Das Virus und die Prüfungen: Staatsexamina in Zeiten von Corona

Ein Beitrag von Martin Groß, Präsident des GJPA

Bei uns begann die Geschichte am 26. Februar mit der Mail einer besorgten Studentin, die sich erkundigte, was das Prüfungsamt zu unternehmen gedächte, wo es doch nur eine Frage der Zeit sei, bis das hochansteckende Coronavirus auch in Berlin aufträte. Die Frage war berechtigt.  Wir haben uns dann in einem ersten Vermerk vom 3. März mit den anstehenden Problemen befasst; „im Hinblick auf die in Berlin bisher festgestellten vier Fälle“, haben wir damals geschrieben. Am 9. März begannen noch die Klausuren im zweiten Examen, 240 Kandidat*innen in einem großen Saal, zeitgleich die mündlichen Prüfungen im ersten Examen mit jeweils fünf Kommissionen hier in der Salzburger Straße. Am 14. März schloss der Senat die Bars und die Kneipen. Bis zum 19. März haben wir noch geschrieben, das reichte gerade, wer nicht mehr mochte, konnte zu Hause bleiben. Am 18. März hatten wir die erste coronainfizierte Kandidatin in der mündlichen Prüfung. Am 23. März war dann Schluss. Deutschland und auch die Prüfungen gingen in den Lockdown.

Nach diesem Schock der ersten Welle im Frühjahr mussten wir unsere Planungen grundlegend überarbeiten und haben das auch getan. Zunächst einmal fielen die Prüfungen aus. Die große April-Kampagne im ersten Examen mussten wir in den Juli verschieben. Mit den mündlichen Prüfungen haben wir ganz vorsichtig Ende April wieder begonnen. Wir mussten umfassende Hygienekonzepte entwickeln, nehmen uns mehr Zeit und vor allem auch deutlich mehr Platz. Die Kandidat*innen halten die notwendigen Mindestabstände sicher ein. Der Zugang zu den Prüfungsräumen erfolgt bei den schriftlichen Prüfungen gestaffelt über eine Vielzahl von Zugangspunkten, die jeweils mit Desinfektionsgeräten ausgestattet und bewacht sind. Die Räume sind deutlich größer und verfügen über sichere Belüftungssysteme. Bei den mündlichen Prüfungen werden die Kandidat*innen nun in Dreiergruppen geprüft, um die Anzahl der Personen im Prüfungsraum zu reduzieren. Auch prüfen weniger Kommissionen gleichzeitig. Die Konzepte sind mit den Gesundheitsämtern kommuniziert.; auch unser betriebsärztlicher Dienst hat uns hierbei beraten.  Für die Klausuren im Oktober mit rund 650 Kandidat*innen haben wir die ganze Halle 9 der Messe Berlin genutzt. Während Sie diesen Text lesen, schreiben etwa 280 Kandidat*innen in der Messehalle 2.1.

Das alles kostet Zeit, viel Geld und viel Mühe. Der Aufwand lohnt sich indes. Sofern sich die pandemische Situation nicht noch deutlich weiter verschärft, wird es uns bis Mitte Januar gelungen sein, alle Kandidatinnen und Kandidaten, die sich für die Prüfungen in diesem Jahr angemeldet haben, auch zu prüfen. Wir gehen dann im Bereich der Prüfungen ungeachtet der heftigen Krise ohne Rückstände in das neue Jahr. Dies wäre eine gute Nachricht, die nicht nur uns gefällt.

Eine gute Nachricht war es für die Kandidat*innen; für sie ist die Prüfung der Schlusspunkt einer mehrjährigen Ausbildung, die plötzliche Absage und die Ungewissheit ein schwerer Schlag. Es war eine interessante Erfahrung, wieviel positive Rückmeldungen wir aus dem Kreis der Kandidat*innen erhalten haben, als es dann wieder weiterging.

Dies ist aber auch eine gute Nachricht für die Justiz in den Ländern Berlin und Brandenburg. Und deshalb endet mein Beitrag mit einem Zitat aus der Süddeutschen Zeitung: „Tausende Stellen im Justizwesen unbesetzt“ (SZ, Nr. 264; 14. 11. S. 63). Es ist für die Justiz derzeit nicht einfach, neues Personal für den höheren Dienst zu finden. Es gibt einfach weniger Absolvent*innen. In vielen Ländern wird sehr aufwendig nach jungen Jurist*innen gesucht. Nur hier in der Hauptstadtregion ist die Nachfrage nach Studien- und Referendariatsplätzen ungebrochen. Hierher kommen viele begabte junge Menschen, die dann später auch für ein Richteramt oder für die Staatsanwaltschaft zu interessieren sind. Die jungen Leute wollen vorher dann aber auch geprüft werden. Und deshalb -etwas eigennützig- zum Schluss der Appell, uns hierbei zu unterstützen. Wir brauchen Qualität in diesem System und haben ganz sicher Interesse an Ihnen und an Ihrer Mitwirkung in den Prüfungen*.

(*Bei Interesse bitte eine Mail an Frau Sauermann christiane.sauermann@senjustva.berlin.de).

Martin Groß, Präsident des GJPA