Entscheidend is‘ auf’m Platz… sprach einst Adi Preißler. Für den Fußball mag diese legendäre Sentenz noch Gültigkeit haben, für die Besoldung nach den jüngsten Reformen vieler Besoldungsgesetzgeber wohl eher nicht mehr
Entscheidend is‘ auf’m Platz… sprach einst Adi Preißler. Für den Fußball mag diese legendäre Sentenz noch Gültigkeit haben, für die Besoldung nach den jüngsten Reformen vieler Besoldungsgesetzgeber wohl eher nicht mehr
Entscheidend is‘ auf’m Platz… sprach einst Adi Preißler. Für den Fußball mag diese legendäre Sentenz noch Gültigkeit haben, für die Besoldung nach den jüngsten Reformen vieler Besoldungsgesetzgeber wohl eher nicht mehr. Hier gilt jetzt – um im Jargon des Ruhrgebiets zu bleiben – vielmehr: „Entscheidend is‘ inne Kiste“, oder (frei nach Wolfgang Neuss): „Heut‘ mach‘ ich mir kein‘ Abendbrot, heut‘ mach‘ ich mir Gedanken (über die Berufs- und Familienplanung)!“ Familienbezogene Besoldungsbestandteile gestalten das Besoldungsgefüge grundlegend um.
Seit Jahrzehnten ist es geübte Praxis der Besoldungsgesetzgeber, die obere Hälfte der Besoldungsgruppen bei anstehenden Besoldungsrunden schlechter zu behandeln als den sprichwörtlichen „kleinen Beamten“. Hebel sind insofern insbesondere die Erhöhung um feste Sockelbeträge sowie die unterschiedliche Behandlung bei der Jahressonderzahlung oder bei Zulagen. Die grundlegende Entscheidung des BVerfG zur Richterbesoldung aus dem Jahr 2015 (Urteil vom 5.5.2015 – 2 BvL 17/09 u.a., NJW 2015, 1935) gab vielen Beobachtern zunächst Anlass zur Hoffnung, dass dieser schleichenden Entwertung der Besoldung des höheren Dienstes nunmehr etwas entgegengesetzt werden könne. Stuttmann (NVwZ 2015, 1007) etwa kommentierte die damalige Entscheidung dahin, dass „durch den internen Vergleich der hierarchisch gestuften Besoldungsgruppen (…) das BVerfG der verfassungsrechtlich unhaltbaren Tendenz einen Riegel vorschiebt, die Besoldung wie eine Sozialleistung zu behandeln, deren Höhe nach Bedürftigkeit bemessen“ werde.
Acht Jahre später muss man konstatieren, dass dieser Tendenz nicht nur kein Riegel vorgeschoben wurde, sondern im Gegenteil vorgeblich „soziale“ Komponenten mehr denn je über das Wohl und Wehe bei der Besoldung entscheiden. Berlin hat hier früh „kreative Wege“ beschritten. Zu nennen sind insbesondere die Einführung einer inversen (im SenFin-Jargon: „sozial gestaffelten“) Sonderzahlung, die Ausklammerung des gesamten höheren Dienstes (mit Ausnahme der nach A13 besoldeten Dienstkräfte, d.h. vornehmlich der Lehrerinnen) bei der Hauptstadtzulage und die Stauchung der Tabellen durch Streichung der Besoldungsgruppe A4.
Befeuert wird diese Entwicklung seit der Entscheidung des BVerfG zur Berliner Richterbesoldung (Beschl. v. 4.5.2020 – 2 BvL 4/18, NVwZ-Beilage 2020, 90) nunmehr noch durch eine Fokussierung auf die Anhebung familienbezogener Besoldungsbestandteile. Bekanntlich hatte das BVerfG festgestellt, dass der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau in den Jahren 2009 bis 2015 „durchgehend für die jeweils unterste Besoldungsgruppe bei weitem unterschritten“ wurde (BVerfG, a.a.O., Rn. 140). Hintergrund ist das sog. Mindestabstandsgebot, nachdem die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) mindestens 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen muss (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47). Das BVerfG ist insofern davon ausgegangen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann und die vierköpfige Alleinverdienerfamilie demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße ist. Das BVerfG hat aber seine aus früheren Entscheidungen bekannte Linie bestätigt, dass die Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum haben, wie sie bei der Festsetzung der Bezüge den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung tragen. Ausdrücklich wurde festgestellt, dass insofern neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht komme (BVerfG, a.a.O., Rn. 49). Diesen vom BVerfG zugespielten Ball haben die Besoldungsgesetzgeber im Bund und in den Ländern dankbar aufgenommen und feiern aktuell regelrechte Orgien der Familienfreundlichkeit. Offenbar wird die Entscheidung zur Berliner Richterbesoldung von ihnen nicht als Appell verstanden, endlich für eine amtsangemessene Besoldung zu sorgen, sondern nur als Gebrauchsanleitung für das durch familienpolitische Hymnen orchestrierte „Kleinrechnen“ auf ein möglicherweise gerade noch verfassungsgemäßes Salär.
Die Verwerfungen, zu welchen die Behandlung der Alimentation als Sozialleistung im Besoldungsgefüge führt, lassen sich beispielhaft an den jüngsten Gesetzesänderungen in Nordrhein-Westfalen veranschaulichen.
Durch das Gesetz zur Anpassung der Alimentation von Familien sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften hat das Land Nordrhein-Westfalen die Familienzuschläge für das erste und zweite Kind ab dem 1. Dezember 2022 deutlich erhöht. Neu ist bei den Regelungen die Abhängigkeit des jeweiligen Zuschlags von der Mietenstufe der Gemeinde am melderechtlichen Hauptwohnsitz der Anspruchsberechtigten. Wer also in einer Gemeinde mit höheren Wohnkosten residiert, bekommt höhere Zuschläge. Allein der Ergänzungszuschlag beträgt hierbei bis zu 554 Euro monatlich pro Kind. Dies bringt das Besoldungsgefüge vollständig aus den Fugen und zeigt, dass die Alimentation inzwischen primär als Sozialleistung verstanden wird. Hierzu einige Beispielrechnungen:
In Düsseldorf oder Köln (Mietenstufe VI) bekommt künftig ein verheirateter Wachtmeister (A 5) mit sechs Kindern in der Endstufe 7.750,02 Euro brutto im Monat zuzüglich 1.500,- Euro Kindergeld. Er kommt somit auf ein Brutto-Monatseinkommen von 9.250,02 Euro. Bei vier Kindern beliefen sich die Bezüge (einschließlich Kindergeld) immerhin noch auf 7.103,12 Euro und bei zwei Kindern auf 4.924,23 Euro. Eine ledige und kinderlose Richterin (R1) am selben Gericht kommt in der Eingangsstufe auf gerade einmal 4.688,58 Euro, in der Endstufe auf 7.231,45 Euro brutto im Monat. Die Monatseinkünfte eines Justizwachtmeister mit sechs Kindern liegen damit etwas über der Grundbesoldung der Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts (R4, 9.158,52 Euro).
Schaut man auf die gesamte Aktivbesoldung während einer typischen Laufbahn, ergeben sich ebenfalls frappierende Ergebnisse. Ein verheirateter Wachtmeister, der nach Hauptschulabschluss und Ausbildung mit 18 Jahren in den Dienst eintritt und mit 19 Jahren, 21 Jahren, 23 Jahren und 26 Jahren jeweils Vater wird, erhält bei unterstellt 25jährigem Kindergeldbezug bis zum 67. Lebensjahr eine Gesamtvergütung (einschließlich Kindergeld) in Höhe von 3.013.262,76 Euro. Eine unverheiratete und kinderlose Richterin (R1), welche mit 29 Jahren den Dienst aufnimmt, käme auf eine Gesamtvergütung von 3.030.748,91 Euro, mithin in etwa denselben Gesamtbetrag. Der Wachtmeister hätte aber bis zum 43. Lebensjahr, in dem die Richterin erstmals mehr verdienen wird als er, in Summe bereits 972.918,12 Euro mehr verdient als diese. Wer die Grundsätze der Diskontierung und der Zinseszinsrechnung beherrscht, kann die Bedeutung dieser Zahl erahnen.
Auch beim Binnenvergleich innerhalb der R-Besoldung zeitigt die schöne neue Welt der „sozialen Alimentation“ interessante Ergebnisse. Die Amtsrichterin (R1, Endstufe) mit vier Kindern erhält 11.188,15 Euro und damit deutlich mehr als der kinderlose und unverheiratete Generalstaatsanwalt (R6, 10.275,49 Euro). Bei sechs Kindern käme die R1-Dienstkraft auf 13.269,67 Euro und ließe damit auch die spitzenbesoldete Präsidentin des Oberlandesgerichts (R8, 11.353,20 Euro) merklich hinter sich, sofern diese denn auf Heirat und Kinder verzichtet hat.
Der Irrwitz dieser staatlichen Prämierung bzw. Bestrafung höchstpersönlicher Lebensentscheidungen wird aber erst in voller Schönheit sichtbar, wenn man sich klarmacht, dass die familienbezogenen Besoldungsbestandteile zwar wie eine Sozialleistung aussehen, aber eben keine sind. Anders als eine echte Sozialleistung sind sie nämlich nicht von der tatsächlichen Bedürftigkeit abhängig. Der mit einer wohlhabenden Zahnärztin verheiratete Wachtmeister erhält sie ebenso wie die Richterin, die mit einem selbständigen und gutverdienenden Handwerksmeister eine Familie gegründet hat.
Wer jetzt einwendet, dass diese Verwerfungen eben Ausdruck des Alimentationsprinzips und daher zu akzeptieren seien, springt zu kurz. Dieses „verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren“ (BVerfG, a.a.O., Rn. 23). Es verpflichtet ganz sicher nicht dazu, die familienbezogenen Besoldungsbestandteile zum eigentlichen Kern der Besoldung zu machen.
Dr. Patrick Bömeke