Bericht Jungrichterseminar Juli 2019

Seminar für junge Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vom 5. bis 7. Juli 2019 in Berlin.

Am Wochenende des 5. bis 7. Juli 2019 fand im „Haus des Rechts“ in der Kronenstraße 73/74 in Berlin wieder das Seminar für junge Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Deutschen Richterbundes statt. Begrüßt wurden die aus ganz Deutschland angereisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen Freitagabend zunächst in den frisch renovierten Räumlichkeiten des DRB durch das Organisationsteam Frau Ri’inOLG Barbara Stockinger und Herrn RiOLG Marco Rech, beide Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Richterbundes. Anschließend fand das erste Kennenlernen in einem nahegelegenen vietnamesischen Restaurant bei Speis und Trank statt.

 

1.          Der Deutsche Richterbund: Struktur, inhaltliche Ausrichtung und Möglichkeiten der Mitarbeit für junge Kolleginnen und Kollegen

 

Am Samstagmorgen begann das Seminar mit einer Vorstellung des Deutschen Richterbundes (DRB) durch Frau Ri’inOLG Barbara Stockinger und Herrn RiOLG Marco Rech. Es handelt sich hierbei um die größte Interessenvertretung der Richterschaft. Der DRB ist parteipolitisch neutral, unabhängig und in unterschiedlichen Bereichen der Gesetzgebung, Rechtspflege oder auch Rechtswissenschaft aktiv. Auch wurden die Struktur des Berufsverbands und die zahlreichen Vorteile einer Mitgliedschaft, wie u.a. das existente Netzwerk, die Deutsche Richter Zeitung und der Deutsche Richter- und Staatsanwaltstag, vorgestellt. Die Jungrichter und Jungrichterinnen wurden ermutigt sich zu engagieren und Kontakt zu den jeweiligen Landesverbänden aufzunehmen.

 

2.          Abordnungen im Rahmen justizieller Entwicklungsprojekte/ Internationale Abordnungen (Teil 1)

 

Anschließend stellte Frau Julie Tumler die ersten Möglichkeiten einer Abordnung vor. Frau Tumler ist Beraterin im „Büro Führungskräfte zu Internationalen Organisationen“ (BFIO), einem Teil der Bundesagentur für Arbeit. Dieses Büro wurde auf Initiative des Auswärtigen Amtes gegründet, um den Anteil deutscher Mitarbeiter in internationalen Organisationen zu erhöhen. In über 300 internationalen Organisationen ist Deutschland Mitglied, somit sind die möglichen Einsatzbereiche und Orte äußerst vielfältig. Auf der Website www.jobs-io.de können die aktuellen Ausschreibungen eingesehen werden. Da eine Abordnung immer auch die Zustimmung und Mitwirkung des Dienstherrn voraussetzt, hat Frau Tumler darauf hingewiesen, diesen möglichst frühzeitig in die Planung miteinzubeziehen und Mut gemacht sich unter Umständen auch gegen unwillige Verwaltungen durchzusetzen.

 

3.          Die (ersten) dienstlichen Beurteilungen

 

Fortsetzung fand das Seminar mit einem Vortrag von Herrn PräsAG Dr. Wettich zu den dienstlichen Beurteilungen. Grundlage des Vortrags war die Annahme, dass eine Beurteilung immer einen „Cocktail“ aus drei verschiedenen „Zutaten“ beinhalte. Zunächst sei sie ein Abbild einer Leistung, jedoch auch stets subjektiv. Zweitens soll die Beurteilung motivieren und nicht vernichtend sein. Im Zusammenhang mit diesem Aspekt richtete Herr Dr. Wettich einen lebhaften Appell an die Jungrichter sich als Zugkraft im Gericht zu begreifen. Man sei auch eine Führungskraft und sollte mit der entsprechenden Ausstrahlung und Motivation seine Tätigkeit ausführen. Die dritte und letzte Zutat sei die Steuerung der Karriere. In der Phase der Proberichter könnten hier jedoch keine größeren Ausschläge erwartet werden.

 

4.          Abordnungen im Rahmen justizieller Entwicklungsprojekte/ Internationale Abordnungen (Teil 2)

 

Frau Nathalie Herbeck, Projektbereichsleiterin und stellvertretende Drittmittelkoordinatorin in der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ, www.irz.de) befasste sich mit dem zweiten Teil des Themas internationale Abordnungen. Der Verein unterstützt Staaten im Auftrag und mit Mitteln des BMJV (sowie des Auswärtigen Amts) bei der Entwicklung rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher Strukturen. Außerdem führt er EU-Projekte durch, die von der Europäischen Kommission im Rahmen der Nachbarschafts- und Beitrittspolitik der Europäischen Union eingerichtet und finanziert werden. 

Einsatzmöglichkeiten bestehen für nationale Experten und Expertinnen sowohl bei Kurzzeiteinsätzen als auch bei längerfristigen Projekten. Dabei entsendet das IRZ deutsche Juristen und Juristinnen, z.B. Richter und Richterinnen und Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, an Ministerien und sonstige staatliche Institutionen der Partnerländer. Je nach Bedarf und Expertise erfolgt dann vor Ort eine Beratung, die bei den Kurzzeiteinsätzen einige Tage oder Wochen dauern kann, bei Langzeiteinsätzen auch mehrere Monate. Voraussetzung ist in der Regel eine Berufserfahrung von vier bis fünf Jahren, gute Englischkenntnisse sowie möglichst spezielle Rechtskenntnisse in einem bestimmten Bereich. Interessierte sollten sich über die laufenden Stellenangebote auf der Webseite des IRZ informieren und ihren Lebenslauf zwecks Aufnahme in den Bewerberpool an das IRZ schicken. Die Tätigkeit setzt in der Regel eine Beurlaubung oder eine Freistellung des Dienstherrn voraus.

 

5.          Erfahrungsbericht aus einer Abordnung an den Generalbundesanwalt (GBA)

 

Defne Akça, Staatsanwältin und derzeit tätig beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe, berichtete über die Abordnung an den GBA. Während der Abordnungszeit, die in der Regel drei Jahre beträgt, ist man für zwei Jahre im Bereich der „Ermittlungen“ tätig (z.B. in der Abteilung Terrorismus oder Spionage). Dort bearbeitet man eigene Verfahren und wird als Staatsanwalt oder Staatsanwältin tätig, man führt eigene Ermittlungen und vertritt den Generalbundesanwalt vor den Oberlandesgerichten im gesamten Bundesgebiet. Weiterhin wird man während der Abordnungsdauer ein Jahr lang in der Abteilung „Revision“ eingesetzt. Dort besteht die Arbeit in der Bearbeitung von Revisionsakten und der Sitzungsvertretung beim BGH. Voraussetzung ist in der Regel eine Berufserfahrung von etwa fünf Jahren. Die Tätigkeit setzt das Einverständnis des Dienstherrn in die Abordnung voraus.

 

6.          Abordnung an eine europäische Institution (Erfahrungsbericht)

 

Patricia Hamel, derzeit abgeordnet bei der EU-Kommission, berichtete von ihren Erfahrungen zu Abordnungsmöglichkeiten nach Brüssel. Sie selbst war einige Jahre bei der ständigen Vertretung Bayerns tätig und wurde dann als nationale Expertin an die Kommission abgeordnet. Sie beschrieb die flachen Hierarchien vor Ort, die internationale Arbeitsatmosphäre und die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen juristischen Systemen der Mitgliedsstaaten. Abordnungen zur EU-Kommission als nationale Experten setzen mehrere Jahre Berufserfahrung sowie das Einverständnis des Dienstherrn in die Abordnung voraus (je nach Bundesland kann dies aufgrund der Finanzierung möglicherweise eine Herausforderung darstellen).

 

7.          EJTN

 

Das European Judicial Training Network (EJTN) organisiert Lang- und Kurzzeithospitationen für Juristen an Institutionen der Europäischen Union und Gerichte der Mitgliedstaaten. Für junge Kollegen sind besonders Kurzzeithospitationen von Interesse, die in der Regel zwei Wochen dauern. In der ersten Woche einer Kurzhospitation findet meist eine allgemeine Einführung in das jeweilige Justizsystem statt. In der zweiten Wochen bekommt man dann die Gelegenheit, die praktische Arbeit zu begleiten. Herr Christian Lang, Richter am Landgericht Bamberg, berichtete anschaulich von seinen zahlreichen, positiven Erfahrungen als Teilnehmer verschiedener Hospitationen und erläuterte, dass diese im Einzelfall durchaus verschieden ausgestaltet seien. Er empfahl, sich parallel für mehrere Hospitationen zu bewerben, da die Anzahl der Interessenten und Plätze sich teilweise erheblich unterscheiden. Er berichtete, er habe den Einblick in das Justizsystem anderer Mitgliedstaaten stets als sehr bereichernd empfunden.

 

8.          Abordnung innerhalb Deutschlands am Beispiel des BMJV

 

Herr Georg Schäfer, der Leiter des Personalreferats für den höheren Dienst im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), stellte die Möglichkeit einer Abordnung an das BMJV vor. Im BMJV sind stets zahlreiche Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Rahmen von regelmäßig zwei bis drei Jahren andauernden Abordnungen tätig. Herr Schäfer erklärte, die praktischen Erfahrungen der Kollegen seien im BMJV sehr geschätzt. Eine Übersicht über offene Stellen des jeweils nächsten Halbjahres findet sich auf der Homepage des BMJV unter Stellenangebote. Es ist aber auch jederzeit möglich, sich direkt an das Personalreferat für den höheren Dienst zu wenden, um perspektivische Einsatzmöglichkeiten zu klären. In fast allen Bereichen des BMJV seien regelmäßig Dienstposten neu zu besetzen. Derzeit gebe es auch noch die Möglichkeit, an der Vorbereitung und Durchführung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 mitzuarbeiten. Das BMJV bietet grundsätzlich auch flexible Teilzeit- und Heimarbeitsmodelle.

Anschaulich berichtete Frau Ines Ritter, Richterin am Landgericht, von ihrem Arbeitsalltag während ihrer Abordnung an das BMJV. Sie erläuterte den Aufbau des Ministeriums und berichtete, man gewöhne sich in der Regel schnell an die andere Arbeitsweise im BMJV. Weiter erläuterte sie, es gebe ein angenehmes, kollegiales Miteinander. Da zahlreiche Kollegen ebenfalls neu in der Stadt seien, gebe es regelmäßig auch gemeinsame kulturelle und gesellige Aktivitäten abseits des Arbeitsalltags.

 

9.          Ethik im Beruf

 

Einen prägnanten Impulsvortrag zum Thema Ethik im Beruf hielt Frau Dr. Anne Lipsky, Richterin am Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbundes. Sie berichtete von der Arbeit des DRB im Bereich „Richterethik“ und wies darauf hin, dass Richterinnen und Richter sich – auch in Anbetracht des Arbeitsaufkommens und der limitierten Zeit, die für dessen Bewältigung zur Verfügung stehe – stets mit der ihnen zukommenden Macht auseinander setzten sollten. Zwar sei direkte Korruption von Richtern in Deutschland kein Thema, doch müsse man sich in seinem Arbeitsalltag stets auch andere Formen der Beeinflussung vor Augen führen. Sie verwies weiterführend auf das Thesenpapier „Richterethik in Deutschland“, in dem der Richterbund unter anderem zu den Themen Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit, Integrität, Verantwortungsbewusstsein, Mäßigung/Zurückhaltung, Transparenz und Mut Stellung genommen hat.

 

10.          Die Mitarbeit an einem Bundesgericht und beim Generalbundesanwalt: Aussichten für jüngere Kolleginnen und Kollegen

 

Frau Ri’inBGH Dr. Desiree Dauber, Präsidialrichterin beim BGH, berichtete von der Möglichkeit der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am BGH. Eine Abordnung erfolge in der Regel für drei Jahre. Man sei nicht einem Richter zugewiesen, sondern dem Senat. Die Strafsenate hätten in der Regel drei wissenschaftliche Mitarbeiter, die Zivilsenate vier. Insgesamt seien 62 wissenschaftliche Mitarbeiter am BGH beschäftigt. Die Tätigkeit beschränke sich im Vergleich zur Tätigkeit der wissenschaftlichen Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht auf die bedeutsamen Sachen. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter nähmen auch an den Beratungen teil. Frau Dr. Dauber betonte, dass die Arbeit „auf Augenhöhe“ erfolge. Voraussetzungen für eine Bewerbung seien vier bis fünf Jahre Richtertätigkeit, die Bereitschaft und Fähigkeit vertieft zu arbeiten sowie Teamfähigkeit. Nicht erforderlich seien Rechtskenntnisse in einer speziellen Materie. Auch sei Teilzeitarbeit möglich, in der Regel gebe es einen Heimarbeitstag. Eine Bewerbung erfolge über die Landesjustizverwaltung, direkt sei eine solche nicht möglich. Die Personalakte werde an die Senatsvorsitzende geschickt, die über die Durchführung eines Bewerbungsgesprächs entscheide. Eine Bewerbung sollte ungefähr ein halbes Jahr vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen.

Herr OStA beim BGH Dr. Lars Otte, Leiter des Referats Personal höherer Dienst beim GBA, berichtete von der Möglichkeit der Abordnung an den GBA. Eine solche Abordnung erfolge in der Regel für drei Jahre. Zunächst werden die abgeordneten Richter gegengezeichnet, danach habe die Unterschrift volle Wirksamkeit nach außen. Spannend sei an der Tätigkeit unter anderem auch die Teilnahme an Hauptverhandlungen vor unterschiedlichen Oberlandesgerichten. Die abgeordneten Richter werden zwei Jahre in einer Ermittlungsabteilung und ein Jahr in einer Revisionsabteilung eingesetzt. Bewerben könnten sich auch Kollegen mit geringerer Berufserfahrung, erforderlich seien aber zwei Jahre staatsanwaltschaftlicher oder strafrichterlicher Tätigkeit. Die Kenntnis besonderer Materien im materiellen Recht werde nicht erwartet. Die Bewerbung erfolge ebenfalls auf Vorschlag der Landesverwaltung. Möglich sei am Ende der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter auch eine Übernahme beim GBA.

 

11.          Vom Proberichter zum Präsidenten des Bayerischen Obersten Landesgerichts

 

Abschließend hielt Herr Dr. Hans-Joachim Heßler, Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts, einen lebendigen Vortrag über seine beruflichen Stationen und Karriere. Er schilderte zunächst seine Abwägung zwischen einer Tätigkeit in der Justiz im Vergleich zur Wissenschaft, sodann berichtete er von seiner Tätigkeit als Richter und seinen Abordnungen in das Bayerische Justizministerium. Dort sei er ganz zu Beginn seiner Richterkarriere in der Abteilung Bürgerliches Recht tätig gewesen. Daraufhin sei er bei der Staatsanwaltschaft und am Amtsgericht München eingesetzt gewesen und habe danach erneut in das Justizministerium gewechselt. Er habe in seinem Leben stets die Chance gehabt, spannende Positionen in der Justiz bzw. Verwaltung zu bekleiden. Seine Begeisterung für den Beruf war ihm dabei deutlich anzusehen.

 

Fazit

 

Die Teilnahme an dem Seminar können wir sehr empfehlen. Es hat uns die uns vorher teilweise ganz unbekannten Möglichkeiten der verschiedensten Arten an Abordnungen näher gebracht. Ferner bietet es die Möglichkeit, die Referenten persönlich kennenzulernen, Fragen zu stellen und Kontakte zu knüpfen. Auch der Austausch mit anderen Proberichterkollegen aus ganz Deutschland und die schöne Atmosphäre in den neuen Räumen des DRB hat zu einem gelungenen Wochenendseminar beigetragen.

 

Katharina Koslowski, Anne-Ruth Müller, Anna-Kristin Edler, Henrikje-Sophie Budde