozent zu erhöhen, etwa um 1.200 Euro für Berufsanfänger. Denn der Bedarf an juristischem Nachwuchs sei gewaltig. 450 der 1100 im Land aktiven Kolleginnen und Kollegen gehen bis 2032 in den Ruhestand.
Der Landesverband schreibt zusammenfassend: „Jedenfalls im Bereich der R-Besoldung besteht dringender Handlungsbedarf, der deutlich über die Frage der zeit- und wirkungsgleichen Übernahme des zu erwartenden Tarifergebnisses für den öffentlichen Dienst der Länder hinausgeht. Die begründeten Mahnungen aus Brüssel und Karlsruhe wie auch der eigenen Bediensteten können nicht länger ignoriert werden. Im Hinblick auf die Besoldung der Brandenburger Richter und Staatsanwälte ist ein echter finanzieller Anreiz notwendig, der sich deutlich von den Angeboten der anderen Bundesländer sowie des Bundes abhebt und die Justiz im Vergleich zur freien Wirtschaft wieder konkurrenzfähig macht. Dem Land Brandenburg bietet sich jetzt die Chance, die Missstände und schwerwiegenden Versäumnisse aus der Vergangenheit zu beseitigen. Anderenfalls steuert die Justiz sehenden Auges kurzfristig in eine Krise, deren Auswirkungen kaum mehr beherrschbar sein werden. Vielleicht stellt sich gerade mit Blick auf die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage endlich die Einsicht ein, dass eine starke Justiz auch ein echter Standortvorteil ist.“
Der offene Brief ist abzurufen unter https://www.drb-brandenburg.de/fileadmin/Landesverband-Brandenburg/Dokumente/Stellungnahmen/2022/Offener_Brief_Deutscher_Richterbund_LV_Brandenburg_zur_Besoldung.pdf
Mit dem Brandbrief haben die Kolleginnen und Kollegen im Nachbarland einen Nerv getroffen und sind auf offene Ohren gestoßen. Die Legal Tribune Online berichtete in einem längeren Artikel, der Beck Newsletter gab die Forderung wieder und auch die MAZ stellte kritisch die Besoldungslage und ihre besorgniserregende Folge für die Nachwuchsgewinnung dar. Lediglich das Potsdamer Ministerium gab sich weiter optimistisch und verwies auf Nachfrage der MAZ auf verstärkte Bemühungen zur Nachwuchsgewinnung. Mittlerweile könne sich ohne Prädikatsexamen auf eine Richterstelle mit Aussicht auf Erfolg bewerben, wer gute IT-Kenntnisse, Berufserfahrung, vertiefte Sprachkenntnisse, gute Beurteilungen im Referendariat oder sonstige
"besondere persönliche Fertigkeiten" besitze, was aber keinen Qualitätsverlust darstelle.
Dr. Stefan Schifferdecker