Von Hühnerfüßen und Internet-Gerichten

Der Deutsch-chinesische Richteraustausch bietet allen interessierten Richterinnen und Richtern die Chance, eine Gesellschaft und Justiz zwischen Tradition und High-Tech kennenzulernen und auch persönliche Kontakte ins Land der Mitte zu knüpfen. Doch leider steht das überaus erfolgreiche Projekt vor einer ungewissen Zukunft. Dr. Daniel Schneider berichtet.

 

Wer als Europäer heute China besucht, erlebt ein Land zwischen ungewohnten Extremen: Knapp 1,4 Milliarden Menschen, die ein riesiges Land bewohnen – teils auf sehr engem Raum, teils in nahezu menschenleeren, unwegsamen Gegenden. Nahezu unberührte Wälder und weite Steppe in der Inneren Mongolei, unvorstellbarer Verkehr und dichter Smog in Beijing. Ein Justizsystem, in dessen Gerichtsverhandlungen 2.500 Jahre alte konfuzianische Weisheiten zum Besten gegeben werden – und die zugleich sämtlich für jedermann zugänglich im Internet übertragen werden. Und nicht zuletzt: das ein oder andere nach unseren Maßstäben gewöhnungsbedürftige Gericht auf dem Teller, wie Hühnerfüße, Quallensalat oder Omelett mit Ameisen.

 

  

Eine traditionsreiche Kooperation

Im Juni 2018 nahm ich gemeinsam neun Kolleginnen und Kollegen aus Berlin und Brandenburg auf Einladung der Robert Bosch Stiftung und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an einem Austauschprogramm teil, das auf eine beachtliche Geschichte zurückblicken kann: Bereits seit 1986 berät die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Volksrepublik China im Rahmen des Transformationsprozesses hin zu einem Rechtsstaat. Seit 2013 reisen – inzwischen im Zweijahresrythmus – regelmäßig Richterinnen und Richter aus Berlin und Brandenburg in ihre chinesischen Partnerprovinzen, und im jeweiligen Folgejahr sind chinesische Kolleginnen und Kollegen bei uns zu Besuch. Ziel ist es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beider Länder Einblicke in die Rechtspraxis des Gastlandes sowie ein Bild von der Stellung des Richters in Staat und Gesellschaft zu vermitteln und darüber hinaus zur Völkerverständigung beizutragen.Im Vordergrund der Besuche stehen moderierte Workshops, in denen die chinesischen und deutschen Richterinnen und Richter im Rahmen von Vorträgen die praktische Fallbearbeitung und die Rechtsanwendung im richterlichen Alltag sowie das richterliche Selbstverständnis und berufsethische Fragen diskutieren. Besuche von Gerichten – insbesondere auch Gerichtsverhandlungen – und anderen Justizinstitutionen, aber auch gemeinsame Freizeitaktivitäten runden den Besuch ab.

 

Geballtes Programm

In Beijing begrüßten uns nicht nur unsere sehr freundlichen und hilfsbereiten Gastgeber von der GIZ, die uns teilweise gemeinsam mit unserem bewundernswert ausdauernden Fachdolmetscher auf unserer Reise durch die Volksrepublik begleiten sollten, sondern auch nur schwer erträgliche Temperaturen von bis zu 41 Grad.

In den folgenden zehn Tagen bereisten wir sieben verschiedene Städte in zwei Provinzen, legten über 4.000 Kilometer zurück und übernachteten nahezu jeden Abend in einem anderen Hotel. Flugverspätungen, -ausfälle und ungeplante Zugreisen führten mitunter dazu, dass wir erst gegen 2 Uhr morgens im Hotel ankamen, am nächsten Morgen um kurz nach 8 aber schon wieder auschecken mussten, um uns auf den Weg zum nächsten Gericht zu machen. Unbeschadet dessen kann man die Organisation der Reise in jeder Hinsicht nur als großartig und nahezu perfekt hervorheben.

Von Beijing aus führte uns der Weg zunächst in die Autonome Region Innere Mongolei, eine riesige, langgestreckte und zugleich dünn besiedelte Provinz an der Nordgrenze Chinas zum Staat Mongolei. Neben der Herzlichkeit unserer Gastgeber und den sehr üppigen kulinarischen Genüssen fiel hier die Gleichberechtigung von Mann und Frau besonders positiv auf, die in der Inneren Mongolei kulturell tief verankert zu sein scheint. Beförderungsämter werden hier gleichermaßen von weiblichen wie von männlichen Kollegen eingenommen. Beeindruckend war auch die Schönheit der großteils noch unberührten Natur, die nicht nur aus Wüste und Steppe besteht, sondern auch aus weitem Grasland und dichten Wäldern.

 

Im starken Kontrast hierzu stand der zweite Teil der Reise, der uns in die Küstenprovinz Shandong führte. Auf einer Fläche, die nur etwas mehr als das Doppelte Bayerns umfasst, drängen sich fast 100 Millionen Menschen. Die hierzulande nahezu unbekannte Provinzhauptstadt Jinan ist mit knapp sieben Millionen Einwohnern etwa doppelt so groß wie Berlin – Tendenz steigend. Auf der etwa halbstündigen Fahrt vom Flughafen in das Stadtzentrum kommt der staunende Besucher an sicherlich hunderten, wenn nicht gar tausenden Hochhäusern im Rohbau vorbei. Auch in Sachen Infrastrukturentwicklung lautet das Motto „Klotzen statt Kleckern“: Im Eiltempo werden neue Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge quer durchs Land gebaut, und überall sind Autobahnen in einem Spitzenzustand anzutreffen. Wer hier reist, dem drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf: Hier, in Fernost, liegt die Zukunft.

Natürlich bleibt diese rasante Entwicklung nicht ohne Nachteile: Die Folgen für die Umwelt sind unübersehbar, auch wenn man in Gesprächen mit unseren Gastgebern den Eindruck gewinnen konnte, dass sich in China langsam so etwas wie ein Umweltbewusstsein entwickelt und ein Umdenken einsetzt. Zwar gibt es in Jinan, wie in Beijing auch, viel Smog, aber nicht in dem Maße, wie von uns erwartet – die Abschaltung vieler Kohlekraftwerke zeigt offensichtlich Wirkung. Zudem überrascht die Stadtplanung mit breiten Boulevards und unglaublich viel Grün; die Stadt ist in weiten Teilen ein einziger blühender Garten.

Auch kulinarisch zeigen sich lokale Besonderheiten: Dominieren in der Inneren Mongolei fleischlastige Gerichte, insbesondere viel Lamm, spielen in Shandong dank der Nähe zur See naturgemäß Fisch und Meeresfrüchte eine dominante Rolle. Überall wurden wir hervorragend bewirtet, und die eingangs erwähnten für uns exotischen Gerichte wie Ameisen (schmecken übrigens leicht säuerlich), Hühnerfüße (recht knorpelig) und Quallen (ziemlich geschmacklos, soweit man sie nicht in Sauce tunkt) bildeten ein mehr oder minder verlockendes Angebot für Neugierige, ohne gleich zur obligatorischen Sättigungsbeilage erhoben zu werden

 

Fremdes und Vertrautes – und eine Justiz auf der digitalen Überholspur

So ungewohnt und fremdartig manches an der chinesischen Kultur auf uns wirkte, so überraschend waren auch einige Aspekte des Justizsystems, wobei das eine sicher nicht ohne Einfluss auf das andere geblieben ist. Ins Auge fiel uns insbesondere ein ausgeprägtes Hierarchiebewusstsein der Richterinnen und Richter untereinander. Die Rangfolge ist ganz eindeutig festgelegt, was insbesondere in der Sitzordnung, aber auch in der Rollenverteilung auf chinesischer Seite zum Ausdruck kam.

Eine weitere Auffälligkeit: Die weit vorangeschrittene Digitalisierung der chinesischen Justiz. Hier ist China uns in jeder Hinsicht weit voraus. Jede öffentliche Gerichtsverhandlung wird für jedermann frei zugänglich im Internet übertragen. Hierzulande häufig dagegen geäußerte Bedenken wie z.B. eine die Resozialisierung beeinträchtigende Prangerwirkung kennt man dort nicht. Zudem wird ganz offen kommuniziert, dass die Übertragung nicht nur der Transparenz, sondern auch der Überwachung der Richterinnen und Richter dient – ein Ansatz, der bei uns auf starken Widerstand stoßen dürfte.

Auch der Bereich Legal Tech ist in China auf dem Vormarsch: Wer sich etwa scheiden lassen möchte, kann in der Eingangshalle des Oberen Volksgerichts von Shandong (vergleichbar mit einem Oberlandesgericht in Deutschland) auf einem Touchscreen ein paar Schlüssel-informationen zu seiner familiären und finanziellen Situation eingeben und erhält sofort automatisiert eine Ersteinschätzung, wie es um seine Chancen auf Unterhalt oder entsprechende Verpflichtungen bestellt ist. Eine andere Innovation auf diesem Feld ist im Strafrecht anzutreffen: So kann jeder Strafrichter die Urteilsdatenbank der Volksrepublik, in der alle chinesischen Urteile (und nicht nur ausgewählte wie hierzulande etwa bei juris) veröffentlicht werden und die bereits einen Bestand im zweistelligen Millionenbereich aufweist, nicht nur zur Recherche nutzen. Er kann auch das Delikt und die einschlägigen Strafzumessungserwägungen eingeben, und erhält dann eine Übersicht über die Bandbreite, innerhalb der bislang Urteile in entsprechenden Fällen ergangen sind – für viele deutsche Kolleginnen und Kollegen wäre das sicher auch ein nützliches Instrument.

Als besonders spannend erwies sich für uns ferner die Teilnahme an einer zivilrechtlichen Gerichtsverhandlung. Hier entstand der Eindruck einer aus unserer Sicht eher umständlichen, sehr stark formalisierten und zeitraubenden Vorgehensweise. So wird auch über alle unstreitigen Tatsachen Beweis erhoben, für jede Zeugenvernehmung wird ein eigenständiger Beweistermin anberaumt, und der Richter gibt den Parteien obligatorisch eine philosophische Weisheit mit auf den Weg, etwa vom chinesischen Philosophen Konfuzius (551-479 v. Chr.). Der mit all dem einhergehende Zeitaufwand kommt auch bei den Fallzahlen zum Ausdruck: Ein chinesischer Amtsrichter bearbeitet nur etwa 150 Fälle pro Jahr, ein Bruchteil des Pensums eines deutschen Kollegen. Vergleichbar ist demgegenüber die große Bedeutung der Güteverhandlung in beiden Systemen: Auch in China werden von Seiten des Gerichts in der Regel starke Bemühungen entfaltet, um eine gütliche Einigung der Parteien herbeizuführen.

Im Rahmen der auf die Reise verteilten Workshops standen u.a. Fragen des Eilrechtsschutzes in verschiedenen Rechtsgebieten, Bürgeranfragen bei der Verwaltung im Rahmen der Informationsfreiheit, zivilrechtliche Probleme des Onlinehandels sowie der Abgasskandal auf dem Programm. Jedes Thema wurde von je einem deutschen und einem chinesischen Delegationsmitglied beleuchtet.

Hier zeigte sich schnell: Gerade materiell-rechtlich gibt es viele strukturelle Gemeinsamkeiten, so ist das chinesische wie das deutsche Recht kodifiziert, wohingegen das insbesondere aus dem angloamerikanischen Raum bekannte Case-Law allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Die Gerichtsorganisation hingegen differiert stärker: Fachgerichtsbarkeiten, wie wir sie mit der Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit kennen, existieren in China nicht. Stattdessen gibt es eine Einheitsgerichtsbarkeit auf vier Ebenen – dies wieder eine Parallele zu Deutschland –, wobei spezialisierte Kammern, etwa für Familien- oder Verwaltungsrecht, durchaus die Regel sind. Auch zeichnet sich ein Trend dahingehend ab, vereinzelt Spezialgerichte für bestimmte Fachgebiete einzurichten, etwa zu Fragen des Internetrechts oder des gewerblichen Rechtsschutzes.

Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten Wander- oder Taschengerichte, die in der Inneren Mongolei eingesetzt werden, um den Rechtsstaat auch in entlegene Gebiete zu tragen. Ein Taschengericht besteht im Wesentlichen aus einem Koffer mit einem Laptop und Videokameras, mit dem eine Richterin bzw. ein Richter in abgelegene Dörfer oder zu Nomaden reist, um vor Ort Fälle zu verhandeln und zu entscheiden. Die Verhandlungen werden auf Video aufgezeichnet und später im Internet veröffentlicht. Das Wandergericht wiederum ist ein speziell umgebauter Transporter, in dessen rückwärtigem Teil zwei Bänke für die Parteien, eine Richterbank und wiederum viel Technik für Protokollführung und Internetübertragung eingebaut sind. Angegliedert ist es an das sogenannte Untere Volksgericht, in etwa vergleichbar mit unseren Amtsgerichten. Jeden Tag ist ein anderer Richter dafür eingeteilt, mit dem Wandergericht an verschiedenen Stellen im Gerichtsbezirk vor Ort zu sein, um spontan insbesondere von Touristen an ihn heran-getragene Fälle zu verhandeln und zu entscheiden. Diese Maßnahmen zielen ersichtlich darauf, einen niedrigschwelligen Zugang zur Justiz zu gewährleisten.
 

 

Im Rahmen der auf die Reise verteilten Workshops standen u.a. Fragen des Eilrechtsschutzes in verschiedenen Rechtsgebieten, Bürgeranfragen bei der Verwaltung im Rahmen der Informationsfreiheit, zivilrechtliche Probleme des Onlinehandels sowie der Abgasskandal auf dem Programm. Jedes Thema wurde von je einem deutschen und einem chinesischen Delegationsmitglied beleuchtet.

Hier zeigte sich schnell: Gerade materiell-rechtlich gibt es viele strukturelle Gemeinsamkeiten, so ist das chinesische wie das deutsche Recht kodifiziert, wohingegen das insbesondere aus dem angloamerikanischen Raum bekannte Case-Law allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Die Gerichtsorganisation hingegen differiert stärker: Fachgerichtsbarkeiten, wie wir sie mit der Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit kennen, existieren in China nicht. Stattdessen gibt es eine Einheitsgerichtsbarkeit auf vier Ebenen – dies wieder eine Parallele zu Deutschland –, wobei spezialisierte Kammern, etwa für Familien- oder Verwaltungsrecht, durchaus die Regel sind. Auch zeichnet sich ein Trend dahingehend ab, vereinzelt Spezialgerichte für bestimmte Fachgebiete einzurichten, etwa zu Fragen des Internetrechts oder des gewerblichen Rechtsschutzes.

Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten Wander- oder Taschengerichte, die in der Inneren Mongolei eingesetzt werden, um den Rechtsstaat auch in entlegene Gebiete zu tragen. Ein Taschengericht besteht im Wesentlichen aus einem Koffer mit einem Laptop und Videokameras, mit dem eine Richterin bzw. ein Richter in abgelegene Dörfer oder zu Nomaden reist, um vor Ort Fälle zu verhandeln und zu entscheiden. Die Verhandlungen werden auf Video aufgezeichnet und später im Internet veröffentlicht. Das Wandergericht wiederum ist ein speziell umgebauter Transporter, in dessen rückwärtigem Teil zwei Bänke für die Parteien, eine Richterbank und wiederum viel Technik für Protokollführung und Internetübertragung eingebaut sind. Angegliedert ist es an das sogenannte Untere Volksgericht, in etwa vergleichbar mit unseren Amtsgerichten. Jeden Tag ist ein anderer Richter dafür eingeteilt, mit dem Wandergericht an verschiedenen Stellen im Gerichtsbezirk vor Ort zu sein, um spontan insbesondere von Touristen an ihn heran-getragene Fälle zu verhandeln und zu entscheiden. Diese Maßnahmen zielen ersichtlich darauf, einen niedrigschwelligen Zugang zur Justiz zu gewährleisten.

 

Aus richterlicher Sicht besonders interessant waren natürlich die Einblicke in den Arbeitsalltag der chinesischen Kolleginnen und Kollegen. Hier entstand letztlich der Eindruck, dass Richterinnen und Richter in China sich eher als eine Art Justizbeamte verstehen und weniger als Organe der Rechtspflege. Richterliche Unabhängigkeit nach hiesigen Maßstäben gibt es kaum, weder in inhaltlicher noch in organisatorischer Hinsicht. Es gibt vorgeschriebene Dienstkleidung (auch außerhalb der Verhandlungen), festgelegte Arbeitszeiten, und Heimarbeit ist verboten. Andererseits: Wochenendarbeit auch, ein Zustand, nach dem sich sicher viele deutsche Kolleginnen und Kollegen sehnen. Doppelbüros sind üblich (leider auch hierzulande anzutreffen), und aller Digitalisierung zum Trotz arbeiten auch chinesische Richter noch mit Papierakten – wenn auch sicher nicht mehr lange. Schließlich: Es gibt gerade einmal zehn Urlaubstage, wie in China allgemein üblich, und nur über fünf davon kann man frei verfügen, die anderen sind an das chinesische Frühjahrsfest gebunden.

 

Kaum zur Sprache kam bei unserem Besuch die in der Volksrepublik China nach wie vor hochproblematische Frage der Menschenrechte. Abgesehen von einer einzigen Nebenbemerkung eines chinesischen Kollegen, man sei insoweit um Verbesserung bemüht, wurde das Thema von unseren Gastgebern geflissentlich ausgespart.


Persönliches Fazit & Ausblick – auf eine ungewisse Zukunft

Meine Tage im Reich der Mitte waren im wahrsten Sinne des Wortes „eindrucksvoll“. Allen zweifellos bestehenden Problemen zum Trotz, insbesondere in Sachen Grundrechte, hat der Besuch mein China-Bild positiv verändert.

Auch das Wiedersehen mit den chinesischen Kolleginnen und Kollegen ein Jahr später in Berlin war eine große Freude. Und es demonstrierte eindrucksvoll, welche Relevanz der Austausch für die Entwicklung beider Rechtssysteme hat: So zeigte die u.a. mit mehreren Richtern vom Obersten Volksgerichtshof – dem Äquivalent der deutschen Obersten Bundesgerichte – sehr hochrangig besetzte chinesische Delegation insbesondere großes Interesse an der Lösung konkreter Rechtsprobleme im Betäubungsmittelstrafrecht nach deutschem Recht, um die Erkenntnisse auf ihre höchstrichterliche Rechtsprechung im chinesischen Recht übertragen zu können. Was könnte ein Richteraustausch in fachlicher Hinsicht mehr bewirken wollen als das?

Nach alledem kann ich allen interessierten Kolleginnen und Kollegen nur aufs Wärmste ans Herz legen, sich am Richteraustausch sowohl als Gastgeber bei der Betreuung der uns besuchenden chinesischen Delegationen als auch im Rahmen einer Berlin-Brandenburger Delegationsreise nach China mitzuwirken. Derzeit läuft die Ausschreibung für den Austausch im Juni 2020.

Indes kann es sein, dass sich diese Möglichkeit nicht mehr allzu lange bietet. Denn die Robert Bosch Stiftung hat bedauerlicherweise beschlossen, die Finanzierung des Projekts Ende 2020 einzustellen. Bislang hat noch keine andere Institution die Bereitschaft erklärt, die Förderung zu übernehmen und das Projekt – und sei es in anderer Gestalt – fortzuführen. So steht der Austausch vor einer ungewissen und nach derzeitigem Stand der Dinge sehr düsteren Zukunft. Müsste er eingestellt werden, wäre das für den Deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog, aber auch für die Möglichkeiten unserer Kolleginnen und Kollegen, ein anderes Rechtssystem und eine andere Gesellschaft auf diese besonders eindrucksvolle Weise kennenzulernen, ein großer Verlust.

 

Dr. Daniel Schneider