Am Kammergericht und am Landgericht II wurden ein neuer Commercial Court bzw. Commercial Chambers eingerichtet.

Am Kammergericht und am Landgericht II wurden ein neuer Commercial Court bzw. Commercial Chambers eingerichtet.
Der Artikel stellt ihre Zuständigkeit und Besonderheiten vor.
Zum 1. April 2025 trat das Justizstandort Stärkungsgesetz in Kraft, durch das die staatlichen Gerichte für Unternehmen attraktiver gemacht werden sollen. Damit ist die erste Etappe einer vor mehr als zehn Jahren gestarteten Bundesratsinitiative erreicht. Die Länder können nun auf der Grundlage von Verordnungen einen – wahlweise englischsprachigen – Instanzenzug für strukturierte und zügige Wirtschaftsverfahren einerseits startend am Landgericht (Commercial Chambers) und andererseits mit Eingangsinstanz beim Oberlandesgericht (Commercial Court) einrichten. Die föderale Gerichtsorganisation in Deutschland führt dazu, dass – anders als in anderen europäischen Staaten – nicht „der Commercial Court Deutschland“ entsteht, sondern die Länder Commercial Courts mit fachlichen Spezialisierungen an einzelnen Oberlandesgerichten und Commercial Chambers an bestimmten Landgerichten einführen können. Was tut sich in Berlin?
Berliner Pilotkammern bereits seit 2021
Am Landgericht Berlin II wurden bereits 2021 zwei internationale Kammern eingerichtet, vor denen Fälle – bedarfsgerecht – auf Englisch verhandelt werden, nämlich die Zivilkammer 9 unter Vorsitz von Frau Vorsitzender Richterin am Landgericht Julia Flockermann sowie die Kammer für Handelssachen 103b unter Vorsitz von Herrn Vorsitzendem Richter am Landgericht Friedrich Oelschläger. Auf Grundlage der neuen gesetzlichen Regelungen werden die auf große erstinstanzliche Verfahren mit internationalen Bezügen spezialisierten Kammern zusätzlich als Commercial Chambers Unternehmensstreitigkeiten im Bau- und Architektenrecht ohne besondere Streitwertschwelle übernehmen, wenn die Parteien sich auf Anrufung der Commercial Chambers einigen. Der Instanzenzug führt zum Commercial Court am Kammergericht mit Revisionsmöglichkeit zum BGH nach allgemeinen Vorschriften, wobei ein bis zu einem Urteil vollständig englischsprachiges Verfahren ermöglicht wird.
Commercial Court mit direktem BGH-Zugang
Zudem knüpft das Kammergericht an seinen hervorragenden Ruf im Baurecht an und hat auf dem Gebiet des §72a Abs. 1 Nr. 2 GVG ein weiteres Flaggschiff, nämlich den Commercial Court für erstinstanzliche Unternehmensstreitigkeiten mit zulassungsfreier Revision zum BGH eingerichtet. Vor dem von Herrn Vorsitzendem Richter am Kammergericht Björn Retzlaff geleiteten Senat sollen Bau- und Architektensachen aufgrund von Gerichtsstandsvereinbarungen ab einem Streitwert von 500.000 Euro wahlweise in deutscher oder englischer Sprache verhandelt werden.
Dem Commercial Court und den Commercial Chambers stehen modernisierte Instrumentarien zur Verfügung, nämlich ein früher Organisationstermin – auch als Videokonferenz –, in dem ein Verfahrenskalender erstellt werden soll. Die Parteien profitieren von der Möglichkeit eines verbesserten Schutzes von Geschäftsgeheimnissen und können ein Wortprotokoll beantragen.
Leuchtturmprojekt der Berliner Justiz
Nachdem erste Erfahrungen mit diesen neuen Instrumentarien von einzelnen Gerichten bereits gesammelt wurden, haben die Bundesländer nunmehr die Initiative ergriffen und wirken auf gemeinsame Richtlinien für den Zugang zu den neuen Spruchkörpern und einen gemeinsamen nutzerfreundlichen Internetauftritt zur Darstellung der Landschaft der Commercial Courts und Chambers in Deutschland hin. Anwaltschaft und Schiedsgerichtsbarkeit begrüßen eine
Stärkung der deutschen Justiz in Wirtschaftssachen einschließlich einer Stärkung des Justizstandorts in der Hauptstadt Berlin. Die neuen Spruchkörper sollen sich dem Wettbewerb mit anerkannten und neu entstehenden ausländischen Handelsgerichten und Schiedsgerichten stellen, auch damit staatliche Gerichte weiterhin die Aufgabe der Rechtsfortbildung in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts wahrnehmen können. Mit diesem Engagement bietet die Berliner Justiz der Wirtschaft in Zeiten vielfältiger Diskussionen zur Modernisierung des Zivilprozesses im Zusammenspiel mit Digitalisierungsfortschritten ein Leuchtturmprojekt in der Praxis an.
Julia Flockermann