Landtagswahlkampf in Brandenburg – Justizpolitische Schwerpunkte

Brandenburg hat einen neuen Landtag gewählt.

Am 22. September 2024 haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger einen neuen Landtag gewählt (Das Ergebnis lag zum Redaktionsschluss noch nicht vor.). Nachfolgend wollen wir die justizpolitischen Ziele der einzelnen Parteien kursorisch beleuchten, um bewerten zu können, ob bzw. wie sich die Parteien in etwaigen Koalitionsverhandlungen insoweit einigen können und welche Projekte im Laufe der Legislaturperiode umgesetzt werden. Grundlage sind die sog. Wahlprüfsteine des Brandenburger Richterbund. Zehn durch den Landesvorstand festgelegte, justizpolitische Fragen wurden einer Auswahl von neun zur Wahl zugelassenen politischen Parteien und Wählervereinigungen übersandt. Sieben Parteien antworteten: AfD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LINKE, FDP, die Listenvereinigung von Plus Brandenburg (Piratenpartei, ödp, volt) und die SPD. Die konkreten Antworten finden Sie auf der Internetseite des Landesverbands unter: www.drb-brandenburg.de/positionen/wahlpruefsteine-ltw-2024.

In Einem sind sich die antwortenden Parteien letztlich einig: Leistungsstark, zukunftssicher und bürgernah soll die Justiz in Brandenburg sein. Am ehesten zufrieden mit dem Iststand scheint die CDU, die in der endenden Legislaturperiode das Justizressort besetzte. Sie setzt auf den Erhalt der Justizstandorte, aufgabenbezogenen Stellenaufwuchs und für mehr Bürgernähe auf das im Rahmen der Reform der Arbeitsgerichtsstruktur erprobte Institut der Gerichtstage. Auch die FDP betont die Notwendigkeit des Stellenaufwuchses, dies aber nicht nur bei Richtern und Staatsanwälten, sondern in allen Diensten. Ihr Ziel bleibt flächendeckend der „papierlose Gerichtssaal“. Bündnis 90/Die Grünen betonen hinsichtlich der Personalsituation das schon Erreichte und sehen eine Chance in der weiteren Umsetzung der durch die „Zukunftskonferenz Justiz“ erhaltenen Anregungen, gerade mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die SPD setzt mit dem Ziel eines einheitlichen und transparenten Justizgesetzes auf einen großen Wurf in Sachen Rechtsstaat und Resilienz; die Justiz soll mit modernen technischen Mitteln ausgestattet werden, um etwa Massenverfahren zügiger abarbeiten zu können. Anders als die CDU möchte DIE LINKE die Reform der Arbeitsgerichtsstruktur hinsichtlich des ArbG Potsdam rückgängig machen und gleichzeitig Gerichtstage in allen Gerichtsbarkeiten ausbauen. In Sachen ArbG Potsdam liegt die AfD auf einer Linie mit DIE LINKE und strebt zusätzliche vollwertige Arbeitsgerichte auch in Eberswalde und Senftenberg an. Allgemein soll die Justiz auskömmlich ausgestattet und die (richterliche) Stellenbedarfsplanung via PEBB§Y grundlegend überarbeitet werden, um bestehende Altfälle binnen eines Jahres abzubauen. Sie wendet sich ferner gegen den sog. Verfassungstreuecheck. Viele der bereits angeführten (wenn auch nicht die letztgenannten) Punkte teilend, will die Listenvereinigung von Plus Brandenburg u. a. auch die Öffentlichkeitsarbeit stärken und von der zeitnah zu erwartenden Möglichkeit, Commercial Courts zu errichten, Gebrauch machen.

Auch beim Thema Personalausstattung in allen Diensten sind die Antworten weitgehend einheitlich: Auskömmlich soll sie sein und dabei insbesondere die Folgen der anrollenden Pensionierungswelle(n) abfedern. Die CDU verweist insoweit auf die Ergebnisse der Zukunftskonferenz Justiz. Auf diese verweist auch das Bündnis 90/Die Grünen, die zudem die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Arbeits- und Arbeitszeitgestaltung in den Blick nehmen. Für die FDP scheint die Personal- untrennbar mit der Besoldungsfrage verbunden; nur so könne das Land in allen Diensten „leistungsstarkes Personal für Brandenburg gewinnen“. Für die SPD ist mit den Neueinstellungen in der Justiz in der ablaufenden Legislaturperiode ein Anfang gemacht; in den Mittelpunkt solle nun eine „nachhaltige Personalpolitik“ rücken. DIE LINKE hält die bestehenden Regelungen zur Dienstausübung auch nach Erreichen des Pensionsalters für ausreichend und spricht sich gegen einen Wechsel zwischen den Ämtern der Staatsanwaltschaften und Gerichte aus. Die Listenvereinigung Plus Brandenburg spricht sich für eine bessere Vernetzung der Dienststellen mit eigener Infrastruktur (JustizNetz, Cloud), ein Transparenzgesetz, ein Mentoringsystem für junge Richter und gezielte Rekrutierungskampagnen aus. Auch für die AfD steht die Personalausstattung nicht losgelöst von ihren sonstigen Vorhaben: Der Personalbedarf solle sich an „den tatsächlichen Gegebenheiten“ orientieren und damit von den Vorgaben von PEBB§Y und Pensen unabhängig werden.

Bei der Justizorganisation sieht die CDU derzeit keinen größeren Änderungsbedarf und betrachtet etwa die, mit einer möglichen Stärkung der Selbstverwaltung der Justiz einhergehende, größere Unabhängigkeit von der Exekutive kritisch. Davon, dass sich die bekannte Struktur der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Brandenburg bewährt habe, geht auch die FDP aus, bleibt aber offen für Gespräche über Modelle zur Stärkung der justiziellen Selbstverwaltung. Weitere Schritte in diese Richtung hält die SPD mit Blick auf die erfolgte Überarbeitung des Landesrichtergesetzes nicht für erforderlich. Das mit Stärkung des Richterwahlausschusses bereits Erreichte heben auch Bündnis 90/Die Grünen hervor – und wollen doch auch am Ball bleiben. DIE LINKE kritisiert den Einfluss der Exekutive auf die Judikative, den sie etwa im Beurteilungswesen zu erkennen glaubt. Auch insoweit steht sie der AfD nahe, die für eine unabhängige Justiz einstehen und ihre Selbstverwaltung durch eine erhebliche Verringerung der bislang wahrgenommenen politischen Einflussnahme verringern will. Sie setzt insoweit für justizielle Spitzenämter auf Wahlausschüsse, die wiederum aus justizinternen Wahlen hervorgehen sollten. Für die Listenvereinigung Plus Brandenburg erscheint die Stärkung der auch verwaltungsbezogenen Unabhängigkeit der Justiz zwar reizvoll, doch befürchtet sie eine damit einhergehende Bürokratisierung, die den Blick weglenkte von den Kernaufgaben der Justiz.

In Sachen Richterwahlausschuss sehen CDU, FDP und SPD und DIE LINKE sämtlich keinen akuten Handlungs-, bzw. Änderungsbedarf; die SPD zeigt sich offen für Gespräche zur detaillierten Überprüfung von Bedenken auch des Brandenburger Richterbundes. Bündnis 90/Die Grünen betonen, unter Hinweis auf das insoweit bereits erreicht, dass der Richterwahlausschuss vor fachfremden und ideologischen Einflüssen und Einwirkungen besser geschützt werden müsse. Aus Sicht der Listenvereinigung Plus Brandenburg ist der Einfluss durch die Exekutive und die Legislative auf die Judikative zu groß. Die AfD möchte die Notwendigkeit von Änderungen am Richtergesetz zunächst in einem Fachgespräch im Rechtsausschuss erörtern und durch diesen einen gemeinsam erarbeiteten Gesetzesentwurf in den Landtag einbringen.

Zur (bundeseinheitlichen) Besoldung betont die CDU, dass eine solche von einer entsprechenden Einigung zwischen Bund und Ländern abhänge. Hiervon losgelöst sei die Besoldung „entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung regelmäßig anzupassen“. Konkret fordert die FDP insoweit zwar eine deutliche Anhebung der Besoldung der Richter und Beamten außerhalb der ohnehin regelmäßig stattfindenden Anpassungen, spricht sich aber mit Blick auf die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten gegen eine bundeseinheitliche Besoldung aus. Einer solchen misst die SPD „derzeit keine realistische Chance“, zumal sie zu „erheblichen zusätzlichen Belastungen für den Landeshaushalt“ führten. Ähnlich sieht es die Listenvereinigung Plus Brandenburg, während die AfD eine „Einigung über eine Empfehlung der Höhe der Besoldung“ auf Ebene der Justizministerkonferenz für möglich hält. Das Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE sprechen sich für eine bundesweit einheitliche Besoldung aus. Hinsichtlich der Übertragung einer möglichen Feststellung der Verfassungswidrigkeit auf alle Richter und Staatsanwälte legen alle Antworten nahe, – freilich wiederum mit Unterschieden in Reichweite und Detail – dass sie eine entsprechende Entscheidung auf alle hiervon Betroffenen erstrecken würden, unabhängig von einem individuellen Widerspruch.

Wie sich bei genauer Durchsicht der einzelnen Antworten zeigt, haben alle antwortenden Parteien „Großes“ mit der Justiz vor, sei es nun eher bewahrend oder (bestenfalls) zum Besseren fortentwickelnd. Die Antworten fielen teils überraschend umfangreich aus, wobei – auch wegen gewisser Überschneidungen der Fragestellungen – Dopplungen ebenso wenig ausgeschlossen wurden wie einzelne Widersprüche. Die Antworten bleiben nun für die Dauer der Legislaturperiode auf der Homepage des Brandenburger Richterbunds einsehbar und erlauben, jede Partei an ihren Vorsätzen zu messen – ganz gleich, ob sie sich im Landtag nun in Regierungs- oder Oppositionsverantwortung sehen.

Dr. Marcus Rehtmeyer, Dr. Stephan Kirschnick