Erste Umfrage unter allen Berliner Kolleginnen und Kollegen in Probezeit

Fast 40 Prozent mit gemischten Gefühlen: Was läuft schief? 

Unsere Assessorenbeauftragten Isabelle Shahal und Daniel Uhlig haben ein Meinungsbild bei den Kolleginnen und Kollegen in der Probezeit eingeholt und nehmen in diesem Artikel eine erste Auswertung vor.

Wie ist die Gesamtzufriedenheit? Welche Verbesserungsvorschläge haben die Jungen? Wie steht es um die subjektive Arbeitsbelastung, unsere Fachprogramme und die Bezahlung? Dies und viele andere Dinge wollten wir wissen – und haben bei allen Kolleginnen und Kollegen in der Probezeit nachgefragt. Ab März 2023 haben wir als Assessorenbeauftragte des DRB Berlin die Umfrage projektiert und freigegeben. Online, anonym und mit vielen freien Antwortmöglichkeiten.

Nach dem ersten Feedback und weiteren Fragewünschen aus der jungen Richter- und Staatsanwaltschaft haben wir außerdem eine Ergänzungsumfrage mit eben diesen zusätzlichen Fragen nachgeschoben. Am Ende lag uns insgesamt eine sagenhafte Zahl von über 100 komplett ausgefüllten Umfragen vor. Das freut uns ausgesprochen – gerade wenn man bedenkt, dass es die erste berlinweite Umfrage dieser Art und ein Teil der jungen Kolleginnen und Kollegen immer in Elternzeit ist. Die wichtigsten Eckdaten vorab:

  • Gestellt wurden insgesamt zehn Fragen
  • Jede Frage konnte auf Wunsch übersprungen werden. Dadurch variiert die Zahl der abgegebenen Stimmen je Frage etwas.
  • Wir können die Fragen nicht gerichtsgenau, sondern nur für die Justiz insgesamt stellen. Daher wissen wir nichts über den konkreten Arbeitsort der (anonym) Antwortenden; ebenso kennen wir nicht ihr Alter und Geschlecht.

Der vorliegende Artikel bietet eine kurze Kommentierung der oben abgedruckten Diagramme mit den Ergebnisse unserer Umfrage. Er soll auch als Aufschlag zu weiteren Diskussionen und Denkanstößen dienen.

1. Die Modernität der richterlichen Fachprogramme erreicht auf einer Skala von 1 bis 10 nur einen Wert von 4,1. Die relative Mehrheit der Stimmen liegt bei 3 von 10 Punkten. Dieses Thema ist aus unserer Sicht von Bedeutung, weil die richterliche Arbeitssoftware gewissermaßen das Gesicht ist, mit dem die Justiz ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern täglich gegenübertritt. Hier entscheidet sich, wie viel Komfort man bei der Umsetzung seiner Gedanken erlebt, wie einfach und zeitökonomisch das Gewünschte von der Hand geht und welche Stützung unsere Kolleginnen aller Altersgruppen dabei erfahren, ihre juristischen PS auf den Asphalt zu bringen. Außerdem lassen sich gerade bei Fachprogrammen durch die Beschäftigten leicht Vergleiche anstellen.

Das Ergebnis zeigt aus unserer Sicht, dass im Feld Digitalisierung noch viel Nachholbedarf besteht. Es bedarf aus unserer Sicht neben der Freigabe finanzieller Mittel der Bereitschaft zu Veränderungen, etwas Mut und eines Blickes nach links und rechts. Vor allem sollte durch ein genaues Hinhören bei den kollegialen Bedürfnissen und eine lebhafte Feedback-Kultur gesichert sein, dass die Programme nicht an den Erfordernissen des Alltags vorbeientwickelt werden.

2. Nach unserer Einschätzung überwiegend erfreulich sind die Ergebnisse auf die Frage nach der Berücksichtigung von Wünschen und besonderen Eignungen bei der Stationsauswahl (Frage 6). Die Spitzengruppe wird hier durch diejenigen gebildet, die ihre Wünsche und fachlichen Schwerpunkte „vollumfänglich“ berücksichtigt sehen, nämlich durch 31,8 %.

Wir vermuten, dass diese hohe Zufriedenheit auf zwei Ursachen zurückzuführen ist. Erstens wurzelt sie darin, dass hier schon die Früchte einer jüngeren Veränderung geerntet werden können. Seit geraumer Zeit können Neueinsteiger nämlich gleich zu Beginn dem gewünschten Tätigkeitsort zugewiesen werden und dort gegebenenfalls die gesamte Probezeit über verbleiben. Zweitens müssen wir eine kräftige Einschränkung machen: Wir haben nur danach gefragt, ob die Wünsche in der Probezeit insgesamt berücksichtigt wurden, nicht jedoch danach, ob dies bereits in der ersten oder zweiten Station der Probezeit der Fall war. Darüber, ob Wünsche tatsächlich bereits in Station 1 der dreiteiligen Rotation maßgeblich waren oder ob sie, soweit sie Berücksichtigung fanden, erst später zum Tragen kamen, wissen wir nichts. Auch ein spät erfüllter Wunsch würde nach unserer Fragestellung als „vollumfänglich“ erfüllt gelten, da er in einer Station mündete.

27,3 % der Teilnehmenden gaben an, ihre Wünsche und fachlichen Schwerpunkte „mit nur wenigen Abstrichen“ erfüllt zu sehen. 24,2 % sahen sie noch „einigermaßen“ berücksichtigt (die mittlere Antwortmöglichkeit). Vermutlich ist hierfür unter anderem die Praxis ursächlich, nach der in der ersten Station oft nicht die gewünschte Zuweisung erfolgte. Schade scheint, dass 15,2 % ihre Stationswünsche zu wenig und 1,5 % sogar „gar nicht“ als erfüllt betrachten. Da in dieser Hinsicht zwischen dem KG und den Einzelnen in der Regel eine funktionierende Kommunikation zu herrschen scheint, gehen wir davon aus, dass es sich um Personen handelt, die entweder nicht an wenigstens eines ihrer gewünschten Gerichte bzw. die Staatsanwaltschaft gelangt sind oder die zwar wunschgemäß dort waren, aber gegen ihren Willen – im schlimmsten Fall ohne Rückkehrperspektive – abgezogen wurden.

3. Wie das Diagramm bei der Frage nach der Besoldung unzweifelhaft zeigt: Beim Geld drückt der Schuh gewaltig. Nur etwa 17 % halten ihre Bezahlung für angemessen, ganze 83 % ordnen sie als zu niedrig ein. Seit vielen Jahren gibt es Diskussionen über die Besoldungshöhe, die nicht etwa nur eine unfaire bzw. zu geringe Bezahlung, sondern sogar ein verfassungswidrig niedriges Niveau betreffen. Im Jahr 2024 betrug das durchschnittliche Monatseinkommen der Gesamtbevölkerung laut dem Statistischen Bundesamt monatlich etwa 5.186 € brutto. Dies umfasst nicht nur Studierte, sondern wohlgemerkt die gesamte Bevölkerung. Eine kinderlose, unverheiratete Richterin oder ein Richter erhielt beim Berufseinstieg zum gleichen Zeitpunkt 4.720,84 € (R1 Stufe 1). Der DRB Berlin und auch der DRB Bundesverband engagieren sich deshalb seit Jahren im Dienste der Richterschaft mit großem Einsatz auf diesem Feld. Angesichts dieser Zahlen und der langwierigen Diskussionen wenig überraschend: Keine einzige Person hat angekreuzt, dass ihre Besoldung für die übertragenen Aufgaben zu hoch sei.

4. Im weiteren Sinne zählt zum Thema Bezahlung auch unsere Frage nach der Anerkennung der Vordienstzeiten (sog. Erfahrungszeiten, dies war Frage 2 unserer Ergänzungsumfrage). Keine einzige Stimme gab es dafür, dass die Anerkennung der geleisteten Arbeit vor dem Richter- bzw. Staatsanwaltsdienst „sehr großzügig“ erfolgt sei. Immerhin 16,1 % nahmen sie als „eher großzügig“ wahr. Wir vermuten, dass dies unter anderem Fälle sind, in denen Teilzeittätigkeit in eine Vollzeittätigkeit umgerechnet wurde. Immerhin 54,8 % halten das Ausmaß der Anerkennung der Vordienstzeiten noch für „normal“. Bedenkenswert erscheinen die übrigen Werte: 9,7 % nahmen die Anerkennung als „eher knauserig“ wahr. 19,7 % erschien sie gar „sehr knauserig“.

Dieses Thema sollte unserer Einschätzung nach unbedingte Beachtung erfahren. Denn hier geht es nur bei oberflächlicher Betrachtung nur ums Geld. Es ist zwar zutreffend, dass im Falle der Nichtanerkennung von Vordienstzeiten die Betroffenen ihr gesamtes Berufsleben lang jede folgende Besoldungsstufe entsprechend später erreichen, sich die Nachteile über das gesamte Berufsleben also zu stattlichen Summen auftürmen. Vor allem nehmen wir in der Kollegenschaft aber wahr, dass dieses Thema in den Betroffenen immer weiter „arbeitet“ und sie nicht etwa nur am unmittelbaren Berufseinstieg beschäftigt. Einige schildern hier auf unseren Treffen wie dem Netzwerk-Event (früher: Stammtisch) oder unserem Neujahrs-Bowling, sich bei der Einstufung gelinkt zu fühlen. Manche Kolleginnen und Kollegen suchen sogar Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten. Hier zeigen sich verschiedene Fallgruppen: Selbst umfangreiche Tätigkeiten für Politiker der ersten Reihe werden gelegentlich nicht als „förderlich“ anerkannt. Männer scheitern oft mit der Anerkennung ihrer Zivil- oder Wehrdienstzeiten, weil ihnen entgegengehalten wird, sie hätten ihren Dienstantritt durch andere Aktivitäten selbst verzögert. Hinzu kommen Fälle, in denen Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter an Universitäten nicht anerkannt wurden, weil sie vor und nicht nach dem zweiten Examen stattgefunden haben – und dies, obwohl es sich um die gleiche Tätigkeit handelt, die noch dazu identisch entlohnt wird.

Weil dieses Thema viele Facetten kennt haben wir entschieden, diesem Komplex einen eigenen Artikel zu widmen und unser Wirken in diesem Bereich zu verstärken. Wir bitten diejenigen, die hierzu eigene Erfahrungen beizutragen haben, um ihre Berichte unter daniel.uhlig@drb-berlin.de. Ohne genaue Kenntnis eurer individuellen Erlebnisse kommen wir schlechter voran.

Aus Sicht des DRB Berlin wird ein nicht wertschätzender Umgang gerade bei diesem Thema, das unseres Erachtens unterschätzt wird, leicht zum dauernden Sprengsatz an der Arbeitsmotivation. Hätte unser Bundesland hier nicht durch etwas mehr Anerkennungsbereitschaft ziemlich leicht die Chance, ein nagendes Problem zu vermeiden?

5. Gefragt haben wir auch nach der subjektiven Arbeitsbelastung im derzeitigen Dezernat. Hier reichen die Antworten auf einer Skala von 1 bis 10 tatsächlich von 2 bis 10, so dass von einer subjektiv stark divergierenden Belastung auszugehen ist. Der Durchschnittswert betrug beinahe 7, so dass die subjektive Arbeitsbelastung im Mittel eher hoch ist. 10 % haben sogar einen Wert von 10 angegeben, was Belastung am Anschlag bedeutet. Weitere 13 % sehen sich bei 9 von 10. Dies zeigt in unseren Augen, dass auf Gerechtigkeit bei den Dezernatszuschnitten und -inhalten noch nicht immer gut genug geachtet zu werden scheint. Zugleich ist der Richter- und Staatsanwaltsberuf nach wie vor kein Spaziergang: Nur drei Teilnehmende empfinden ihre Belastung als unterdurchschnittlich.

6. Auf Vorschlag einiger junger Kolleginnen und Kollegen selbst haben wir auch allgemein danach gefragt, wie sehr man sich durch seinen Dienstherren wertgeschätzt fühlt. Auf einer Skala von 1 bis 10 erreicht die Berliner Justiz hier derzeit einen Wert von 5,3. Hier ist also Luft nach oben, zumal etwa 35 % nur einen, zwei oder drei von zehn möglichen Punkten vergeben haben.

7. Abschließend wollen wir auf unsere Frage zur Gesamtzufriedenheit (Frage 1) eingehen. Sie steht in einem inneren Zusammenhang mit der Frage danach, ob unsere Kolleginnen und Kollegen einem Freund oder einer Freundin die Berliner Justiz empfehlen würden (Frage 7).

Zur Gesamtzufriedenheit: Nur etwa 10 % unserer Umfrageteilnehmerinnen und Umfrageteilnehmer sind unzufrieden, davon 7,4 % „ziemlich unzufrieden“ und etwa 3 % „vollkommen unzufrieden“. Wertet man die Wahl der Antwort „vollkommen unzufrieden“ als das Risiko, dass die Betroffenen quasi auf dem Absprung sind, dürfte dies Anlass zur Sorge geben: Wer innerlich gekündigt hat, nimmt vermutlich seltener an Umfragen wie unserer Teil, so dass hier eine höhere Dunkelziffer zu vermuten ist.

Unabhängig davon ist die Zahl derjenigen bedauerlich, die bei ihrer richterlichen oder staatsanwaltlichen Tätigkeit nur „gemischter Gefühle“ sind, die also die mittlere aus fünf Antwortmöglichkeiten gewählt haben. Mit 39,7 % ist dies die größte Gruppe. Aus unserer Sicht wäre hier ein höherer Wert erstrebenswert – und mit den zahlreichen Vorschlägen des DRB zur Weiterentwicklung des Richterberufs auch erreichbar. Schließlich handelt es sich sowohl beim Richter-, als auch dem Staatsanwaltsberuf um traumhaft schöne Berufe. Bei der Suche nach den Ursachen bieten die übrigen Fragen unserer Umfrage und ihre Beantwortung einen Fingerzeig. An dieser Stelle möchten wir auch auf unser Papier zu den Verbesserungsvorschlägen hinsichtlich der Probezeit verweisen. Es ist im bundeslandsübergreifenden Austausch zwischen allen Interessenvertreterinnen und -vertretern des DRB entstanden und auf unserer Homepage in der Rubrik „Kolleginnen und Kollegen in Probezeit“ abrufbar. Manches davon hat Berlin bereits gut umgesetzt, anderes harrt der Erschließung.

Positiv fällt auf: Als zweitgrößte Gruppe folgt die Antwort „ziemlich zufrieden“, die immerhin 36,8 % ausmacht. 13,2 % entschieden sich sogar für „vollkommen zufrieden“. Diese Kolleginnen und Kollegen scheinen an ihrem Wunschgericht angekommen und von einem guten kollegialen Umfeld aufgenommen worden zu sein.

Eher erfreulich sind die Antworten auf die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass man den Beruf Richter / Staatsanwältin einem Freund oder einer Freundin empfiehlt. Auf einer Skala von 1 bis 10 erreichen wir hier einen Durchschnittswert von 7,6. Dies zeigt aus unserer Sicht, dass der Beruf an sich eine relativ große Zustimmung unter denjenigen findet, die ihn ausüben, während wir an den Bedingungen seiner Ausübung weiter arbeiten sollten.

Es hat uns Spaß gemacht, einen genaueren Einblick in das Erleben unserer Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. Vielen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, insbesondere auch für das positive Feedback am Umfrageende!

Isabelle Shahal und Daniel Uhlig