Sicherstellung des Justizgewährleistungsanspruchs in Zeiten der Pandemie

Dr. Daniela Brückner ist Staatssektretärin für Justiz in der der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Sie war bis zu ihrer Berufung als Richterin in Berlin tätig, zuletzt als Vizepräsidentin des Amtsgerichts Lichtenberg. In einem Gastbeitrag beleuchtet sie die Herausforderungen für die Berliner Justiz in Zeiten der Pandemie.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

gerade in Zeiten der Krise müssen sich die Bürger*innen auf eine starke Justiz verlassen können. Die Garantie eines funktionierenden Rechtssystems ist essenziell für das Vertrauen in unseren Staat. Die Wucht, mit der die notwendigen Eindämmungsmaßnahmen aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie unser gesellschaftliches Zusammenleben getroffen haben, hat auch vor der Justiz nicht Halt gemacht. Während all der kurzfristig zu treffenden Entscheidungen bewegten mich besonders die Wahrung des für einen Rechtsstaat konstitutiven Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit sowie die Sicherstellung des Justizgewährleistungsanspruchs der Bürger*innen von Berlin. Beides galt und gilt es zu erhalten!

Kürzlich hatten der Senator und ich ein sehr konstruktives Gespräch mit den Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes des Deutschen Richterbundes. Insbesondere in einem Punkt waren wir uns einig: Die Justiz des Landes Berlin ist im Großen und Ganzen gut durch die letzten 15 Monate gekommen

gekommen. Dies zeigt beispielsweise die Zahl der von einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus betroffenen Mitarbeitenden der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden des Geschäftsbereiches. Klar ist: Jede einzelne erkrankte Person ist eine zu viel. Die Zahlen bewegen sich jedoch trotz des großen Personalkörpers der Justiz im niedrigen zweistelligen Bereich. Geholfen haben dabei die frühzeitigen Maßnahmen der Gerichte vor Ort, die gerichtsübergreifend nutzbaren Testzentren in den verschiedenen Häusern und schließlich auch das Impfzentrum der Justiz, welches als Pilotprojekt am 17. Mai diesen Jahres an den Start gehen konnte. Mittlerweile konnte allen Mitarbeitenden der Justiz ein Angebot für die Erstimpfung unterbreitet werden. Des Weiteren konnte die IT-Ausstattung der Mitarbeitenden deutlich verbessert werden, auch wenn hier weiterhin noch Bedarf besteht. Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass die Gerichte vermehrt Sitzungen per Bild-Ton-Übertragung durchführen und wir uns regelmäßig in Videokonferenzen treffen würden? Abgesehen davon hätte sich vor zwei Jahren niemand vorstellen können, dass wir uns freuen, wenn wir morgens im Büro noch vor der ersten Besprechung oder Sitzung zur Sicherheit aller einen Corona-Test durchführen können.

Dass diese Erfolge gelungen sind, verdanken wir Ihnen und all Ihren Kolleg*innen in den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden, neben der Richterschaft auch den Servicekräften, den Wachtmeister*innen, der Rechtspflegerschaft sowie den Gerichtsvollzieher*innen. Ohne das an den Tag gelegte hohe Maß an persönlicher Leistungsbereitschaft, Kreativität und Engagement, wäre es nicht möglich gewesen, die Justiz und damit eine fundamentale Säule des Rechtsstaates trotz der erheblichen Einschränkungen funktionsfähig zu erhalten. Sie haben gezeigt: Der Rechtsstaat funktioniert auch in der Krise. Hierfür möchte ich Ihnen ausdrücklich meinen herzlichen Dank aussprechen.

Gerade in diesen herausfordernden Zeiten betrachte ich es darüber hinaus als meine ureigene Aufgabe, Sie bei Ihrer täglichen Arbeit in vielfältiger Weise bestmöglich zu unterstützen. Die dafür notwendigen Prozesse lassen sich mal schneller und unkomplizierter und mal leider nicht ganz so schnell umsetzen. Gerne möchte ich daher mit Ihnen einen gemeinsamen Blick auf die bisher gefundenen Lösungen und die dabei auftretenden Herausforderungen werfen.

Eine Pandemie wie die gegenwärtige bleibt für uns alle hoffentlich eine einmalige Erfahrung. Naturgemäß mangelte es daher im Frühling und Frühsommer 2020 im Rahmen der ersten Pandemie-Welle allseits an Kenntnissen oder gar Übung im Umgang mit einem derartigen Jahrhundertgeschehen. Es kam darauf an, den Justizgewährleistungsanspruch der Bürger*innen unserer Stadt zu gewährleisten und dabei den bestmöglichen Schutz aller Beteiligten weiterhin zu ermöglichen. In diesem Stadium war es besonders wichtig, rasch auf die neuen Herausforderungen zu reagieren, an längerfristige oder gar strategische Konzepte war zunächst nicht zu denken. Es ging etwa darum, die äußerst dringenden Raumbedarfe für die eilbedürftigen Hauptverhandlungen der Strafgerichte in Haftsachen zu decken. Es waren besonders große Räume notwendig, um den Hygienevorgaben zu entsprechen. Mit anderen Senatsverwaltungen, mit Theatern und Universitäten haben wir die Möglichkeiten ausgelotet und Lösungen gefunden.

Arbeitsgespräche zum Justizgewährleistungsanspruch und zur richterlichen Unabhängigkeit

Als wir die ersten Anzeichen des Abebbens der ersten Pandemie-Welle wahrnahmen, lud ich Beschäftigtenvertretungen und Gerichtspräsident*innen zu einem Austausch über die gesammelten Erfahrungen und die vor Ort gefundenen Lösungen für pandemiebedingte Probleme ein. Wir wollten vor einer möglichen nächsten Welle die ergriffenen Maßnahmen der einzelnen Häuser wie auch der Senatsverwaltung bündeln und evaluieren. Kurz- und mittelfristig musste mit dem Wiederaufflammen der Pandemie gerechnet werden. Daher hieß es, die Zeit des Durchatmens für eben jene, zuvor nicht mögliche strategische Konzeptionierung zu nutzen, um soweit wie möglich auf eine zweite Pandemie-Welle vorbereitet zu sein. Hierfür fanden im Juni, August und Oktober 2020 Fachgespräche mit Gerichtspräsident*innen sowie die Vorsitzenden des Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrats (HRSR), des Gesamtpersonalrats der Berliner Justiz (GPR), die Gesamtfrauenvertreterin der Berliner Justiz sowie die Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Richterinnen und Richter im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit statt, um uns über die jeweiligen Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie auszutauschen und die „best practice“ für alle Mitarbeitenden der Justiz zugänglich zu machen. Als Leitlinien für das weitere Vorgehen wurden insbesondere der gemeinsame Austausch und die gegenseitige Information auf der einen Seite sowie die Gestaltung dezentraler Lösungen für jeden individuellen Standort andererseits vereinbart – Grund-sätze die sich aus meiner Sicht bewährt haben.

Im Rahmen der Fachgespräche war zu beobachten, dass sich mit der zeitlichen Komponente auch die Themen verschoben. So fand der Austausch im unmittelbaren Anschluss an die erste Pandemie-Welle insbesondere über die Sicherstellung des Justizgewährleistungsanspruches und der justiziellen Unabhängigkeit als absolute rechtsstaatliche Kernthemen sowie den sofort umsetzbaren Schutz der Mitarbeitenden, etwa durch die Ihnen bekannten Arbeitszeitflexibilisierungen oder die Anpassung der Pandemie- und Hygienekonzepte, statt. Als Ergebnis dieser ersten Gesprächsrunde konnten den Gerichten und Behörden zur Vorbereitung auf eine mögliche zweite Pandemie-Welle ein Muster-Hygienekonzept, ein Muster-Pandemieplan sowie eine Liste der ergriffenen Maßnahmen einschließlich deren Evaluation zur Verfügung gestellt werden, welche nach dem bereits erwähnten Grundsatz der dezentralen Lösungen für jeden Standort individuell angepasst werden konnten.

 

 

Digitalisierung der Berliner Justiz

Wir hatten das Beispiel von London mit vielen schlimmen Bildern im Auge als auch in Berlin das Thema eines Lockdowns aufkam. Das Vermeiden von Kontakten führte und führt zur Reduzierung der Infektionen. Also sollten alle nicht dringend notwendigen Kontakte auf das absolute Minimum reduziert werden. Wann immer möglich, sollte etwa der öffentliche Personennahverkehr nicht genutzt werden und Menschen nicht in großen Gruppen zusammenkommen. Erst in den letzten Wochen hat sich die Situation merklich verbessert, wobei wir noch nicht wissen, wie es im Herbst aussehen wird.

Telefonkonferenzen, mobiles Arbeiten oder auch Videokonferenzen für Besprechungen haben sich während der Pandemie als wirksame Maßnahmen gegen die Infektionsgefahren erwiesen. Deshalb war schnell klar, dass die IT-Ausstattung – nicht nur – in der Berliner Justiz den neuen Anforderungen gerecht werden muss. Wir haben alle gesehen, dass die elektronische Akte viele Vorteile haben wird, die wir gerne möglichst zeitnah nutzen wollen.

Daneben spielen auch gerichtliche Verhandlungen per Bild-Ton-Übertragung mittlerweile eine immer größere Rolle. Allein das Landgericht hat beispielsweise im Januar 2021 insgesamt 139 Videoverhandlungen durchgeführt. Dies gilt auch für die gerichtlichen Mediationen. Selbstverständlich entscheiden die Güterichter*innen auch hier in eigener Verantwortung darüber, ob Mediationsverhandlungen auf diese Weise durchgeführt werden. Insoweit bedarf es aber jeweils der expliziten Zustimmung der Parteien, welche nicht immer erteilt wird. Bei Verfahren nach dem FamFG, die nicht öffentlich sind, ergeben sich im Hinblick auf die Vertraulichkeit und die Nichtöffentlichkeit besondere Herausforderungen. Denn hier kann bei den zugeschalteten Verfahrensbeteiligten nicht überprüft werden, ob die Nichtöffentlichkeit gewahrt wird. Dies zeigt die Notwendigkeit, über die Durchführung einer Videoverhandlung in richterlicher Unabhängigkeit zu entscheiden. Eine Bewertung dieser Entscheidung steht der Verwaltung selbstverständlich nicht zu. Mir ist es an dieser Stelle vor allem wichtig, dass wir die Voraussetzungen schaffen, um den Kolleg*innen ein entsprechendes Angebot machen zu können. Ich nehme auch positiv wahr, dass das Kammergericht und die Verwaltungen der Gerichte in der Pandemie alles daransetzen, auch die Durchführung von künftigen Videoverhandlungen so einfach wie möglich zu gestalten, um technische Komplikationen weitgehend auszuschließen.

Wichtige erste Schritte zur Verbesserung der insoweit erforderlichen Ausstattung sind erfolgt. 500 Laptops konnten dank der guten Zusammenarbeit mit dem Kammergericht schon im Spätsommer 2020 ausgegeben werden. Seit Herbst 2020 wurden darüber hinaus in mehreren Tranchen insgesamt mehr als 750 weitere Geräte bestellt. Die Lieferung des überwiegenden Anteils von gut 400 Geräten dieser Bestellungen wurde aufgrund von Produktions- und Lieferengpässen auf dem Weltmarkt leider mehrfach verschoben. Mit einer Lieferung ist nicht vor Ende der Berliner Sommerferien zu rechnen. Erfreulicherweise hat das Kammergericht jedoch im Mai 2021 eine Lieferung von 100 Geräten erhalten, welche bereits an die Gerichte verteilt wurden. Eine weitere Lieferung von knapp 250 Laptops ist mittlerweile bei dem Kammergericht eingetroffen und befindet sich gegenwärtig im Ausgabeprozess. Selbstverständlich ist zudem beabsichtigt, weitere Geräte zu ordern und die Bedarfe vor Ort schnellstmöglich umfassend zu decken.

Doch nicht nur die Lieferengpässe auf dem Weltmarkt stellen Herausforderungen bei der IT-Beschaffung dar. Vielmehr änderten sich im Zuge der Pandemie auch die an die Geräte zu stellenden technischen Anforderungen, was eine Neubewertung erforderlich machte. Exemplarisch hierfür steht die Ausstattung der Laptops mit Videokameras: Denn ursprünglich sollten aus Gründen der IT-Sicherheit lediglich mobile Endgeräte ohne WebCam-Funktion zum Einsatz kommen. Mit den seit Beginn der Pandemie vermehrt stattfindenden Video-Konferenzen drehte sich diese Anforderung diametral. Eine bislang ungelöste Herausforderung stellt dabei die Freigabe der WebCams für Video-Konferenzen aus der SBC-Umgebung (der Betriebsumgebung etwa in der ordentlichen Gerichtsbarkeit) heraus dar. Hier arbeiten das Kammergericht und das ITDZ eng zusammen, um möglichst bald eine sichere Lösung zu finden.

Seien Sie versichert, dass ich persönlich und wir alle in der Senatsverwaltung weiterhin unter Hochdruck daran arbeiten, die Situation weiter zu verbessern.

 

 

Mobiles Arbeiten während der Pandemie

In den bereits erwähnten Fachgesprächen hatte sich zudem schnell herausgestellt, dass das mobile Arbeiten ein besonders wichtiges Instrument zur Eindämmung der Pandemie ist. Wir wissen aber auch, dass es insoweit nicht damit getan ist, den Kolleg*innen einfach einen Laptop zu überreichen.

Deshalb sind innerhalb kürzester Zeit Fortbildungen entwickelt und schon mehrfach angeboten worden, einerseits für die Mitarbeitenden im Homeoffice, andererseits auch für die Führungskräfte, denen die Organisation dieser neuen Arbeitsform obliegt. Es gibt Angebote des GJPA, der VAK und vor allem auch der Sozialberatung der Berliner Justiz, die sich dieses Themas engagiert und erfolgreich als neue Aufgabe angenommen haben: Letztere bietet etwa Online-Workshops zu dem Thema „Gestalten und Strukturieren im Homeoffice“ und das GJPA eine Fortbildung zu den Fragen des „Führens auf Distanz“ an. Den Kolleg*innen der Sozialberatung gilt nicht nur dafür mein Dank. Sie standen und stehen auch Menschen mit Rat zur Verfügung, die mit der aktuellen Situation Schwierigkeiten haben. Nicht nur in der ersten Pandemie-Welle war Einsamkeit eine Tatsache in der Hauptstadt der Singlehaushalte, sie stellt noch immer ein erhebliches Risiko dar. Die Liste der sozialen Risiken der Pandemie, von welchen die Sozialberatung der Justiz mir berichtet hat, ist lang. Zugleich hat man mir versichert, dass sich die dortigen Mitarbeitenden über jeden Anruf, über jede Kontaktaufnahme freuen und die Kolleg*innen gerne unterstützen.

Testzentren der Berliner Justiz

Zusätzlich zum mobilen Arbeiten war es uns zum Schutz Ihrer Gesundheit ein wichtiges Anliegen, Ihnen an mehreren Standorten, nämlich in Moabit, in der Littenstraße und im Kammergericht, jeweils justizeigene Testzentren zur Verfügung zu stellen. Auch hier war viel Überzeugungsarbeit zu leisten, die Finanzierung sicherzustellen und es galt, die gesamte Organisation schnell und überzeugend auf die Beine zu stellen. Hier möchte ich vor allem dem Amtsgericht Tiergarten danken, dem es in kürzester Zeit gelungen ist, in Zusammenarbeit mit der Abteilung I unseres Hauses ein Konzept zu erstellen und dies umzusetzen. Ich habe mich auch über die vielen Freiwilligen gefreut, die aufgrund vorheriger beruflicher Erfahrungen die Testzentren wirksam unterstützen. Vielen Dank an Sie alle, die daran beteiligt waren bzw. noch sind.

Pilotprojekt Impfstelle für die Mitarbeitenden der Berliner Justiz

Mit ganz besonderer Freude hat mich darüber hinaus der Umstand erfüllt, Ihnen trotz des im ersten Halbjahr 2021 nur in geringer Menge vorhandenen Impfstoffes sukzessiv Impfangebote unterbreiten zu können und hierfür sogar, in enger Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, dem Arbeitsmedizinischen Zentrum der Charité (AMZ), dem Kammergericht und unter Einrichtung einer Impf-Taskforce in der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, das justizeigene Impfzentrum in Moabit vorhalten zu können. Auch durch dieses konnte mittlerweile allen Mitarbeitenden der Justiz ein Impfangebot unterbreitet werden.

Haushalterische Absicherung der Maßnahmen

Natürlich sind alle ergriffenen bzw. noch zu ergreifenden Maßnahmen nicht in dieser Form im Haushalt der Justiz abgebildet gewesen. Ein erster erfolgreicher Schritt zu ihrer haushalterischen Absicherung erfolgte im Rahmen des kurzfristig veranschlagten Nachtragshaushaltes im Dezember 2020. Darüber hinaus freue ich mich in diesem Zusammenhang ganz besonders darüber, dass es uns am 9. Juni 2021 gelungen ist, die Zustimmung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses für einen Antrag über die Entnahme weiterer Mittel aus der Rücklage nach § 62 der Landeshaushaltsordnung (LHO) zur Gewährleistung des Justizgewährleistungsanspruches in zweistelliger Millionenhöhe zu erhalten. Damit können nun in erheblichem Umfang Mehrbedarfsanträge bei der Senatsverwaltung für Finanzen gestellt werden, um die auf die Pandemie zurückzuführenden Mehrbedarfe zu decken. Inhalt dieser Mehrbedarfe ist unter anderem eine deutlich verbesserte IT-Ausstattung. Wir werden vor diesem Hintergrund selbstverständlich weiterhin kurzfristig versuchen, so viele Geräte wie möglich zu beschaffen.

Darüber hinaus haben die Justizverwaltungen der Bundesländer auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 15. und 16. Juni 2021 die Verlängerung und Erweiterung des Paktes für den Rechtsstaat eingefordert: Sie haben den Bund aufgefordert, den weiteren Personalaufwuchs und die Verbesserung der digitalen Ausstattung der Justiz in Deutschland zu fördern. Auch wenn der Anteil des Bundes beim bisherigen Pakt für den Rechtsstaat nicht sehr hoch war, soll er sich künftig an den erheblichen Kosten einer modernen Justiz beteiligen.

Ausblick: Entwicklung einer Strategie zum mobilen Arbeiten

Wie bereits erwähnt, galt es während der verschiedenen Wellen der Pandemie, kreative Lösungen zu entwickeln und die Ausstattung der Kolleg*innen rasch zu verbessern, um durchgängig den Justizgewährleistungsanspruch der Bürger*innen zu garantieren und die richterliche Unabhängigkeit zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten. In den Fachgesprächen mit den Beschäftigtenvertretungen und Gerichtspräsident*innen waren wir uns schnell einig, dass die Arbeitswelt auch nach der Pandemie eine andere sein wird. Die immer weiter voranschreitende Digitalisierung wird die Justiz in den kommenden Jahren zusätzlich verändern. Als Schlagworte seien hier die bereits angesprochene Einführung der elektronischen Akte im Jahr 2026, der Markteintritt von Legal-Tech-Anbietern oder die Bestrebungen zur Modernisierung des Zivilprozesses im Rahmen einer im Jahr 2019 aufgesetzten Arbeitsgruppe auf Ebene der Präsident*innen der Oberlandesgerichte genannt. Auf all die anstehenden Veränderungen gilt es vorbereitet zu sein.

Die vor uns liegenden Umbrüche zeichnen sich dabei zunächst durch eine sehr hohe Komplexität aus. So sind neben den technischen, auch die erforderlichen (datenschutz-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Zugleich muss der Mensch und insbesondere der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Zentrum der Überlegungen stehen. Unser gemeinsames Ziel sollte es daher sein, zusammen eine Kultur zu schaffen, in der wir die Chancen der Digitalisierung verantwortungsbewusst nutzen, um bessere Arbeitsbedingungen als bislang zu ermöglichen sowie den Bürger*innen den Zugang zum Recht zu erleichtern.

Ich bin mir bewusst, dass derartig umfangreiche Veränderungen einer professionellen Begleitung und regelmäßigen Evaluation bedürfen. Daher habe ich im April dieses Jahres in Fortsetzung der bereits genannten Fachgespräche einerseits eine weitere Austauschreihe mit den Gerichtspräsident*innen, den Leitungen der Strafverfolgungsbehörden sowie den Beschäftigtenvertretungen des Geschäftsbereichs initiiert, um in dieser großen Runde nun den Blick auf die Zukunft der zunehmend digitalisierten und mobilisierten Arbeitswelt zu richten. Gleichzeitig wurden z. B. im Kammergericht und im Amtsgericht Schöneberg Pilotprojekte zum mobilen Arbeiten aufgesetzt. Im Herbst kann mit der Auswertung der Projekte begonnen werden. In einem moderierten Austauschforum können wir uns dann über die gewonnenen Erkenntnisse und die weiteren Schritte in der Zukunft verständigen.

Abschließend möchte ich aus voller Überzeugung dafür werben, zusammen die Erfahrungen der Pandemie, welche bereits in den letzten 15 Monaten erhebliche Veränderungen bewirkt und katalysiert haben, in die aus unserer Sicht richtigen Bahnen zu lenken, so dass dieses Jahrhundertgeschehen im Nachhinein als Aufbruch in eine moderne Zukunft der Justiz verstanden wird. In jeder großen Veränderung steckt eine Vielzahl an Chancen. Diese sollten wir nutzen – gemeinsam.

 

Ihre

Daniela Brückner