Doerthe Fleischer und Renate Gawinski berichten von ihren persönlichen Eindrücken vom Richter- und Staatsanwaltstag, 29. bis 31. März 2023 in Weimar
Vorausgeschickt
Voraussetzung einer Bewilligung von Sonderurlaub für die Fortbildung ist tatsächlich eine Glaubhaftmachung der beabsichtigten Teilnahme. Die richterliche Versicherung, es werde teilgenommen, wurde nicht akzeptiert. Zudem sollte beachtet werden, dass eine innerhalb des eingeräumten Zeitfensters wahrgenommene online-Anmeldung von Vorteil ist, da bei einer für kurzfristig Entschlossene vorgesehenen Anmeldung vor Ort die Gefahr besteht, dass einige Veranstaltungen ausgebucht sind. Auch mit möglichen Bahnstreiks musste dieses Jahr gerechnet werden.
Stadtleben
Hatte man diese Hürden überwunden und war in Weimar angekommen, konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Trotz überschaubarer Größe bietet Weimar viele schöne Hotels, aber auch genügend Restaurants, Kneipen und Cafés. Der Hauptveranstaltungsort, die Kongresshalle, ist selbst von eher am Stadtrand gelegenen Hotels fußläufig zu erreichen. Das Stadtbild einschließlich der Grünanlagen wurde durch die vielen Teilnehmenden geprägt, die an den ausgegebenen Tagungsmappen und Tragetaschen erkennbar, aber auch sonst im Regelfall sicher zu identifizieren waren. Vor und nach den einzelnen Veranstaltungen kam es immer wieder am Tagungsort oder in der Stadt zu entspannten Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen aus Berlin, mit denen wir lange Zeit keinen Kontakt mehr hatten. So hatten wir beim Frühstücksbuffet am ersten Tag die Freude, einen Kollegen aus dem Landgericht wiederzusehen (bzw. ganz wirklichkeitstreu berichtet, trafen wir ihn bereits am Abend zuvor, als er sich in der Hotelhalle einen Zugriff auf einen funktionierenden Fernseher erstritt zwecks virtuellen Besuchs eines Fußballstadions). Die kollegialen Unterhaltungen drehten sich - neben Privatem - viel um das Arbeitsumfeld und erweiterten so den eigenen Horizont. Bei einem griechischen Abendessen am zweiten Tag haben wir z.B. Wissenswertes über die Arbeit eines Datenschutzbeauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft erfahren. Erwähnen möchten wir auch die sympathische Geste der beiden Vorsitzenden des DRB-Landesverbandes Berlin e.V., die Berliner Kollegenschaft am Begrüßungsabend zu einem Glas Sekt einzuladen, wenngleich es dazu wegen des Gedränges nicht mehr kam. Aber auch über die kollegialen Kontakte hinaus bot Weimar Abwechslung außerhalb des fachlichen Angebotes. Da eine von uns zu den eingangs angesprochenen Kurzentschlossenen gehörte und ihr der Zutritt zu der abendlichen Rede des Bundesjustizministers verwehrt wurde, besuchten wir stattdessen spontan ein klitzekleines Theater am Marktplatz, wo allerlei Parodien im Zusammenhang mit den Werken von Goethe offeriert und die eigentlich als Zuschauer Erschienenen - ungeahnt - zum Mitmachen angehalten wurden, wobei sogar Preise ergattert werden konnten.
Fortbildungsprogramm
Wir haben die Tagung als besonders abwechslungs- und lehrreich empfunden. Der Titel „Programmiertes Recht – absolute Gerechtigkeit?“ versprach im Hinblick auf die unaufhaltsame Digitalisierung Aktualität. Diesem Anspruch wurde die Tagung in verschiedensten Formaten gerecht. Gleich der erste Tag bot aus unserer Sicht einen emotionalen Höhepunkt mit der Verleihung des DRB-Menschenrechtspreises an die Richterin Maria Lourdes Afiuni aus Venezuela und ihrer per Video übertragenen Dankesrede. Ihre bewegenden Worte über ihr Schicksal, aber auch das anderer Justizangehöriger in ihrem Land führten uns deutlich vor Augen, welch großes Privileg es ist, dass die richterliche Tätigkeit in Deutschland angstfrei unabhängig möglich ist. Auch die diversen Programmpunkte waren ein Gewinn. Wir wollen uns nicht in Details verlieren, indem wir im Einzelnen auf sie eingehen. Nur so viel sei gesagt: Wir hatten unter anderem die Qual der Wahl zwischen verschiedenen jeweils praxisnahen und informativen Workshops, in denen der fachliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen auch aus den anderen Bundesländern im Vordergrund stand. Dabei konnten wir deren Sichtweisen bzw. Berufsalltag näher kennenlernen. Aufschlussreich war, um nur ein Beispiel zu benennen, dass in Bayern Supervision offiziell als Fortbildung angeboten wird und nicht (wie in Berlin) durch die Teilnehmenden organisiert und (mit-)finanziert werden muss. Der Abschiedstag glänzte mit einem in deutscher Sprache gehaltenen Vortrag des Staatspräsidenten Lettlands zum Thema „Wohin steuert Europa?“ mit klaren Aussagen zum Krieg gegen die Ukraine. Im Anschluss daran waren Fragen des Publikums zugelassen, die zugewandt, mit großer Fachkenntnis und teils auch humorvoll beantwortet wurden.
Abschied
Schon im Frühstücksraum ging es um die Frage, wer wann abfährt und ob und - wenn ja - wo der Koffer gelagert werden kann. Nach der Schlussveranstaltung hatten wir uns für „Weimar – Schauplätze der Musik“, einen Stadtspaziergang im Rahmenprogramm, entschieden. Bei strömendem Regen und starkem Wind war es für die Stadtführerin eine echte Herausforderung, uns alle während des Stadtrundgangs zu den Werkstätten der Komponisten und Musiker bei der Stange zu halten. Aber es hat geklappt, zumal sich zum Schluss die Sonne durchsetzte. Ein längeres Verweilen in einem gemütlichen Café ließ die teilweise nasse Kleidung schnell wieder trocknen, bevor die Rückfahrt nach Berlin angetreten werden musste.
Fazit
Der Richter- und Staatsanwaltstag verdient mit Sicherheit die Bewertung, eine insgesamt lohnende Fortbildungsveranstaltung zu sein, die sich sowohl vom Alltagsgeschäft im Gericht als auch von anderen Fortbildungen abhebt. Mit diesem Beitrag wollen wir für eine Teilnahme am 24. Deutschen Richter und Staatsanwaltstag werben, der aus unserer Sicht gerne wieder in Weimar stattfinden kann. „Glücklich Weimar! - Von den Städten allen bist du, kleine, wunderbar bedacht“ (J.P. Eckermann).
Doerthe Fleischer und Renate Gawinski