Lohnt sich der Besoldungsstreit noch?

Seien wir ehrlich! Den Kampf gegen die Ungerechtigkeiten der Besoldungsüberleitung im August 2011 haben wir verloren.

Viele erzürnt es, dass wir ab dem 1. August 2011 nach unserer Berufserfahrung besoldet werden sollen, für die Überleitung der Bestandskollegen jedoch nicht deren langjährige (richterliche) Erfahrung, sondern weiter das Lebensalter maßgeblich bleibt. Bestandskollegen wurden damit gerade nicht nach ihrer Erfahrung in neue „Erfahrungsstufen“ übergeleitet. Der Berliner Senat rechtfertigte dies mit dem Bestandsschutz weniger erfahrener Kollegen. Unser Protest blieb erfolglos.

Trotz intensiver Bemühungen und persönlicher Gespräche ist es uns ebenso wie anderen Berufsverbänden und Gewerkschaften nicht gelungen, die Politik für uns zu gewinnen. Nachdem Justizsenator Heilmann zunächst Verständnis zeigte, entschied er sich gegen einen Streit mit der Innen- und der Finanzverwaltung. Anderen Senatoren oder Abgeordneten waren Besoldungsdetails gleich zu Beginn gleichgültig, wohl auch, weil wir nicht streiken können.

Auch gerichtlich war der mit Engagement geführte Kampf erfolglos. Der EuGH folgte den Erklärungen der Bundesregierung, das BVerwG beschränkte den Schadensersatz wegen der Altersdiskriminierung auf 100 Euro, keine der Kammern des VG Berlin erwärmte sich für unser Kernargument: Die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Kollegen.

Das Problem des Zeitablaufs brachte ein Kollege des BVerwG auf den Punkt: „Stefan, mit den Jahren verlieren Überleitungsregelungen ihren Sexappeal. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass ein Verwaltungsrichter deswegen eine aufwändige Vorlage ans BVerfG schreibt.“

Die Argumente gegen die Rechtmäßigkeit der Überleitung bleiben. Auch der Ärger bleibt, dass sich bei den vor August 2011 eingestellten Kolleginnen und Kollegen deren Vorerfahrung aus rein fiskalischen Gründen nicht auf die Höhe der Besoldung auswirkt. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Rechtmäßigkeit der Überleitung sind aber gering, eine Klage nur darauf zu stützen birgt ein hohes Risiko. Es ist zum Heulen. Aber seien wir ehrlich!

Streit um Angemessenheit der Besoldung nicht aufgeben

Widersprüche und Klagen gegen die Höhe unserer Besoldung lohnen sich. Trotz der klageabweisenden Urteile des OVG sehen wir auch weiterhin Erfolgsaussichten für den Protest gegen die Höhe der Richterbesoldung in Berlin.

Die Reaktionen der meisten Kolleginnen und Kollegen auf die Entscheidungen des OVG Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2016 wechseln zwischen ungläubigem Kopfschüt-teln, Verärgerung und schierem Entsetzen. Wie lässt sich erklären, dass die (höhere) Besoldung in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Bremen und Brandenburg nach Auffassung der Verwaltungsgerichte verfassungswidrig zu gering war, die Besoldung in Berlin, welches seit nunmehr zwölf Jahren das Schlusslicht im Besoldungsgefüge trägt, nach Auffassung des OVG indes nicht? Wie lässt sich erklären, dass gerade der OVG-Senat, welcher die (höhere) Brandenburger Besoldung für verfassungswidrig angesehen hat, die Berliner Be-soldung für verfassungskonform halten kann? Wie kann ein Berufungsgericht zu einem solchen Ergebnis kommen, welches auf den ersten Blick völlig unplausibel und unbillig erscheint?

Erklärbar sind die Urteile des OVG nur, wenn man – wie das OVG – konsequent eine mechanistische, verengte und mathematische Lesart des Urteils des BVerfG vom 5. Mai 2015 zu Grunde legt, die eine Genauigkeit im Ergebnis nur vorspiegelt. Diese Lesart wird jedoch weder der verfassungsgerichtlichen Leitentscheidung noch den konkreten Verhältnissen in Berlin auch nur im Ansatz gerecht.

Das Ergebnis wird im Wesentlichen von zwei – unserer Ansicht nach unrichtigen – Annahmen getragen. Zum einen rechnet das OVG mit erheblich zu hohen statistischen Werten für die Entwicklung der Berliner Richterbesoldung und stellt diese dadurch positiver dar, als sie sie tatsächlich war. Zum anderen wollte sich der Senat nicht auch nur im Ansatz mit den Prüfungsparametern der „zweiten Stufe“ auseinandersetzen, weil er annimmt, die sei Besoldung solange verfassungskonform, als nicht mindestens drei der fünf Parameter der ersten Stufe verletzt werden.

Es sprechen daher weiterhin gute Argumente gegen die Verfassungsmäßigkeit der Berliner Besoldung. Indes ist es naturgemäß schwieriger, in der Revisionsinstanz eine andere Entscheidung zu erreichen, als in der Tatsacheninstanz. Es bestehen daher trotz Zulassung der Revision nicht unerhebliche Prozessrisiken. Widersprüche lohnen sich unserer Ansicht nach dennoch. Klagen sind trotz des Prozessrisikos ihre Kosten wert. Auch wenn bei einem Obsiegen nicht mit sehr hohen Nachzahlungen zu rechnen ist: Widersprüche und Klage unterstützen auch die politische Forderung nach einer angemessenen und nicht nur gerade nicht evident unzureichenden Besoldung!

Auch 2016 Besoldungswiderspruch erheben

Angesichts der bundesweit niedrigsten Endbesoldung, der für verfassungswidrig befun-denen Brandenburger Besoldungshöhe und der guten Argumente gegen die Richtigkeit der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2016 rufen wir Sie auch in diesem Jahr dazu auf, Wider-spruch gegen die Höhe der aktuellen Besoldung zu erheben. Die Senatsverwaltung vertritt die Ansicht, dass ein im Vorjahr erhobener Widerspruch nicht genüge, die Ansprüche im Folgejahr zu sichern. Nach unserer Ansicht gilt die Vorga-be der Rechtsprechung, Ansprüche gegenüber dem Dienstherrn zeitnah, d.h. vor Ende des laufenden Haushaltsjahres geltend zu machen, nur für die erstmalige Geltendmachung. Zur Sicherung aller Ansprüche – sowie zur Dokumentation unserer Unzufriedenheit – empfehlen wir jedoch, (auch) im Jahr 2016 Widerspruch gegen die Besoldungshöhe zu erheben. Das Widerspruchsverfahren ist kostenfrei. Auch Proberichter brauchen einen Besoldungswiderspruch nicht zu fürchten, uns sind keine daraus resultierenden Nachteile bekannt. Bitte werben Sie auch bei Kolleginnen und Kollegen für einen Widerspruch gegen die Besoldung.

Verjährungsrisiko für Ansprüche aus 2013

Wir weisen darauf hin, dass trotz der zwischen Richterbund und Senatsverwaltung für Justiz abgeschlossenen Musterstreitvereinbarung ein Verjährungsrisiko für Ansprüche aus dem Jahr 2013 besteht, sofern nicht vor Ablauf des Jahres 2016 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben wird oder anhängige Klagen erweitert werden. Die Senatsverwaltung war und ist nicht bereit, einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu erklären. Wer das Verjährungsrisiko nicht eingehen möchte und klagebereit ist, sollte daher alsbald die Bescheidung seines Widerspruchs für die Besoldung des Jahres 2013 beantragen. Man erhält den üblichen Testbaustein.

Dr. Patrick Bömeke, LL.M. 

Dr. Stefan Schifferdecker