Nun sag’, wie hast du’s mit der Altersdiskriminierung? – Gretchenfrage beim Reparaturgesetz

Wer vor dem 19. August 2014 einen Anspruch wegen Altersdiskriminierung schriftlich geltend gemacht hat, dürfte grundsätzlich anspruchsberechtigt sein

Einführung

Nach § 1 Abs. 1 des Berliner Besoldungsreparaturgesetzes (Gesetz über die rückwirkende Herstellung verfassungskonformer Regelungen hinsichtlich der Besoldung in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 und der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 – RBesRepG) werden die dort festgelegten Nachzahlungen nur denjenigen gewährt, die sich im jeweils bezeichneten Haushaltsjahr mit einem statthaften Rechtsbehelf gegen die Höhe der gewährten Besoldung zur Wehr gesetzt haben. Das geführte Vorverfahren darf hierbei nicht bestandskräftig und ein Klageverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sein.

Bei der praktischen Abwicklung des RBesRepG in den Dienststellen wird zunehmend offenbar, dass sich ein Teil der Widersprüche, insbesondere aus den Jahren vor der bahnbrechenden Entscheidung des BVerfG im Jahr 2015 (BVerfG, Urt. v. 5. Mai 2015 – 2 BvL 17/09), (primär) auf die Geltendmachung einer Diskriminierung wegen des Alters stützt. Hier stellt sich zum einen die Frage, ob auch solche Eingaben den Anforderungen des § 1 Abs. 1 RBesRepG genügen. Gleichzeitig hat auch ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 2020 (C-773/18 bis C-775/18) zum längst entschieden geglaubten Thema der Ausschlussfristen für Ansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung noch einmal Neues gebracht. Insofern stellt sich zum anderen die Frage, welche Personen noch spezifische diskriminierungsbezogene Ansprüche geltend machen können.

In diesem Zusammenhang ergeben sich komplexe und zum Teil noch ungeklärte Rechtsfragen. Das Problem erklärt sich nur, wenn man sich die Systematik der unterschiedlichen Ansprüche bzw. der gegen die Besoldung eingewandten Monita und die Historie der hierzu jeweils ergangenen Rechtsprechung sowie die Strukturreform der Besoldung im Jahr 2011 noch einmal verdeutlicht.

1. Ansprüche wegen AltersdiskriminierungAnsprüche wegen Altersdiskriminierung stehen grundsätzlich neben dem Anspruch auf amtsangemessene Alimentation. Das Verbot der Altersdiskriminierung ist im Unionsrecht auf mehreren Ebenen verankert: Im Sekundärrecht sind die wesentlichen Bestimmungen in der Richtlinie 2000/78/EG normiert. Die Richtlinie ist mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Die Frage der Altersdiskriminierung in Entgeltsystemen hat die Gerichte mehrfach beschäftigt.

Ausgangspunkt ist insofern die Entscheidung des EuGH in den Rechtssachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011 (C-297/10 und C-298/10). Dort hat der EuGH entschieden, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters es verbiete, innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe die Grundvergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst bei dessen Einstellung nach seinem Alter zu bemessen. Das Land Berlin sah sich vor diesem Hintergrund veranlasst, im Jahr 2011 eine Strukturreform der Besoldung durchzuführen und mit dem Berliner Besoldungsneuregelungsgesetz (BerlBesNG) die Besoldung nach Besoldungsdienst- (A- und B-Besoldung) bzw. Lebensalter (R-Besoldung) einheitlich auf Erfahrungsstufen umzustellen. Mit Urteilen vom 19. Juni 2014 (C 501/12 bis C-506/23; C-540/12 und C 541/12 – Specht) und 9. September 2015 (C-20/13 – Unland) hat der EuGH entschieden, dass auch Gestaltungen diskriminierend sind, bei denen sich die Grundgehaltsstufe einer beamteten Dienstkraft oder von Richterinnen und Richtern innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei der Einstellung nach dem Lebensalter richtet. Gleichzeitig hat sich der EuGH in diesen Entscheidungen mit der Frage befasst, ob und in welchem Umfang sich Altersdiskriminierungen bei der Überleitung in ein „an sich“ diskriminierungsfreies Besoldungsregime perpetuieren dürfen (Umstellung von Alter- auf Erfahrungsstufen). Seit der Entscheidung in der Rechtssache Unland steht fest, dass die bis zum Inkrafttreten des BerlBesNG geltende Besoldungsstruktur nach Lebensalter altersdiskriminierend war und die Überleitung in das Erfahrungsstufenregime diese Diskriminierung zwar perpetuiert, letzteres aber europarechtlich nicht zu beanstanden ist. Spezifische Ansprüche wegen Altersdiskriminierung bestehen daher nur für Zeiten bis August 2011.

Die bis 2011 nach europarechtlichen Maßstäben altersdiskriminierende Besoldung begründet grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gegen den Dienstherrn als Arbeitgeber i.S.v. § 6 Abs. 2 AGG. Das BVerwG hat mit Urteil vom 6. April 2017 (2 C 11/16) entschieden, dass § 15 Abs. 2 AGG wegen der Vorgaben des Art. 17 RL 2000/78/EG dahingehend auszulegen ist, dass auch diejenigen Fälle erfasst sind, in denen der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG Folge des korrekten Vollzugs eines Besoldungsgesetzes ist, also allein auf normativem Unrecht beruht. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führt nach Auffassung des BVerwG unabhängig von der Besoldungsgruppe zu einem Zahlungsanspruch von 100 Euro/Monat. Eine AGG-Entschädigung i.H.v. 100,- EUR/Monat wäre bei rechtzeitiger Geltendmachung für den gesamten Zeitraum vom Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 bis zum Inkrafttreten des BerlBesNG am 1. August 2011 zu zahlen.

Auslegung von Widersprüchen

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob auch Widersprüche gegen die Amtsangemessenheit der Besoldung, die sich (jedenfalls auch) auf eine altersdiskriminierende Wirkung der Besoldung beziehen, (auch) als Anträge nach dem AGG verstanden werden können. Hier kommt es auf die Auslegung der Erklärung an. § 15 AGG enthält insofern keine spezifischen inhaltlichen Vorgaben, setzt aber voraus, dass Entschädigungs- oder Schadenersatzansprüche schriftlich geltend gemacht werden. Jedenfalls kann ein Anspruch nur bestehen, sofern er rechtzeitig geltend gemacht wurde.

Frist zur Geltendmachung der Ansprüche wegen Altersdiskriminierung

Die Geltendmachung der Ansprüche wegen Altersdiskriminierung ist fristengebunden, vgl. § 15 Abs. 4 AGG. Danach ist der Entschädigungsanspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt, schriftlich geltend zu machen.

Das BVerwG geht bislang in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Frist des § 15 Abs. 4 AGG für die Fälle der altersdiskriminierenden Beamten- und Richterbesoldung bereits mit der Verkündung des Urteils des EuGH in der Rechtssache Hennigs und Mai am 8. September 2011 begonnen habe, so dass ein Anspruch nur durchgesetzt werden könne, wenn er schriftlich vor dem 8. November 2011 geltend gemacht wurde (vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 6. April 2017 – 2 C 20/15). Allenfalls sehr wenige Kolleginnen und Kollegen dürften aber tatsächlich vor diesem Zeitpunkt den auf Altersdiskriminierung beruhenden Entschädigungsanspruch formgerecht geltend gemacht haben. Die Sichtweise des BVerwG ist jedoch durch eine im letzten Jahr ergangene Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 27. Februar 2020 – C-773/18 u.a.) nicht mehr zu halten. Nach Auffassung des EuGH ist der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, den Beginn der ohnehin kurzen Ausschlussfrist auf den Tag der Verkündung eines EuGH-Urteils festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer lediglich ähnlichen Regelung festgestellt wurde, wenn die Gefahr besteht, dass die Betroffenen nicht innerhalb der Frist erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert wurden. Das könne insbesondere dann der Fall sein, wenn in dem betreffenden Mitgliedsstaat Uneinigkeit über die Frage herrsche, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar ist. Wann „die Uhr zu ticken“ begann hat der EuGH nicht entschieden, sondern es dem vorlegenden Gericht aus Sachsen-Anhalt überlassen, anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls festzustellen, wann die Ausschlussfrist zu laufen begann. In Berlin geht die Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) – dem neuen EuGH-Urteil folgend – in einem Schreiben vom 22. März 2021 an die Berliner Verwaltungen nun davon aus, dass die Frist erst mit der Verkündung der Entscheidung in der Rechtssache Specht am 19. Juni 2014 zu laufen begann. Dies hätte die Folge, dass alle vor dem 19. August 2014 geltend gemachten Ansprüche auf AGG-Entschädigung nicht verfristet wären.

Verjährung der Ansprüche wegen Altersdiskriminierung

Unabhängig von der Frage ob die materielle Ausschlussfrist des nach § 15 Abs. 4 AGG eingehalten wurde, ist aber zu beachten, dass auch AGG-Ansprüche daneben der kenntnisabhängigen Regelverjährung unterliegen. Das BVerwG geht für das Tatbestandsmerkmal der Kenntnis „von den den Anspruch begründenden Umständen“ in § 199 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 2 BGB davon aus, dass eine solche Kenntnis nicht voraussetzt, dass im Hinblick auf den geltend zu machenden Anspruch sämtliche Rechtsfragen durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt seien. Maßgeblich für den Beginn der Verjährung sei die Zumutbarkeit der Erhebung der Klage. Zumutbar sei die Klage, wenn sie erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos möglich sei (BVerwG, Urt. v. 16. Juni 2020 – 2 C 20/19, Rn. 27). Zudem setzt der Beginn der Verjährung nach ständiger Rechtsprechung nur die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Dass der Geschädigte aus den ihm bekannten Tatsachen und Umständen auch die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht, ist hingegen nicht erforderlich. SenFin geht insofern – wohl im Ansatz zutreffend – davon aus, dass danach AGG Ansprüche für das Jahr 2008 mit Ablauf des Jahres 2011, für 2009 mit Ablauf des Jahres 2012 und für 2010 mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt sind, sofern nicht die Verjährung zuvor wirksam gehemmt wurde.

In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Rechtsfrage infolge eines BVerwG-Urteils vom 16. Juni 2020. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung geht das BVerwG nunmehr davon aus, dass ein Beamter oder Richter das Verwaltungsverfahren erst durch einen beim Dienstherrn zu stellenden Antrag in Gang setzen muss, wenn für den Dienstherrn keine Veranlassung besteht, von sich aus ohne Antrag des Betroffenen über eine Leistung zu entscheiden. Erst gegen die ablehnende Entscheidung des Dienstherrn kann der Beamte dann gem. § 54 Abs. 2 BeamtStG – welcher für Richter entsprechend gilt – Widerspruch erheben. Eine Wahl zwischen Antrag und Widerspruch besteht nicht (BVerwG, Urt. v. 16. Juni 2020 – 2 C 20/19). Das bedeutet, dass grundsätzlich bei der Rüge der Altersdiskriminierung zunächst ein Antrag erforderlich gewesen wäre und erhobene „Widersprüche“ als solche Anträge auszulegen sind.

Das eigentliche Problem liegt im Verjährungsrecht. Zwar eignet dem Leistungswiderspruch verjährungshemmende Wirkung, § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB, dem bloßen Antrag auf Zahlung einer Entschädigung indes nicht. Allerdings wurden auch „Widersprüche wegen Altersdiskriminierung“, welche – wie ausgeführt – als Anträge auf Gewährung einer AGG-Entschädigung auszulegen sind, regelmäßig durch Formschreiben „ruhend gestellt“. Es dürfte naheliegend sein, aus solchen Erklärungen auf „Verhandlungen über den Anspruch“ i.S.v. § 203 BGB schließen zu können, die zu einer Verjährungshemmung geführt hätten. Daneben hat die Verwaltung auch Verjährungsverzichte erklärt, deren genauer Geltungsbereich jeweils zu prüfen wäre und hat insgesamt in ihrem Verhalten nicht erkennen lassen, dass sie zwischen Anträgen auf Diskriminierungsentschädigung und Widersprüchen irgendwie differenziert hätte. Danach spricht alles dafür, dass es jedenfalls treuwidrig wäre, wenn sich das Land Berlin unter Berufung auf die neue Rechtsprechungslinie des BVerwG nunmehr auf Verjährung berufen würde.

Zwischenfazit

Die Besoldung nach Lebensaltersstufen berechtigte zu einem Entschädigungsanspruch von 100,- EUR/Monat von August 2006 bis Juli 2011 der im Ergebnis zwar bis zum 19. August 2014 hätte geltend gemacht werden können. Die Verjährung der Ansprüche trat jedoch jeweils drei Jahre nach Ablauf des jeweiligen Anspruchsjahres ein. Ob Ansprüche wegen Altersdiskriminierung mit als Besoldungswidersprüchen benannten Eingaben geltend gemacht wurden, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein Risiko für die Anspruchsdurchsetzung ergibt sich aus der Frage, ob nach rechtzeitiger Geltendmachung mangels Hemmung Verjährung eingetreten ist, wogegen aber überwiegende Gründe sprechen.

2. Anspruch auf amtsangemessene BesoldungGegenstand der grundlegenden Entscheidungen des BVerfG vom 5. Mai 2015 und 4. Mai 2020 war dagegen der Anspruch auf amtsangemessene Besoldung, welcher unmittelbar auf Art. 33 Abs. 5 GG beruht (Alimentationsanspruch). Dieser hat mit der Frage einer Diskriminierung wegen des Alters zunächst einmal nichts zu tun. Für diesen Anspruch ist prozessual charakteristisch, dass er nicht mit einem (bezifferten) Leistungsbegehren geltend gemacht werden kann, sondern nur die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Besoldung begehrt werden kann. Das RBesRepG beabsichtigt nach der Gesetzesbegründung, auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 4. Mai 2020 rückwirkend verfassungskonforme Regelungen hinsichtlich der Besoldung herzustellen. Gegenstand des RBesRepG ist daher nur der Alimentationsanspruch der Berliner Richter und Staatsanwälte. Wer jeweils rechtzeitig Widerspruch erhoben hat, kann die Nachzahlungen aus dem RBesRepG beanspruchen.

Auslegung von Widersprüchen

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob auch Widersprüche, welche sich ausschließlich auf eine altersdiskriminierende Wirkung der Besoldung beziehen, als Widersprüche gegen die Amtsangemessenheit der Besoldung verstanden werden können.

Dies ist die Gretchenfrage beim Anwendungsbereich des RBesRepG. Das BVerwG hat in anderem Zusammenhang klargestellt, dass man sie nicht durch Rückgriff auf Goethes Xenien durch ein beherztes „im Auslegen seid frisch und munter, legt ihr's nicht aus, so legt was unter“ lösen kann (BVerwG, Urt. v. 21. Februar 2019 – 2 C 50/16). Auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen ist die Auslegungsregel des § 133 BGB anzuwenden. Es ist daher bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks stehen zu bleiben. Jedoch kommt es darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist also der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung erkennen kann. Der Empfänger hat dabei in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt. § 133 BGB gibt eine Auslegung vor, die – im Rahmen des für den Erklärungsempfängers Erkennbaren – den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht. Die Auslegung verlässt aber den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, wenn der Erklärung ein Inhalt – sei er auch förderlich – beigemessen wird, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers keinen Anhalt gibt (BVerwG, a.a.O.). Nach Auffassung des BVerwG gibt es keine Auslegungsregel, wonach ein Begehren, dass sich unmittelbar auf Zahlung einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen Besoldung richtet, regelmäßig zugleich das Begehren nach der Feststellung umfasse, das Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Anders gewendet: wer lediglich einen auf Altersdiskriminierung gestützten AGG-Anspruch geltend macht, setzt sich nicht zwangsläufig zugleich „gegen die Höhe der gewährten Besoldung zur Wehr“. Die Verwaltung wird jedoch in allen Fällen, bei denen ein „Widerspruch“ ausschließlich auf Altersdiskriminierung gestützt wurde, prüfen müssen, ob dem Widerspruch nicht doch auch ein Widerspruch gegen die Höhe der Besoldung als solche, bzw. die Rüge, diese sei nicht amtsangemessen, zu entnehmen ist.

Kein Nachschieben von Gründen

Das Auslegungsproblem lässt sich auch nicht dadurch umgehen, dass der Widerspruch nunmehr nachträglich noch auf eine unzureichende Alimentation gestützt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG bedürften Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, einer vorherigen Geltendmachung. Der Beamte oder Richter muss kundtun, wenn er sich mit der gesetzlich vorgesehenen Alimentation nicht zufriedengeben will, und dies zeitnah. Zwar darf der Gesetzgeber auch für die Vergangenheit eine mit der Verfassung unvereinbare Rechtslage nicht fortbestehen lassen, Ausnahmen von der rückwirkenden Regelungspflicht sind aber im Interesse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen anerkannt. Das BVerwG unterscheidet auch insofern zwischen spezifischen besoldungsbezogenen Rügen, welche nur einen Teilaspekt der Besoldung betreffen und einer umfassenden Rüge der Amtsangemessenheit (BVerwG, a.a.O. m.umf.N.). Wenn also nicht schon die Auslegung des Widerspruchs ergibt, dass (auch) die Höhe der Besoldung als solche gerügt wurde, kann ein auf die Frage des Anspruchs wegen Altersdiskriminierung beschränkter Widerspruch nicht nachträglich noch auf einen allgemeinen Alimentationswiderspruch erweitert werden.

Ergebnis

Ob ein Widerspruch, welcher sich in der Begründung ausschließlich zur Frage der Altersdiskriminierung verhält, auch als Widerspruch gegen die Höhe der Besoldung als solcher auszulegen ist, ist in jedem Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Wer lediglich einen auf Altersdiskriminierung gestützten AGG-Anspruch geltend macht, setzt sich nicht zwangsläufig zugleich „gegen die Höhe der gewährten Besoldung zur Wehr“.

Umgekehrt ist bei einem Besoldungswiderspruch, der sich nur inter alia zu einer Altersdiskriminierung verhält, zu prüfen, ob durch die Bezugnahme auf die altersdiskriminierende Wirkung der Besoldung neben dem Alimentationsanspruch auch ein AGG-Anspruch für den Zeitraum bis August 2011 geltend gemacht wird.

Ist ein „Widerspruch“ dahin auszulegen, dass er nur einen Antrag auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung enthält, kann er nicht durch das „Nachschieben von Gründen“ in einen allgemeinen Besoldungswidersprüche erweitert werden. Dem steht nach der Rechtsprechung des BVerwG der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung entgegen. Entsprechendes gilt mutatis mutandis für einen Besoldungswiderspruch, der keinen Auslegungsansatz zu einer Rüge der Altersdiskriminierung für den Zeitraum bis August 2011 enthält.

Wer vor dem 19. August 2014 einen Anspruch wegen Altersdiskriminierung schriftlich geltend gemacht hat, dürfte grundsätzlich anspruchsberechtigt sein. Bei Geltendmachung im Jahr 2011 dürften Ansprüche für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2011, d.h. für 41 Monate, bestehen. Dies ergäbe einen Entschädigungsanspruch von 4.100 EUR. Auf Verjährung dürfte sich das Land Berlin angesichts der Tatsache, dass es selbst nicht zwischen Anträgen auf AGG-Entschädigung und Widersprüchen differenziert hat, jedenfalls nach Treu und Glauben nicht berufen dürfen.

 

Dr. Patrick Bömeke