Jungrichterseminar 2022 in Berlin

 

Der deutsche Richterbund organisiert in regelmäßigen Abständen ein Seminar für junge Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, damit sich diese mit erfahreneren Kolleginnen und Kollegen über die vielfältigen und oftmals unvorhersehbaren Karrierewege in der Justiz austauschen können. Ich hatte die große Freude, am jüngsten Seminar, welches vom 4. bis zum 6. November 2022 in Berlin stattfand, teilzunehmen. Die anderen knapp 20 Teilnehmer/innen reisten aus ganz Deutschland an. Vertreten waren unter anderem Nachwuchskräfte aus Kempten im Allgäu, Mannheim, Duisburg, Cottbus und Kiel.

Inhaltlich wichtigstes Thema waren Abordnungen. Eine Bundesrichterin und eine Oberstaatsanwältin schilderten die große Verantwortung, die wissenschaftliche Mitarbeiter/innen am Bundesgerichtshof (z.B. Teilnahme an den Beratungen des Senats) und beim Generalbundesanwalt (z.B. Plädieren als Vertreter des GBA vor einem OLG) tragen. Aus einem der „16 kleinen Königreiche“ am Bundesverfassungsgericht berichtete eine wissenschaftliche Mitarbeiterin unter anderem über den dortigen Umgang mit querulatorischen Beteiligten.

Das Bundesministerium der Justiz warb für Abordnungen, indem es die Teilnehmer/innen mit einem Augenzwinkern fragte: „Wer will nach Karlsruhe, wenn er auch in Berlin arbeiten kann?“ Internationale Einsatzmöglichkeiten wurden ebenfalls vorgestellt. So sind mutige Justizbeschäftigte derzeit in der Ukraine, dem Kosovo, dem Südsudan sowie der Zentralafrikanische Republik im Dienste des Rechtsstaats tätig. All diese Möglichkeiten waren zwar vielen Teilnehmer/innen ein Begriff – jedoch nur im Abstrakten. Erst die durchweg zugewandte und offene Art der Vortragenden hat sie für die meisten von uns zu einem konkreten Angebot werden lassen, den eigenen beruflichen Horizont im Laufe der Karriere zu erweitern.

Abseits dessen motivierte uns der charismatische Präsident des Landgerichts Lüneburg in einem fulminanten Vortrag zu beruflichen Höchstleistungen („Wenn einer fragt, wer macht‘s, sagen Sie: Ich“). Im Rahmen der lebhaften Diskussion über Ethik im Beruf empfahl uns die Dozentin, Ingo Müllers Klassiker „Furchtbare Juristen“ sowie den Bericht der Professoren Görtemaker und Safferling zur NS-Vergangenheit des Bundesministeriums der Justiz („Die Akte Rosenburg“) zu lesen.

Für mich persönlich machte freilich die bunte Gruppe der jungen Kolleginnen und Kollegen den größten Reiz des Seminars aus. Der Austausch innerhalb dieser erlesenen Auswahl mit ihren zahlreichen Ideen und ihrem hohen Engagement lassen mich frohen Mutes auf meine Zukunft in – oder vielleicht sogar allgemein: die Zukunft der – bundesrepublikanischen Justiz blicken.

 

Dr. Jan Philipp Köster, M.Jur. (Oxford)